Ahnenverehrung in China

Der Ahnenkult ist In China ist ein zentrales Thema. Viele Aspekte des täglichen Lebens in China sind auf das Leben nach dem Tod ausgerichtet: Die Ahnen gut zu versorgen und sie wohlgesonnen zu stimmen, ist sehr wichtig. Denn dann werden sie dafür sorgen, dass es der Familie im hiesigen Leben weiterhin gut geht.

Sai Kung - Blick in ein Haus. Auch heute noch gibt es fast in jedem chinesischen Haushalt einen speziellen Platz für die Ahnenverehrung
Sai Kung – Blick in ein Haus. Auch heute noch gibt es fast in jedem chinesischen Haushalt einen speziellen Platz für die Ahnenverehrung

Ahnenverehrung – Ancestor Worship

Wichtigste Person für eine ordentliche Versorgung der Ahnen ist der älteste Sohn einer Familie. Dieser tiefverwurzelte Glauben, dass nur ein Sohn für die richtige Verehrung und die korrekten Rituale in frage kommt, führt bis heute zu verschiedenen sozialen Problemen. Zunächst ist es wichtiger, einen Sohn zu bekommen als eine Tochter.

Daraus resultiert ein Ungleichgewicht bei den Geburten. Es werden mehr Söhne als Töchter geboren. Denn vor allem bei der noch teilweise üblichen Ein-Kind-Politik wird es bei einfachen Menschen als Katastrophe angesehen, wenn eine Tochter zur Welt kommt. Da hilft auch alle Propaganda und Aufklärung nichts.

Die Rituale der Ahnenverehrung sind in China mindestens 3.000 Jahre alt und tief verwurzelt im Bewusstsein.

Ahnenverehrung auch bei der Hochzeit
Zu einer traditionellen Hochzeit gehört in China immer auch die Verbeugung des Hochzeitspaares vor dem Ahnenaltar der Familie

Überall in China findet man heute noch viele kleine und große Ahnentempel. Einer der größten ist der Ahnentempel der Monarchie in Peking. Die Ahnenverehrung spielt immer noch eine große Rolle im Familienleben der Chinesen.

Qingming Fest und Totenfeier

Wichtig ist zum Beispiel das QingMing-Fest. An diesem Tag werden die Gräber gepflegt und den Verstorbenen werden rituelle Mahlzeiten gebracht. Gefeiert wird das QingMingfest am 4. Tag des 4. Monats. Seit 2008 ist es ein offizieller Feiertag in China.

Auch eine ordentliche Totenfeier in einem Tempel ist wichtig. Man will die Ahnen bei Laune halten.

Nicht immer mögen die Leute es, wenn man sie bei den Zeremonien fotografiert. Deshalb immer erst fragen!

Totenzeremonie im Jingan Tempel Shanghai
Totenzeremonie im Jingan Tempel Shanghai

Das Verbrennen von Papier

Bei einer Totenfeier und späteren Totenfesten verbrennen die Chinesen viel Papier, nicht nur Geister-Papiergeld, sondern auch alles, was einem das „Leben“ nach dem Tod einfacher und angenehmer macht, z.B. Fernseher oder Computer. Aus Papier!

Das Verbrennen von papierenen Opfern ist verbunden mit der Vorstellung einer jenseitigen Welt, in der Ahnen, Geister und Götter leben. Das Jenseits ist ein Spiegelbild der diesseitigen Welt, und die Bewohner beider Welten brauchen dieselben Dinge für ein gutes Leben.

Eigentlich waren die Dinge aus Ton oder Stein, reiche Grabausstattungen bestanden auch aus Gegenständen, die die Verstorbenen im wirklichen Leben benutzt haben.

Da war die Erfindung des Papiers eine große Erleichterung. Vermutlich seit dem 7. Jahrhundert nach Christi bestanden die Nachbildungen oft aus Papier und wurden verbrannt. Bereits in der späten Song-Zeit (960 bis 1279) werden Geschäfte und Verkaufsstände für solche Objekte beschrieben. Beim Verbrennen legen die Objekte den Weg vom Diesseits ins Jenseits zurück.

Ahnenverehrung in Dali
Ahnenverehrung in Dali

Heute findet die Ahnenverehrung häufig virtuell im Internet statt. Urnen für Leichenasche virtuelle Grabplätze für VIPs findet manauf entsprechenden Seiten. Loggt man sich ein, kann der Nutzer Fotos, Lebenslauf und sogar Video-Clips des Verstorbenen hinterlegen. Unter dem Fenster „Elektronische Trauer“ bietet ein Menü folgende Service-Leistungen an: virtuelle Blumen, Musik, Kerzenlicht, Wein, Gewürze, Räucherstäbchen, Früchte, Süßigkeiten, Fotos oder Worte der Trauer.

Manchmal entsteht aus der Ahnenverehrung ein neuer Kult. Vielleicht kann man sogar Mao mit seinem Mausoleum dazu zählen. Doch auch heutige Götter in China haben mal als Ahnen angefangen. Sie haben großartiges vollbracht. Deshalb hat man ihnen einen Tempel, einen Ort der Erinnerung errichtet.

Irgendwann vergessen die Menschen, dass das eigentlich mal ein ganz normaler Mensch aus Fleisch und Blut war. So wird der verehrte Ahne zu einem Gott.

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Ulrike
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3 Gedanken zu „Ahnenverehrung in China“

  1. Interessante Aspekte! Gerade die Ahnenverehrung ist in Deutschland bzw. im christlichen Umfeld schwer zu begreifen. Ich habe schon früh gesagt, dass ich keine Grabstätte oder Bilder brauche, um lieber Verstorbener zu gedenken. Ich hab als Archäologin eben auch gesehen, was von den Menschen irgendwann übrig bleibt. Meine Lieben haben ihren Platz in meinem Herzen und meiner Erinnerung.
    Und wenn ich sehe, wie viel Leid und Kummer diese gesellschaftlichen und traditionellen Zwänge nicht nur in China verursachen, dann kann ich nur an die Vernunft appellieren! Töchter sind genauso viel wert wie Söhne!

  2. Die irrationale Haltung lieber Söhne zu wollen, hat vermutlich auch mit den vielen Kriegen der Vergangenheit zu tun. Ich weiß nicht viel von China, aber im alten Japan war das ab einem gewissen Zeitpunkt ein Abschlachten Tausender. Ursprünglich wurden Kriege nur von (einem!) Mann gegen Mann entschieden. Der Rest war lediglich Show. Erst als die Mongolen nach Japan segelten und den / die heran reitenden Samurai einfach mit einem Pfeilhagel erschossen, hat man das geändert.

    Ahnenverehrung ist auch in Japan ein tiefes religiöses Bedürfnis, das auch von den Christen dort übernommen worden ist. In meinem Elternhaus gibt es Bilder der verstorbenen Großeltern mit den üblichen Räucherstäbchen davor. Ich selbst bin da eine moderne Buddhistin und spiele dieses Spiel in unserer Wohnung nicht mehr mit. Ich schreibe darüber. Ob das auch eine Art Verehrung ist? 😉

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