Mein Kulturblick: Verbotene Souvenirs

Ich oute mich!

In meinem Besitz befinden sich Souvenirs, die man eigentlich nicht haben darf:

Verbotene Souvenirs

Es fing damit an, dass meine Eltern gerne mit mir und meinen Schwestern nach Skandinavien in die Ferien gefahren sind. Meine Eltern, besonders meine Mutter, waren an allem interessiert, was alt oder noch älter ist. Jedes Hügelgrab, jeder Dolmen musste besichtigt werden.

Abshcläge aus Feuerstein, gefunden in Dänemark
Gefunden in Dänemark

Zahlreiche Spaziergänge hatten so einen Hügel zum Ziel. Schnell entwickelte ich einen Blick für die markanten Landmarken. Fleißig richtete ich meinen Blick auf das frisch gepflügte Feld, auf den dunklen Straßengraben. Und entdeckte sie! Die Feuersteinklingen, die Abschläge. Natürlich hob ich sie auf und steckte sie ein.

Mein Vater zeigte uns die Felsen und Strände von Gotland. Er erzählte uns alles über Nummuliten und Donnerkeile. Wir fanden sie zahlreich und steckten sie ein. Auch den rostigen Nagel von einem alten Wrack, das am Strand vor sich hin rottete.

Muscheln und Donnerkeil
Muscheln, Donnerkeil

1972 Klassenfahrt nach Rom: Verbotene Souvenirs

Verbotene Souvenirs: Mosaikstein aus Rom
Unten rechts: der Mosaikstein aus Ostia (Rom)

Meine Sammelleidenschaft war also geweckt, als ich im Dezember 1972 mit der Schulklasse nach Rom fuhr. Irgendwie hatte ich eine Vorliebe für kleine handliche Souvenirs. So kamen zu meiner Sammlung ein kleiner Anhänger mit geweihter Erde aus den Katakomben (gekauft) und ein Pinienzapfen (gefunden) hinzu.

In Ostia Antica lockte mich dann das „verbotene Souvenir„: Wir sahen die schönen Mosaiken, die gerade erst ausgegraben worden waren. Ich konnte nicht widerstehen: Als gerade keiner guckte, las ich vom Wegesrand zwei Mosaiksteinchen auf, ein weißes und ein schwarzes. Ohja, ich war mir bewusst, dass man das eigentlich nicht durfte! Aber ich war jung und gewissenlos. Es waren ja nur zwei! Zwei kleine Steinchen!

Ich habe zumindest das schwarze Mosaiksteinchen immer noch. Wenn ich es angucke, dann erinnere ich mich an die schönen Tage in Rom, und manchmal packt mich das schlechte Gewissen.

1982 Palmyra: Verbotene Souvenirs

Rund 10 Jahre später stand ich in den wunderbaren Ruinen von Palmyra. Überwältigt von so viel noch vorhandener Schönheit. Tja, und da war eine massive Erdwand, Restprofil einer Grabung, verlassen, schon in Staub zerfallend. Voller Scherben. So eine Scherbe musste ich haben! Auch hier der verstohlene Blick: Guckt einer? Zack, hatte ich meine Scherbe aus dem Grabungsprofil! Noch mehr verbotene Souvenirs kamen zuhause in eine Kiste.

Verbotene Souvenirs - eine Scherbe aus Palmyra
Eine Scherbe aus Palmyra

So ging es nicht weiter! Ich hatte gelernt und hielt mich mit solchen Souvenirs zurück. Es gibt ja genug kleine feine Andenken, die man kaufen, tauschen oder sich schenken lassen kann.

1996 Mexiko: Verbotene Souvenirs

Als ich 1996 ein paar Wochen durch Yucatan reiste, machte ich sogar einen regelrechten Aufstand. Ich hatte mich informiert und musste feststellen, dass in manchem Souvenirladen in Playa del Carmen geschützte Korallen angeboten wurden. Zornig wies ich einen der Händler zurecht. Naja, wer war ich, dass ich da ein solches Theater machte?! Doch der Händler schien beeindruckt.

