Longsheng – Der Drachenrücken

Endlos ziehen sich die Reisterrassen von Longsheng vor meinen Augen die Berghänge hinauf und verschwinden im sanften Morgennebel. Ein Hahn kräht, ein fröhliches Lachen klingt aus dem Dorf zu mir. Ein Bauer führt sein Pferd zur Feldarbeit. Tief atme ich die frische Luft ein. Ein herrliches Fleckchen Erde! 

Reisterrassen von Longsheng
Longsheng Reisterrassen

Longsheng Reisterrassen

龙胜梯田   •   Lóngshèng Tītián =  Longsheng Reisterrassen

Man sagt, dass die Reisterrassen von Longsheng die ausgedehntesten und schönsten der Welt sind. Schöner oder zumindest durchaus vergleichbar mit denen von Banaue auf den Philippinen oder denen auf der Insel Bali in Indonesien.

Die Reisterrassen von Longsheng liegen rund 125 Kilometer nördlich von Guilin. Diese berühmte malerische Stadt in Südchina hat damit nicht nur die fantastische Karstkegellandschaft (mehr) zu bieten sondern eine weitere erstaunliche Landschaft.

Geschichte der Reisterrassen von Longsheng

In den subtropischen Bergen, die bis zu 2.000 m hoch sind, war Ackerland immer knapp. Den Menschen blieb keine andere Wahl, als in schmalen Terrassen mit einem ausgeklügelten Wassersystem ihren Reis anzubauen. Die Reisterrassen von Longsheng existieren schon mehr als 700 Jahre. Generationen der einheimischen Völker Zhuang, Yao und Miao haben in mühevoller Kleinarbeit winzige Felder bewirtschaftet. Auch heute noch lassen sich die schmalen Felder kaum mit modernen Geräten und Maschinen bearbeiten.

Die Reisterrassen von Longsheng sind ein gut funktionierendes Ökosystem. Ein Großteil der Wälder auf den Berghängen wirkt als Wasserspeicher. Reisanbau benötigt sehr viel Wasser. Die meisten Felder auf den Terrassen sind ziemlich klein. Das größte Stück misst nicht mehr als 0,04 Hektar, also 400 Quadratmeter. Die Bauern sagen, ein Frosch könne in einem Satz über drei Felder auf einmal springen.

Die Reisterrassen heute

Es ist ein beeindruckendes Abenteuer, in diesen Bergen zu wandern, die alten Dörfer zu besuchen und den Menschen zu begegnen. Während sich die Männer weiter um die Felder kümmern, haben die Frauen schon lange die Touristen als Einnahmequelle erschlossen. Sie tragen die Rucksäcke bis zu etwas abgelegeneren Gasthäusern, verkaufen ihre farbenfrohen Handarbeiten und sind auch gerne für ein Schwätzchen oder sogar ein Tänzchen mit den fremden Besuchern zu haben.

Yao Frau mit Enkel
Frau der Yao-Nationalität

Die langen Haare der Yao

Die Frauen der Yao haben eine Tradition, die vor allem bei den Touristen und Fotografen auf großes Interesse stößt: Sie lassen sich ihre Haare wachsen, bis sie fast auf den Boden reichen. Meistens sind die Haare zu einer hohen Frisur aufgesteckt und unter bunten Tüchern verborgen. Gegen ein kleines Entgelt lassen sie dann schon mal die Haare lose über den Rücken fallen. Ich bin kein Freund solcher exotischen Zurschaustellung. Deshalb kein Foto von mir dazu. Aber die Frauen freuen sich, wenn sie damit ein paar RMB verdienen.

Die Reisterrassen bieten reichlich Fotomotive: Morgens, wenn sich die Sonne zunächst kraftlos hinter dem Morgennebel zeigt, mittags im Sonnenschein und abends im milden Licht der Abendsonne. Es lohnt sich also durchaus, mehrere Tage dort zu verbringen und immer wieder die Berghänge hinauf und hinab zu wandern.

