Warum China? Warum ausgerechnet China?

Wie kommt es eigentlich, dass Du so oft und gerne nach China reist? Wie bist Du darauf gekommen, ausgerechnet in ein so fremdes, exotisches Land zu reisen? Das sind Fragen, die ich immer wieder höre und die ich hier mal ganz ausführlich beantworten möchte.

4 Stufen nach China

Stufe 1

Sommer 1980 – Athen – Lykabettos-Hügel

Ein leider verblasstes Fotos von damals
Ein leider verblasstes Fotos von damals

Ich bin am Ziel meiner damaligen Träume: Ich sitze auf einem Felsen auf dem Lykabettos-Hügel in Athen und schaue auf das spektakuläre Panorama der Akropolis.

Herrlich! Die Hitze flirrt, der Schweiß läuft, aber ich bin glücklich. Dann lässt sich ein junger Mann neben mir nieder. Er sieht wild aus mit seinen zerschlissenen Jeans und den langen Haaren. Wir kommen ins Gespräch, der übliche Traveller-Smalltalk: Woher kommst Du? Wohin gehst Du? Er ist Schwede und auf großer Rucksackreise. Sein Ziel: China! Ungläubig starre ich ihn an: China?! Das geht doch gar nicht als Individualreise, das geht nur in der Gruppe!

Das denke ich und bin überzeugt davon, dass ich es weiß. Schließlich bin ich Reiseverkehrskauffrau und arbeite in einem großen Reisebüro in Hannover. Er lacht: Er ist sich sicher, dass er in wenigen Monaten auf der Großen Mauer stehen würde. Das muss er mir beweisen! Er grinst, ja, er wird mir eine Postkarte aus China schicken. Lachend geht er weiter und ich vergesse die Begegnung schnell. So ein Spinner! Bis, ja, bis dann im November eine Postkarte in meinem Briefkasten liegt: Schöne Grüße von der Großen Mauer!

Stufe 2

1985 Sri Lanka

Stand von Negombo, Sri Lanka
Stand von Negombo, Sri Lanka

Asien stand nicht auf meiner Wunschreiseliste. Ich war noch immer die Frau, die Klassische Archäologie studiert hatte, und die ihre Reiseträume in Florenz, Rom, Athen und Spanien auslebte. Vielleicht mal irgendwann nach Südamerika: Inkas, Azteken, Maya – reichlich Ausgrabungen, Tempel und Museen. Aber ich hatte vielzuviel Angst, dort als Frau alleine zu reisen.

Hatte ich schon erwähnt, dass mein Freundeskreis eher häuslich war? Bei denen hieß es, lieber Mallorca als Malediven, lieber Ostsee statt Rotes Meer, lieber Tirol als Himalaja… Und ich? Alleine reisen: Ja! Aber nicht nach Südamerika.

1984 hatte ich die Gelegenheit, auf Einladung des Sri Lanka-Touristboard eine Woche kreuz und quer durch das wunderschöne Sri Lanka zu reisen. Mich beeindruckten die üppige Natur, die freundlichen Menschen und natürlich die Tempel. Und ich merkte, dass die Leute dort fast alle Englisch sprachen, es ein gutes Netz an Gasthäusern und Privatzimmern gab.

So war der Wunsch geboren, im nächsten Jahr (alleine) durch Sri Lanka zu reisen. Ich machte Pläne, buchte meinen Flug und stellte fest, dass etliche Kollegen auch nach Sri Lanka reisen wollten. Begegnungen mit ihnen unterwegs blieben nicht aus. Mir war das ein wenig viel, wollte ich doch nicht weit weg reisen, um dort wieder auf meinen Arbeitsalltag zu stoßen. Trotzdem: Ich genoss Sri Lanka, fühlte mich wohl in Asien und wollte wieder hin!

Stufe 3

1986: Wohin soll ich reisen?

Im nächsten Jahr erzählten einige meiner Kollegen, dass sie nach Thailand reisen wollten. Traumstrände, tropische Natur und exotische Tempel. Das hörte sich gut an! Aber ich wollte nicht wieder dahin, wo alle hin wollten. Wohin also stattdessen?

Hartnäckig meldete sich eine Stimme in meinem Kopf und flüsterte: China! Das geht! Ich erschrak vor meiner eigenen Courage: China, so mega-exotisch! So völlig fremd! So teuer?! Ich fing etwas zögerlich an, mich vorzubereiten. Schnell stand fest, dass ich mir eine Gruppenreise nicht würde leisten können. Also mit dem Rucksack nach/durch China! Wo bekam ich Infos her?

Meine Kollegen aus dem Reisebüro waren entsetzt und überzeugt, das geht gar nicht! Ich kümmerte mich nicht wirklich um meine China-Reise. Beim Gedanken daran gruselte es mich. Doch von der Idee, auf eigene Faust durch China zu reisen, ging eine merkwürdige Faszination aus. Ich wollte vielleicht noch nicht wirklich nach China – aber ich musste dorthin!

