12.08.91 Das geheimnisvolle Tal des Unju Sa

Liebevolle Tipps zu Südkorea von meiner Freundin Ulli
Liebevolle Tipps zu Südkorea von meiner Freundin Ulli

Vom seltsamen Pferdeohrenberg sind Annemarie und ich weiter zum Jirisan-Nationalpark weitergefahren. Dort gibt es viele alte Tempel, tiefe Wälder und kleine Dörfer zu entdecken.

Doch die Freundschaft zwischen Annemarie und mir scheint dies Zusammenreisen nicht auszuhalten. Zu unterschiedlich sind unsere Gewohnheiten und Interessen. Also reise ich alleine weiter.

Eine große Hilfe und Inspiration für meinen Aufenthalt in Südkorea sind die Erzählungen und Tipps meiner Freundin Ulli. Deshalb mache ich mich auf die Suche nach den Tausend Buddhas vom Unju Sa-Tempel.

Aus meinem Reisetagebuch 1991:

Auf zum geheimnisvollen Unju Sa

Am 12.08. verabschiede ich mich endlich von Annemarie. Ich fahre erleichtert alleine weiter – ausgerechnet an einen Ort, der in meinem Reiseführer nicht verzeichnet ist und von dem ich nur eine grobe Beschreibung von meiner Freundin Ulli habe. Der Unju Sa, ein Tempel wirklich abseits der ausgetretenen Touristenpfade, liegt nach ihren Worten in einem einsamen Tal nicht weit von Gwangju.

Zunächst fahre ich also nach Gwangju und steige dort in den Bus nach Hwasun. Dort, hatte Ulli gesagt, gibt es preiswerte Unterkünfte. Nur finde ich leider keine. Es gefällt mir hier auch nicht und ich will mit dem nächsten Bus zum Unju Sa, wo es sicher auch eine Möglichkeit zum Übernachten gibt.

An der Haltestelle frage ich die Wartenden: “Unju Sa?! Unju Sa?!“ Die Leute nicken erfreut. Als der Bus kommt, steige ich ein. „Unju Sa?“ Der Busfahrer nickt.

Der Bus fährt durch eine Ebene mit einem Fluss und vielen grünen und gelben Feldern. Es gibt wenig Ortschaften und keine Straßenschilder. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo ich mich befinde.

Endstation!

Irgendwann hält der Bus in einem Dorf und fährt dann weiter. Allerdings nur bis zum Ortsausgang. Dort hält der Fahrer an und schaut mich verwundert an: hier ist Endstation! Ich versuche es noch einmal „Unju Sa!“ Er schüttelt den Kopf. Anscheinend hat er mich von Anfang an nicht verstanden. Was mache ich jetzt?!

Unjusa Unterm Hang
Die Buddhas vom Unju-Sa

Wo bin ich nur?

Hier bin ich nun irgendwo in Südkorea in einem sehr kleinen Ort, der aus einer einzigen Straße zu bestehen scheint. Ob es hier eine Pension gibt?! Ich habe bei der Durchfahrt nicht die Spur eines kleinen Hotels „Yokwan“ gesehen. Seufzend schultere ich meinen Rucksack, gehe die Straße entlang und komme zu einem Laden.

Mir fällt glücklicherweise das Wort für Pension ein: „Minbak“. Also versuche ich es bei der Ladeninhaberin damit. Sie kann es gar nicht fassen, dass sich eine Fremde in ihr kleines Geschäft verirrt hat.

Sie ruft gleich nach einem jungen Mädchen, das zwar auch kein Englisch spricht, sich aber doch gerne mit mir unterhält. Mehr als „Minbak“ bekommt sie allerdings aus mir nicht heraus, weil ich kein Koreanisch spreche. Aber sie versteht mich schließlich und führt mich einige Häuser weiter.

Eine sehr koreanische Pension

Dort zeigt mir eine alte zahnlose Frau verwundert ein Häuschen, das im Hinterhof des Gebäudes liegt. Rundherum sind viele bunte Blumen angepflanzt, und dahinter stehen die großen, braunen Tontöpfe, in denen die gute koreanische Hausfrau ihren ganzen Stolz, den selbst eingelegten Kimchi, aufbewahrt.

Ich wohne ganz und gar koreanisch. Das Häuschen besteht aus einem einzigen Zimmer. Die einfache dünne Matratze liegt auf dem Linoleumboden. Es gibt ein kleines Tischchen und eine Lampe. An den Wänden haben meine Vorgänger obszöne Strichzeichnungen gemalt. Das Klo befindet sich hinterm Haus und ist von der Marke Plumpsklo. Die alte Frau findet es schon sehr erstaunlich, dass ich tatsächlich hier wohnen will. Ich eigentlich auch. Im vorderen Bereich des Haupthauses gibt es ein Geschäft, in dem ich mir bei der Alten eine Flasche Limonade kaufe.

Nunju – ein koreanisches Dorf

Dann gehe ich los, um herauszufinden, wo ich eigentlich bin. Am Busbahnhof, einer etwas größeren Haltestelle, wo viele Menschen stehen und warten, erreiche ich nichts – keiner spricht Englisch. Ich gehe weiter und finde am Ortseingang endlich ein Ortsschild „Nunju“ (heute Neungju) und einen Wegweiser zum Unju Sa, der noch 18 km entfernt ist. Jetzt weiß ich endlich, dass ich doch zumindest in der richtigen Gegend unterwegs bin.