Das Meijing Lou Gasthaus

Ich habe im Meijjing Lou Gasthaus übernachtet, das idyllisch oberhalb der Dörfer und Reisfelder liegt. Die freundlichen Wirtsleute, die der Minderheit der Yao angehören, sprechen nicht viel Englisch. aber sie geben sich große Mühe. So entsteht auch mancher gemeinsame Spaß.

Meijing Lou Gasthaus Küche
Meijing Lou Gasthaus Küche

Die Zimmer sind zweckmäßig und sparsam eingerichtet. Auch Dusche und WC sind vorhanden, aber sehr einfach, also keine extra Duschkabine oder Vorhang. Naja, Hauptsache, es ist sauber! Das tollste ist der Ausblick, wenn man morgens aus dem Fenster schaut. Die ersten Hähne krähen, Schwalben fliegen, leichter Nebel steigt über den Feldern auf. Frische Luft! Tief einatmen und genießen!

Das Frühstück ist einfach und auf das Notwendigste beschränkt. Man sollte bedenken, dass alles per Pferd oder Menschenkraft hinaufgeschleppt werden muss. Die Küche ist mehr wie eine private Küche der Einheimischen ausgestattet mit offenem Feuer bzw. Gaskocher, aber Kühlschrank! Man darf hier mitten in den Bergen keine blitzende Hotelküche erwarten, aber alles war sorgfältig sauber gehalten. Mir hat es hier geschmeckt und es hat keinerlei Folgen gehabt 🙂 .

Wann sehen die Reisterrassen am schönsten aus?

Wann ist die beste Reisezeit und wann sehen die Reisterrassen am schönsten aus? Der eine meint, dass es im April am schönsten ist, wenn die frischen Setzlinge in leuchtendem Grün strahlen. Im Oktober zeigt sich der reife Reis in einem goldenen Gelb in der Sonne. Im Winter sind die Terrassen manchmal weiß mit Schnee gepudert. Auch die Zeiten, wo nur die dunkle Erde (im Winter) zu sehen ist, oder die Felder mit Wasser geflutet sind, also im März, haben ihren besonderen Reiz. Die Felder sind beeindruckend als Fotomotiv durch ihre Strukturen, nicht so sehr durch die Farben. Finde ich.

Auch die alten Dörfer sind einen Besuch wert. Die traditionelle Holzarchitektur wird nicht zuletzt wegen des Interesses der Touristen erhalten. Die Häuser sind wie in vielen Ländern der Welt so konstruiert, dass die sie auf hohen Stelzen stehen. In dem unteren Bereich „wohnen“ die Haustiere: Schweine, Hühner, Pferde. Darüber befindet sich eine Terrasse mit den Wohnräumen der Menschen.

Meine Besuche in Longsheng 1993 und 2011

Ich war bereits 1993 in Longsheng. Ich muss allerdings gestehen, dass Longsheng für mich damals nur eine Durchgangsstation auf dem Weg zum Tal der Dong war. Hatte ich schon genug Reisterrassenlandschaft gesehen? Irgendwie riss mich die Landschaft nicht vom Hocker. Mangels Informationen wusste ich auch nicht, wie in den Bergen zu wandern, wo zu übernachten. Eine Reifenpanne des Busses mittendrin stimmte mich nicht fröhlicher.

Impressionen aus 1993

2011 hatte ich die wunderbare Gelegenheit, auf einer organisierten Reise nicht nur in die Reisterrassen zu wandern, sondern dort auch mitten in den Bergen zu übernachten. Morgens mit Blick auf die Landschaft aufzuwachen und die ersten Sonnenstrahlen, die sich mühsam durch den Morgendunst kämpfen, zu erleben: Das war überwältigend schön!


Infos

Longsheng Reisterrassen Eingang

Es gibt verschiedene Busse, die von Guilin aus nach Longsheng bzw. zu den Dörfern Ping’an und Dazhai fahren.
Für den zentralen Park zahlt man einen Eintritt von 80,- Yuan RMB (aktualisiert August 2019)

Auch von dem beliebten Ort Yangshuo am Li-Fluss ist es nicht weit bis Longsheng. Beide dieser schönsten Landschaften werden gerne kombiniert besucht.