Das Ausgrabungsgelände am frühen Morgen
Das Ausgrabungsgelände am frühen Morgen

Dann die Erlösung! Ich bekam die Möglichkeit, in meinem Urlaub bei einer Ausgrabung im Wendland zu helfen. Diese Gelegenheit musste ich einfach ergreifen! Ausgraben! Ein Traum!

Mit großer Begeisterung wischte ich meine Idee von China beiseite und stürzte mich in ein ganz anderes Abenteuer: Drei Wochen Ausgrabung eines Rentierjägerlagers im Wendland! Drei Wochen zelten, im Dreck wühlen und Steinwerkzeuge und – splitter ausbuddeln! Auch wenn ich manchmal morgens um halb Acht auf dem Feld stand und mich fragte: „Was mach ich hier eigentlich?“, war ich sehr glücklich! China war erstmal vergessen.

Stufe 4

China 1987

Nachdem ich nun seit mehr als einem Jahr behauptet hatte, dass ich nach China reisen würde, war es 1987 soweit, dass ich Nägel mit Köpfen machen musste, wollte ich nicht mein Gesicht völlig verlieren. Die Stimme in meinem Kopf drängte: „Du willst nach China! Du weißt, dass es geht! Wenn nicht jetzt, wann dann?!“

Ich fing mit ernsthaften Planungen an: Es gab keine große Auswahl an Reiseführern für Individualreisen nach China. Doch ich fand den von Doris Knop, selbst begeisterte China-Reisende. Irgendwann brachte ich sogar den Mut auf, sie anzurufen. Mehr als eine Stunde lang erzählte sie mir, wie toll China sei und dass ich da unbedingt hin müsse. Ich schaffte mir einen guten Rucksack an, bat um 5 Wochen Urlaub im Oktober/November und stieg tief in meine Vorbereitungen ein.

So fängt mein Reisetagebuch von 1987 an:

Start ins Abenteuer

Start ins Abenteuer? Ja, genauso fühlte ich mich! Ein Jahr lang hatte ich mich auf meine Reise nach China vorbereitet, alles gelesen, was mit China auch nur entfernt zu tun hatte. Dann, so ungefähr einen Monat vor meiner Abreise war mir bewusst geworden, dass es nun wirklich hieß: Auf nach China! Ein „Warum China“ gab es nicht für mich. Da hatte ich mein Ticket nach Hongkong in der Tasche. Und mein Visum war schon fein säuberlich in meinen Pass gestempelt.

Mich packte die reine Panik. China – so fremd, so exotisch! Eine Sprache, die ich nicht konnte; eine Kultur, die ich nicht verstand; fremdes Essen und fremde Sitten. Darauf wollte ich mich wirklich einlassen?! Mir fielen die Bemerkungen und Fragen guter Freunde ein, die ich vorher doch immer so leicht abgetan hatte: „Wie kommst Du ohne die Sprache zu können zurecht?“ – „Was machst Du, wenn Du keine Unterkunft findest? – Wie findest Du überhaupt eine Unterkunft?“ – „So ganz alleine – ist das nicht gefährlich?!“

Vier Wochen vor meiner Abreise steigerte sich meine Aufregung zu neuen Höhepunkten: Nachts fand ich manchmal nur für wenige Stunden Schlaf, der dann noch mit Alpträumen über Nächte im Straßengraben und Mahlzeiten von Skorpionen und Schlangen angefüllt war. Panikattacken! Mich packten regelrechte Anfälle von Durchfall.

Tagsüber schleppte ich mich ins Büro, in dem es zu der Zeit nur Chaos gab. Eine Krisensitzung folgte der nächsten. Das sorgte auf alle Fälle für Ablenkung. Ich schob jeden Gedanken an China weit von mir. Die Bücher über China lagen unbeachtet in der Ecke. Warum China? Ja, das fragte ich mich nun auch ziemlich oft. Insgeheim hoffte ich, dass doch noch ein Wunder geschah und ich nicht nach China „musste“.

China damals
Was wusste ich damals (1987) von China? Weit verbreitet war damals die Ansicht, dass man nur mit einer von einem Reiseveranstalter organisierten Gruppen-Reise nach China konnte. Reiseführer und Reiseberichte gab es kaum, jedenfalls nicht für individuelle Rucksackreisende.
Ich hatte nicht mehr als diese Postkarte aus China und dann das Gespräch mit Doris Knop. Dazu noch ein paar Bilder von marschierenden Rotarmisten, dem Großen Führer Mao Ze Dong und ein wenig Geschichte. Und die sensationellen Berichte über die Terrakotta-Armee, die schon 1987 zum UNESCO Weltkulturerbe wurde.
Wenn ich daran denke, dann freue ich mich heute über die unendlichen Informationen, die man im Internet über das Reich der Mitte erhalten kann! Trotzdem ist für die meisten Reisenden das Land immer noch geheimnisvoll, exotisch und ein großes Abenteuer, selbst als organisierte Rundreise-

Doch auch zwei eingewachsene Zehnägel, die 10 Tage vor Abreise schmerzhaft operiert werden mussten, schienen kein ausreichender Grund zu sein, meine Reise nach China nicht anzutreten. Dem Arzt allerdings sagte ich vorsichtshalber nichts von meinen Reiseplänen. Der hätte mich sonst nicht reisen lassen! Am Morgen des 17. Oktober, meinem ersten Reisetag, passten meine dick verbundenen Zehen wenigstens halbwegs in meine Turnschuhe…

China 1987: Ich im Zug unterwegss
China 1987: Ich im Zug unterwegss

Nach der Reise 1987

Mehr als vier Wochen China, viele Abenteuer, viele Begegnungen, neue Freunde. Ich hatte alles gut überstanden, mich manchmal geärgert über das unbegreifliche China, mich gefreut über die Bewältigung unerwarteter Schwierigkeiten.