Ich mache einen Spaziergang durch ein paar Nebenstraßen und finde einige Sehenswürdigkeiten, die sogar mit englischsprachigen Schildern versehen sind. Den Olympischen Spielen von 1988 sei Dank! Dadurch weiß ich, dass Nunju über eine Konfuzianische Schule aus dem 17. Jh. und über die Stele zu Ehren eines Generals verfügt. Es gibt sogar eine Kirche.

Über den flachen Hügeln türmt sich jetzt eine graue Regenwolke. Sie veranlasst mich, schnellstens zu meiner Pension zurückzukehren.

Früh gehe ich zu Bett und lausche noch lange auf mein kleines Radio und den Regen, der draußen nieder rauscht. Ich frage mich manchmal doch, was ich hier eigentlich mache.

Sommerschule für kleine Buddhisten am Unju-Sa
Sommerschule für kleine Buddhisten am Unju-Sa
Mein Original-Tagebuch. Hatte ich damals nicht eine tolle Schrift?
Mein Original-Tagebuch. Hatte ich damals nicht eine tolle Schrift?

Tausend Buddhas des Unju Sa

Am nächsten Tag geht das Abenteuer weiter. Ich finde den direkten Bus zum Unju Sa, der mich an einer einsamen Kreuzung absetzt. Ein Feldweg führt zu dem kleinen Tempel. Entlang des Weges stehen viele Buddhastatuen, die grob aus flachen Steinplatten gehauen sind. Sie wirken irgendwie anrührend in ihrer Einfachheit.

Unjusa
(c) Ulrike Kraft

Vor dem eigentlichen Tempel unterrichtet eine buddhistische Nonne eine ganze Schar kleiner Kinder. Als ich mich hinsetze, um ein wenig auszuruhen und Tagebuch zu schreiben, kommen sie angelaufen und schauen mir über die Schulter. Zum Entzücken der Kinder male ich einen kleinen Hasen ins Tagebuch.

Statuen und Pagoden überall
Unjusa
(c) Ulrike Kraft

Dann gehe ich weiter in den Wald hinein, wo es noch mehr Statuen gibt. Die Statuen und die vielen kleinen Pagoden und Steinpyramiden stammen aus dem 11. und 12. Jh. Die Minjung, eine Vereinigung von armen Bauern und Sklaven, waren der Überzeugung, dass erst, wenn sie 1000 Buddhas und genauso viele Pagoden geschaffen hätten, ein Zeitalter der Gerechtigkeit beginnen würde.

Unju sa Buddhas
Unju Sa Pagoden

Eine andere Legende besagt, dass ein Mönch glaubte, er würde erst dann ins Nirwana kommen, wenn er in diesem Tal 1000 Buddhastatuen aufgestellt habe.

Unjusa ChilisTrauben und Chilischoten

Auf dem Rückweg treffe ich zwei koreanische Touristinnen, die Lehrerinnen sind und etwas Englisch sprechen. Ich freue mich sehr über diese nette Begleitung. Als wir an einem Feld vorbeikommen, wo gerade Weintrauben geerntet werden, bekommen wir von dem freundlichen Bauern einige Trauben geschenkt, die wir gleich auf dem Boden hockend essen.

Die Sonne scheint, ich fühle mich unglaublich wohl. Das ist genau die Art zu reisen, die ich mag! Gemeinsam warten wir mehr als eine Stunde lang auf den Bus zurück nach Nunju. Auf dem warmen Asphalt sind rote Chilischoten ausgebreitet, um in der Sonne zu trocknen. Nur selten fährt ein Auto vorbei. Ein großer alter Baum bietet uns Schatten. Wir unterhalten uns über dies und das und essen die Trauben. Endlich kommt der Bus, mit dem ich nach Nunju fahre. Die beiden Koreanerinnen fahren weiter bis Kwangju.

Noch eine Nacht in Nunju! Die alte Frau ist ganz überrascht, dass ich eine zweite Nacht bei ihr verbringen will. Plötzlich ist das Zimmer sehr viel preiswerter.

Links

Wie alles begann

Ulrike
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4 Gedanken zu „12.08.91 Das geheimnisvolle Tal des Unju Sa“

  1. Liebe Wasana,

    das ist ja toll! Danke für Deinen Kommentar! Ich mag Kimchi überhaupt nicht. Und zum Frühstück brauche ich Brot und Kaffee!
    LG
    Ulrike

  2. Liebe Ulrike,
    toller Reisebericht! Es macht mir viel Spass ihn zu lesen und ich freue mich immer auf deinen nächsten Bericht. Kimchi? Mmmmm Lecker! Ich gehöre zu den Personen die morgens zum Frühstück Reis mit Kimchi essen können 🙂
    Alles Liebe,
    Wasana

  3. Hihi. Da hab ich auch noch viel mit der Hand geschrieben. Heute sieht meine Handschrift schrecklich aus!

  4. Wie immer ein absolut toller Reisebericht. Freue mich bereits auf die Fortsetzung. Und ja, du hattest damals eine sehr schöne Schrift 🙂 Ich wünschte mir, meine wäre immer so klar und schön zu lesen.

Ich freue mich auf Deinen Kommentar!