Für den Gepäcktransport zum Gasthaus mittels der freundlichen Yao-Frauen zahlt man rund 40,- RMB
Manchmal gibt es auch Sänften. Den Preis muss man aushandeln, wenn man sich hinauf tragen lassen will.

Für weitere nützliche Informationen:
https://www.travelchinaguide.com/longji-rice-terraces-longsheng.htm

In Ping’an und auch in Dazhai gibt es einige wunderschöne alte Gasthäuser. Am schönsten ist es aber, mitten in den Terrassen zu wohnen. Da empfehle ich das oben beschriebene Meijing Lou-Gasthaus.
Adresse: No.1 Scenic Spot, Longji B Area, Tiantouzhai, Dazhai Village, Heping County, Longsheng County, China

Um dorthin zu kommen, muss man ca. 1,5 Stunden durch die Reisterrassen wandern. Teilweise auf Treppen. Ich empfand es nicht als besonders anstrengend. Man kann sich auch gerne Zeit lassen, mal den Rundblick genießen oder den Leuten auf den Äckern und in den Dörfern zuschauen. Von der Busstation aus helfen einem die Yao-Frauen gerne für eine kleine Gebühr, den Rucksack hinauf zu tragen.


Der Drachenrücken auf anderen Blogs

Ein aktueller Bericht (Oktober 2018) findet sich auf dem Blog von wegsite.net . Wunderbar wird die heutige Situation am Drachenrücken geschildert und mit vielen tollen Fotos belegt. Dort kann man auch sehen, wie schön die Reisterrassen aussehen, wenn der erntereife Reis im Oktober alles in Gold und Gelb zeigt.

Noch einen aktuellen Artikel (Frühjahr 2019) mit detaillierter Beschreibung, wie man von Guilin aus hinkommt, gibt es auf dem Blog rucksackundrentner.de. Dazu ganz viele Fotos von dem Ort Dazhai, der sich gerade zu einem Touristenhotspot wandelt.


Wie mag die Zukunft aussehen?

Ein kleiner Wermutstropfen mischt sich in die Erinnerung. Auch wenn die Reisterrassen von Longsheng zu den geschützten Landschaften in China gehören, so kann man sehen, dass der Wohlstand, den der Tourismus gebracht hat, auch seine negativen Seiten hat.

Longsheng spielende Kinder

Wer hat noch Lust auf die beschwerliche Arbeit auf den Feldern, wenn man sein Geld auch leicht mit dem Verkauf von Souveniren oder dem Vermieten von Zimmern verdienen kann? Manche Felder machten bei meinem Besuch 2011 einen vernachlässigten Eindruck. Auch für die Jugend bietet das ländliche Longsheng wenig Möglichkeiten.

Ein aktueller Reisebericht von Michael (August 2022) schildert den Zustand der Felder und Dörfer, die unter Corona und auch unter den (mangelnden) Touristen gelitten haben. Es ist das eingetreten, was ich schon befürchtet habe. Mit zunehmenden Wohlstand will keiner mehr auf den schmalen Feldern arbeiten.

Links

China-Reiseberichte auf dem Bambooblog

Ulrike

3 Gedanken zu „Longsheng – Der Drachenrücken“

  1. Longsheng ist immer eine Reise wert. Empfehlenswert ist ,wie du schon geschrieben hast, eine Übernachtung und morgens die Reisfelder bei Sonnenaufgang bestaunen. Auf Grund der Größe der Täler kann man auch oftmals noch ungestört wandern, auch wenn die Besucherzahlen jährlich steigen.

  2. Ja, da irrst du dich in der Gegend. Die Rundhäuser der Hakka gibt es im Süden der Provinz Fujian. Vielleicht komme ich dieses Jahr noch hin. 😉

  3. Gibt es dort nicht auch eines von diesen höchst erstaunlichen, riesigen Rundhäusern, in denen mehrere hundert Menschen leben? Oder irre ich mich da jetzt in der Gegend? 😉
    Liebe Grüße!

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