Es war eine unfassbar tolle Reise geworden. Dabei hatte ich nur einen Bruchteil dieses riesigen Landes gesehen. Ich hatte vor allem Peking noch nicht besucht. Deshalb war klar, dass ich 1988 nach Peking reisen würde. Danach gab es dieses Warum China nicht mehr. Das war dann die Reise, die mich endgültig an China band. In Peking hatte ich das starke Gefühl, dass ich dort in einem früheren Leben schon mal gelebt hatte. Ich fühlte mich sofort Zuhause und absolut wohl.

Seitdem reise ich regelmäßig nach China. Ich bin froh, dass ich all meine Ängste vor diesem Land, vor einer Reise dorthin überwunden habe.

Warum China? Weil ich dorthin musste! Weil es schließlich zu meinem Schicksal wurde!

Links

Glücklich in Peking:

China Reiseberichte
Ost und West: Begegnung in der Verbotenen Stadt
Ulrike

12 Gedanken zu „Warum China? Warum ausgerechnet China?“

  1. Ja, China ist ein faszinierendes Land! Vielleicht gibt es bei dir in der Nähe ein Konfuzius-Institut, so dass Du dich hier über China mit China-Kennern austauschen kannst.
    Ich weiß nicht, wie schwer Dine gesundheitlichen Einschränkungen sind. Aber China hat sich sehr gebessert, was KOmfort und Hygiene betrifft. Vielleicht kannst Du es ja noch mal versuchen. Ich helfe Dir gerne dabei.
    LG
    Ulrike

  2. China mein Sehnsuchtsland, schon als Kind hab ich die Sanellabilder „Asien“ gesammelt und mich dahin geträumt. 1997 konnte ich erstmal meinen Traum leben und hab Peking, Xian, Kunming, Chendu, Luoyang, Guilin und noch so einiges mehr besucht. Ein wahrer Traum. 2000 hab ich dann „nachgelegt“ und China nochmal besucht. Seitdem darf ich nur noch davon träumen, die Gesundheit will nicht mehr.Aber ein Traum wird es immer bleiben!!!

  3. Liebe Ulrike,

    ich habe gelesen, dass du einen Mongolen kennst, der auch Touren anbietet? Wir planen für September in die Mongolei zu reisen und da es Part unserer Weltreise ist, buchen wir noch nichts vor. Wir wollen ja spontan bleiben können.

    Aber ein Kontakt wäre Gold wert. 🙂

    Liebe Grüße Janine

  4. Das wäre super. Englisch ginge bei mir aber auch 😉 Morgen oder übermorgen hole ich dann mal den Reiseführer bei der Post ab, dann weiss ich auch genauer, was ich will. Muss halt auch vom Preis her noch schauen (Flug über Peking, da werden die Flüge schon teuer…)

  5. Brauchst du noch Kontakte? Ich kenn da einen Mongolen, der organisiert sehr gute Touren, spricht auch Deutsch.

  6. Weiss noch nicht. Habe den Urlaub mal so beantragt, dass eine organisierte Tour reinpasst. Aber ich denke schon. Und zum Schluss dann noch ein paar Tage auf eigene Faust.

  7. Achja, Mongolei ist toll! Ganz großartig zum Wandern und vor allem zum Reiten! Machst du das organisiert?

  8. Unken-Rufe höre ich auch dauernd. Vor allem jetzt, mit dem Inka-Trail. „Camping, spinnst du?“. „Da ist ja Winter, dann ist es ja kalt“ (ja, aber trocken, im Gegensatz zum Sommer). „Wandern??? Ich würde ja NIE freiwillig wandern gehen?“. Und jetzt, wo ich für nächstes Jahr die Mongolei plane: „Was gibt es da?“ Weiss ich auch noch nicht. Werde ich dann in einem Jahr allerdings wissen 😉 Aber mir geht es da wie dir: Irgendwas sagt mir, dass ich da hin muss.

  9. Danke! Die Unkenrufe von anderen, die meistens, wie Du sagst, von Leuten kamen, die so etwas noch nie gemacht hatten, haben mich noch nie vonirgendetwas abgehalten 😉

  10. Ich finde es gut, dass dich all die negativen Stimmen nicht von deinen Plänen abgebracht haben! Die waren ja (wahrscheinlich) auch noch nie in China und wussten es auch nicht besser, warum also auf sie hören …

Ich freue mich auf Deinen Kommentar!