„Indiens verdrängte Wahrheit“ Georg Blume, Christoph Hein

Indiens verdrängte Wahrheit

Georg Blume/Christoph Hein

Indiens verdrängte Wahrheit

Streitschrift gegen ein unmenschliches System

© edition Körber-Stiftung, Hamburg 2014
ISBN 978-3-89684-459-0

Die Autoren Blume und Hein sind ausgesprochene Kenner Asiens und dort vor allem Indiens und Chinas. Als Korrespondenten großer deutscher Zeitungen reisen sie quer durch die Länder und berichten. Nun haben sie sich zusammengetan, um ein Buch über Indien zu schreiben, das aufrütteln soll und mahnen soll.

Dabei kommen unbequeme Wahrheiten zu Tage, vor denen der Westen gerne die Augen verschließt. Schließlich ist Indien eine Demokratie. Sie stellen sich offen gegen „das Gefühl, dass selbst gestandene Journalisten, Politiker und Experten Indien mit Samthandschuhen anfassen, weil ihnen das demokratische Indien am Ende doch sympathischer ist als ein islamischer Gottesstaat, das kommunistische China oder eine afrikanische Diktatur.“

Sie finden harte, deutliche Worte für das, was da in Indien passiert, nicht nur mit den Frauen, den Bauern, den Armen. Die unsägliche Korruption von Politikern und Managern, die auf allen Ebenen statt findet und auch die Umweltverschmutzung kommen zur Sprache. Das alles auf gerade mal 200 Seiten. Umso härter müssen die Worte sein. Da gibt es keine Beschönigungen. Da wird von Genozid gesprochen, wenn es um die Vernachlässigung und Tötung von Mädchen geht.

Die beiden Journalisten gehen in die Slums und in die Dörfer und prangern an, dass Menschenrechtsorganisationen und westliche Hilfsorganisationen nur selten den Weg dorthin finden. Indien hat viele Fronten, an denen es um eine bessere Zukunft kämpfen müsste: Nicht nur die vernachlässigten Frauen, die jetzt gerade im Mittelpunkt westlicher Aufmerksamkeit stehen, sondern auch die Armen in den Slums und auf den Dörfern, die Ureinwohner, die Muslime. Keiner der indischen Elite und Reichen tut etwas. Und keiner schaut hin!

Entstehung und Ziel

Das Buch entstand im Frühjahr 2014 vor den Wahlen in Indien. Auch auf Modi, der nun schließlich die Wahl gewann, nehmen die beiden Bezug, ohne viel Hoffnung. Was sich nun ja auch bestätigt, wenn Modi sagt: „Lasst uns Toiletten bauen! Dann müssen die Frauen nicht mehr hinaus, um ihre Notdurft im Freien zu verrichten.“ Auch das ein Fehler der Vergangenheit: Bei all dem schönen Aufschwung mit glitzernden Hochhäusern und beeindruckenden Autobahnen wurde es in Indien versäumt, für eine funktionierende Infrastruktur zu sorgen. Viele Dörfer haben heute noch keinen Strom-Anschluss, keine Schule, keine Krankenstation. 700 Millionen Inder leben heute in Armut. Immer noch! In dieser hochgelobten Demokratie!

Mich hat dies Buch sehr beeindruckt, hat es doch auch ein paar Antworten auf meine Fragen zu Indien geboten, z.B. wieso die Menschen in Indien untereinander so gleichgütig sind. Manches, was ich gar nicht so formulieren könnte, oder was mir einfach an Hintergrundwissen fehlt, manches, was ich aber selbst schon gedacht habe, kommt sehr deutlich zur Sprache. Manche Worte sind so deutlich, dass mir die Tränen gekommen sind.

Am Ende dieses beeindruckendes Buches steht dieser eindringliche Appell:
„Es wird Zeit, dass wir aufhören zu verdrängen und Indiens Wahrheit an die Öffentlichkeit tragen. Unsere weltbürgerliche Verantwortung verlangt, den Opfern in Indien endlich eine Stimme zu geben.“

Deshalb sollte jeder/jede Indienreisende dieses Buch vor seiner/ihrer Reise lesen, unterwegs die Augen offen halten und von dem berichten, was er gesehen hat.

Was ich selbst (1992) in Indien erlebt habe, lest Ihr hier:
Als Frau alleine durch Indien?
Indiens Frauen
9.02.92 Indien, ich komme!

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