Take only Pictures, Leave only Footprints

Nach diesem Motto reise ich heute. Als Hobby-Archäologin krieg ich sowieso meisten „nen Hals“, wenn ich von Raubgrabungen oder unbedarften Touristen höre, die mit ihrer Gier Altes zerstören.

Ja, da mag man meinen, ein solches kleines Steinchen ist doch nicht schlimm. Bei den Millionen von Touristen, die durch die antiken Stätten rauschen, summiert sich das. Wenn nur jeder Hundertste ein Steinchen mitnimmt, dann sind das bei Rom mit rund 15 Millionen Touristen im Jahr 150.000 Steinchen. Dann würde Rom bald nicht mehr stehen!

Bei Korallen. Muscheln und Co. kommt hinzu, dass bei entsprechender Nachfrage mancher Einheimischer auf die Jagd geht, um den andenkenhungrigen Touristen etwas anbieten zu können. Deshalb: Finger weg von der Muschelschale am Strand! Denn wer die mitnimmt, zeigt, dass der Bedarf da ist. Natürlich gilt das nicht, wenn man ganz sicher weiß, dass es sich um eine Muschel, die nicht unter Artenschutz steht, handelt.

Respekt

Respekt vor der Natur oder vor der Kultur des bereisten Landes ist mir sehr wichtig geworden. Deshalb gibt es das für mich nicht mehr, dass ich mir „verbotene Souvenirs“ zulege. Ich halte mich an die kleinen Andenken, ein Schmuckstück,  ein Figürchen, ein Trachtenpüppchen. Oder an die nützlichen Andenken: ein Halstuch, ein T-Shirt. Es gibt so viel! Da muss ich mir keine Pflanze heimlich ausgraben, keine bunte Scherbe einstecken, keine Koralle auflesen.

T-Shirt als Souvenir
Ich präsentiere stolz mein T-Shirt mit der Straßenbahn von Calcutta – Das T-Shirt habe ich immer noch.

Besonders aber freue ich mich, wenn bei einer Ausgrabung der Grabungsleiter mir das Mitnehmen einer schönen Scherbe erlaubt. Wie letztens auf der Cremon-Insel (mehr). Oder der prächtige Faustkeil, den ein Grabungstechniker mal eigens für mich hergestellt hat! Herrlich! Das sind Erinnerungen!

Mein Souvenir Setzkasten
Einer von zwei Setzkästen, die einen guten Überblick über meine Reisen zeigen

Ich habe meine Andenken, auch die verbotenen Souvenirs, in zwei Setzkästen im Wohnzimmer ausgestellt. Jedes einzelne erzählt eine eigene Geschichte.

Rostiger Nagel und ein Stück Blech
Rostiger Nagel von einem alten Wrack auf Gotland
Indianische Pfeilspitze
Indianische Pfeilspitze. Die bekam ich geschenkt, als das alte Gymnasium, auf das ich ging, mit meiner Hilfe seinen Keller aufräumte
Scherben von der ausgrabung auf der Cremon Insel
Scherben von der Ausgrabung auf der Cremon-Insel in Hamburg – mit Genehmigung des Grabungsleiters
Ohrstecker aus Sri Lanka
Diese Ohrstecker haben einen Ehrenplatz bei mir. Ich erhielt sie im Tausch gegen ein kleines Kölnisch Wasser Fläschchen nach einer langen Busfahrt auf Sri Lanka, die ich sehr angenehm mit einem jungen Mädchen verbrachte, das fleißig sein Englisch mit mir übte. Ich werde das Mädchen nie vergessen – dank dieser süßen Ohrstecker!

Über meine liebsten Reisesouvenirs gibt es weitere Geschichten: Klick!

