Professor Kubin in Hamburg

Da steht er, Professor Wolfgang Kubin, gar nicht so groß wie ich ihn mir vorgestellt habe. Damals, als ich während meiner Zeit als Redakteurin der Deutsch-Chinesischen Allgemeinen Zeitung mit ihm einen so guten Kontakt hatte.

Die Essays, die er für die Zeitung schrieb, waren so spannend, locker und interessant geschrieben. Auf keines der Worte, keinen Satz konnte verzichtet werden, obwohl die Essays meistens zu lang waren für die Zeitung. Ich informierte mich über Prof. Kubin und fand heraus, dass er ein sehr anerkannter und vor allem in China ein sehr bewunderter Sinologe ist. Das ließ ihn in meiner Vorstellung wachsen.

Prof. Wolfgang Kubin
Wolfgang Kubin (Chinesisch: 顾彬; pinyin: Gù Bīn; * 17. Dezember 1945 in Celle) ist ein deutscher Lyriker, Essayist, Sinologe, Hochschullehrer und Literatur-Übersetzer. Er zählt zu den wichtigsten Sinologen in Deutschland. (Wikipedia)
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Und nun ist er hier, in Hamburg, und liest aus seinen Werken. (17.10.15) Ich muss ja ganz ehrlich gestehen, dass ich mir aus tangzeitlichen Gedichten nicht viel mache. Gerade für seine hervorragenden Übersetzungen ist Kubin berühmt.

Als er schließlich aus seinem Buch „In den chinesischen Bergen“ liest, finde ich das, was mich so begeistert: Seine feine Ironie, sein Humor und sein eindringlicher Blick in die chinesische Realität.

Da erzählt er von dem chinesischen Professor, der mit ihm und seinem Sohn in den Bergen des Wutaishans wandern möchte und schon nach kurzer Strecke aufgibt. Die Chinesen bewegen sich nicht gerade gerne in der freien „wilden“ Natur. Schmunzelnd stelle ich fest, dass das genau meinen eigenen Erfahrungen in China entspricht.

Kubin schreibt wunderschön. Jedes Wort hat seinen ganz bewusst gewählten Platz. Ganz so wie er es im anschließenden Gespräch mit Frau Dr. Bartz sagt: Literatur, die er schätzt, soll gut geschrieben sein, ja sogar schön. Er benutzt dieses Wort ganz bewusst.

Als Frau Dr. Bartz ihn darauf anspricht, dass er die heutige Literatur mal als „Müllliteratur“ bezeichnet hat, wehrt er ab. So hat er das nicht gesagt. Aber ihm ist es wichtig, dass moderne Romane, ob chinesisch oder andere, gut geschrieben sind.

Nicht auf die Länge käme es an. Man muss nach 800 Seiten immer noch wissen, was auf den ersten Seiten gestanden hat. Und das schaffen wenige Autoren. Die Tendenz gehe zu sehr umfangreichen Romanen, siehe Mo Yan, dessen „Der Überdruss“ auf Deutsch mehr als 800 Seiten hat. Konsequent beschränkt Kubin sich auf Essays, die meistens nicht länger als 100 Seiten sind, eher kürzer.

Wolfgang Kubin

In dem Gespräch erfahren wir auch ganz Privates. Prof. Kubin berichtet, dass er Frühaufsteher ist. Sein Tag fängt meistens gegen 5 Uhr an, dann schreibt er als erstes ca. 30 Minuten lang ein Gedicht, anschließend arbeitet er an seinem aktuellsten Essay. Dann wird es Zeit für ihn, zur Uni zu fahren. Mit dem Fahrrad. Was für ein Mann!

Danach gefragt, ob er in China etwas bemerkt von der Flüchtlingsdebatte in Deutschland, antwortet er, dass Nachrichten aus Deutschland kaum bei ihm ankommen. Er möchte sich nicht politisch äußern, das ist nicht sein Ding. Doch ja, er werde auch in China gefragt, was er von der Thematik halte, ob Deutschland nicht aus einem alten Schuldgefühl heraus handelt, ja handeln muss.

„Schuld“ wäre ein Wort, das auf die Nachkriegsgenerationen nicht mehr zutrifft, meint er. Das richtige Wort sei „Verantwortung“. Ja, dem stimme ich zu: Wir haben eine Verantwortung, als Deutsche uns um Flüchtlinge aus Kriegsgebieten zu kümmern.

Zum Schluss kann man seine Bücher an einem kleinen Tisch erstehen. Ich bin ganz stolz darauf, sein Autogramm in dem Buch „In den Chinesischen Bergen“ zu erhalten.

In der Einladung wird Kubin als der in China „einflussreichste Sinologe“ bezeichnet. Das ist wohl der Fall. Kubin ist in China weitaus bekannter als in Deutschland. Doch das muss ja nicht so bleiben. Im Dezember wird Kubin 70 Jahre alt. Ich wünsche ihm und mir, dass er noch viele Essays schrieben wird und seine klugen Essays weiter zu einem tiefen Verständnis zwischen China und Deutschland beitragen werden.

Achja, noch etwas ganz persönliches: Prof. Kubins Vortrag hat mich dazu angeregt, mich noch mehr mit der Form des Essays auseinander zu setzen. Ich nehme ihn mir zum Vorbild und werde mich bemühen, schöner zu schreiben. Danke, Prof. Kubin!

Prof. Wolfgang Kubin

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Ulrike

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