Blogparade

Dies ist ursprünglich mein Beitrag zur Blogparade des Archäologischen Museums Hamburg „Verloren und wiedergefunden – wie sieht dein Kulturblick aus?“ 

Dabei werden einige hoch interessante Fragen gestellt:

▪ Wie erfährst, siehst und bewertest Du Kultur?
▪ Was hast Du vergessen, das dir beim Kulturgenuss plötzlich in den Sinn kommt? Hast Du Kindheitserinnerungen oder besondere Situationen, an die Du plötzlich denken musst, während Du dich auf Kultur einlässt.
▪ Gibt es dabei Aha-Erlebnisse, Geistesblitze oder besondere Erkenntnisse für dich?
▪ Gab es jemanden, der deine Neugierde für Kulturelles geweckt hat? Und wie informierst Du dich über Neuigkeiten?
▪ usw.

Diese Fragen möchte ich mit meinem Artikel wenigstens teilweise beantworten. Die Blogparade ist beendet. Es sind einige interessante Antworten gefunden worden. Schaut mal nach!

Links

Im Trend: Geklaute Souvenirs werden aus schlechtem Gewissen an den Herkunftsort zurück geschickt: Verfluchte Mosaiksteine!

Souvenirs
Erlaubt!
Ulrike

6 Gedanken zu „Mein Kulturblick: Verbotene Souvenirs“

  1. Lieber Urs,
    mittlerweile ist meine Wohnung voller Souvenirs. Ich liebe ja die kleinen Dinge. Aber ich habe von meiner Mutter auch ein paar größere Dinge geerbt wie z.B. eine große Batik als Bild aus Sri Lanka.
    Leider habe ich keine Kinder, an die ich meine Geschichten weitergeben kann. Das ist auch ein Grund, warum ich diesen Blog schreibe, zum Einem, damit ich nichts vergesse, zum Anderen, weil ich gerne erzähle.
    Kinder sind was tolles!
    Liebe Grüße
    Ulrike

  2. Hi Ulrike
    Jetzt hab ich alles gelesen. Sehr eindrücklich, wie du bereits als Kind ein Auge für die beschriebenen „Souveniers“ hattest. Ich konnte als Kind nie was Anfangen mit Andenken aus anderen Ländern, obwohl wir auch viel mit den Eltern quer durch Europa Reisten. Dies hat sich irgendwie auch bis heute durchgezogen. Viel lieber „sammle“ ich schöne Erfahrungen, Erlebnisse und Geschichten, die ich hoffentlich mal meinen Enkeln weitererzählen kann, und diese ihren Kindern usw. Aber wenn man so will, sind ja auch eine Art Souvenirs 😉
    LG, Urs

  3. Danke, Du Liebe! Dieses „überall dranrumzppeln“ geht mir in den chinesischen Museen immer ganz furchtbar auf den Geist! Das ist so ein Ding, was ich an den Chinesen nicht so mag: Sie haben keinen Respekt vor alten Sachen. Und auch Schilder oder Gitter können sie kaum aufhalten. Aber langsam lernen sie.
    Ja, die setzkästen habe ich schon ziemlich lange. Aber davon kann und will ich mich nicht trennen.
    Beste Grüße
    Ulrike

  4. In der Münchner Residenz ernten wir auch oft verständnislose Blicke, wenn wir die Besucher/innen darauf hinzweisen, bitte nichts anzufassen: „Das bisschen Zupfen an der purpurfarbenen Samttapete schadet doch nicht!“ Ja, wenn es nur das eine Mal wäre!… Durch „ein bisschen Zupfen“ oder „nur ganz kurz mal anfassen“ entstehen Jahr für Jahr enorme Schäden, deren Behebung richtig viel Geld kostet…
    Deinen Setzkasten finde ich wundervoll – ein gar herrlicher Ort mit kostbaren und schönen Erinnerungen. ♥

  5. Liebe Ulrike,

    vielen herzlichen Dank für deinen mahnenden #KultBlick! Ja, da sprichst du einigen aus dem Herzen, „verbotene“ Souvenirs da zu belassen, wo sie sich befinden. In einigen Ländern wird das ganz gefährlich, wenn man dabei erwischt wird, etwas außer Landes zu schmuggeln. Sie werden mit hohen Gefängnisstrafen geahndet, abgesehen davon und das ist ein gewichtiges Argument: Belasst Kultur so wie sie ist, geht sorgfältig damit um, wertschätzt sie.

    Merci!
    Herzlich,
    Tanja

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