Felsen als Ausdruck des Wilden

Zuletzt aktualisiert vor 1 Jahr

Chinesische Gartenkunst: Felsen und Hügel

Wenn man China bereist, wird man mindestens einen klassischen chinesischen Garten besuchen, ob als Teil der Verbotenen Stadt in Peking oder als eigenständiger Garten wie dem berühmten Yu-Garten in Shanghai. Neben den hübschen Pavillons, gewundenen Wegen, Mondtoren und Teichen fallen die immer vorhandenen Felsnadeln und Steine kaum ins Auge. Doch sie sind ein wichtiges Element des klassischen Gartens.

Zhanyuan Garten Nanjing Felsen i chinesischen Garten.
Zhanyuan Garten in Nanjing

Der chinesische Garten

Chinesische Gartenkunst
Bevor man einen chinesischen Garten betritt, sollte man um die Besonderheiten wissen: Chinesische Gärten sind ein ausgeklügeltes Gesamtkunstwerk. Niemals geht es um die Abbildung der Natur.

Chinesische Gärten sind vielmehr als Abbild eines idealen Universums konzipiert, dessen wesentliche Bestandteile künstlich angelegte Seen und Hügel, ungewöhnlich geformte Vegetation und Steine waren.

chinesische Gartenkunst
Tongli

Der chinesische Garten lädt zur philosophischen Betrachtung der Welt ein und die Pavillons bieten Platz für Meditation und tiefschürfende Gespräche. Jede Pflanze, jede Blume hat einen Sinn und eine tiefere Bedeutung. Zum Beispiel haben Bananenstauden ihren Platz im Garten, weil ein Dichter den Klang der fallenden Regentropfen auf den Bananenblättern besungen hat.

Päonien sind wegen ihrer starken Farben beliebt. Die großen Bluten setzen bunte Akzente und gelten als Symbol für den Frühling und für Wohlstand. Um diese Königin der Blumen ranken sich zahlreiche Legenden. Auch heute sind diese Geschichten noch bekannt und die Betrachtenden tauschen sich gerne darüber aus.

Was hat es mit den Felsen in der chinesischen Gartenkunst auf sich?

In China heißt es

Der Stein zieht viele Blicke auf sich, aber seine innere Festigkeit ändert sich dadurch nicht.

Der chinesische Besucher eines Gartens verbindet mit dem Anblick von Steinen das Zerklüftete, das Phantastische, das Wilde. Anlass zu philopsophischer Betrachtung und Meditation.

Die Verehrung von Bergen und bizarren Felsformationen gehört schon seit alten Zeiten zur urchinesischen Religion dem Daoismus. Gebirge sind der Wohnsitz der Götter. Mit den Felsen und Hügeln wollten die Chinesen ein Abbild des Göttlichen in ihren Garten holen.

Der Daoismus sieht die Erde wie einen lebendigen Organismus, aus den gleichen Elementen geformt wie die Menschen: Die Berge das Skelett, die Flüsse die Venen und Arterien. Man sagte, dass Granitadern, die die Felsen durchziehen, magische Kraftfelder seien.

Tongli chinesische Gartenkunst
Garten in Tongli

Die Gartenarchitekten

Chinesische Gartenkunst war/ist immer das Werk von Künstlern. Manch ein Gartenarchitekt verbrachte Wochen, um über die Form und den richtigen Platz für einen Felsen nachzudenken. In der Yuan-Dynastie (1271-1368) sagte der Maler Rao Ziran: „Vermeide Berge ohne Qi, male keine Steine oder Felsen ohne Gesicht und Charakter.“ „Qi“ steht im Chinesischen für den Lebensatem, die Beseeltheit (wie Atman im Sanskrit).

Chinesische Gartenkunst: Yin und Yang

Wichtig beim Gestalten eines chinesischen Gartens ist das harmonievolle Zusammen- und Gegenspiel von Yin und Yang. Das wird auch bei den Felsen deutlich. Neben dem unregelmäßig geformten Felsen befinden sich die glatten Oberflächen von tönernen Platten oder auch die glänzende Oberfläche eines Teichs. Weiches Moos bedeckt die rauen Felsen.

Chinesische Gartenkunst
Zhanyuan Garten in Nanjibg

Bei dem bekannten daoistischen Symbol stehen sich das weiße Yang (hell, hoch, hart, heiß, männlich, positiv, aktiv, bewegt) und das schwarze Yin (dunkel, weich, feucht, kalt, weiblich, negativ, passiv, ruhig) gegenüber.

Der Landschaftsgarten

Die Entwicklung der Landschaftsmalerei um 1200 beeinflusste auch die Gartengestaltung. Die idealtypische Landschaft der Malerei wurde als „Szenerie mit Sinngehalt“ (yijing) in den Gartenanlagen nachgebaut (der so genannte Landschaftsgarten der freien Malweise der Tang- und Song-Zeit). Vor allem Dichter liebten die Landschaft so sehr, dass sie sich einfache Landhäuser mit Gärten bauten.

Die Vögel alle flogen hoch und höher,
Und auch die letzte Wolke segelt fort ins Blau –
Nur einer bleibt beständig mir und näher:
Der Berg mit seiner Felsen ernstem Grau.

Li Tai Pe/ Li Bai (701−762)

Die beliebtesten Felslandschaften in China

Nach all diesen Ausführungen könnt Ihr nun sicherlich nachvollziehen, warum sich chinesische Touristen an den Felslandschaften des Huangshan (Gelbes Gebirge) und von Zhangjiajie sehr begeistern.

Besonders beeindruckend ist der Steinwald von Kunming. Dort ragen die grauen wilden Felsnadeln aus dem roten glatten Lehmboden. Yin und Yang pur! Dazwischen Teiche und kleine Höhlen. Der wahr gewordene Traum chinesischer Gartenkünstler!

Ob die chinesische Gartenkunst direkt darauf Bezug nimmt, halte ich für sehr wahrscheinlich. Chinesische Gartenkunst wird künstlerisch mit den berühmten Tuschemalereien und der Poesie auf eine Stufe gestellt.

Steinwald
Steinwald

Die FAZ schrieb

Materieller Besitz allein galt als vulgär, er war für kulturelle Zwecke zu verwenden, für Poesie, für Malerei, für Gartendesign. Undenkbar war es für einen gebildeten und begüterten Chinesen, seinen Garten nur auf äußere Wirkung hin zu gestalten. Wenn sich die Tore des Hauses schlossen, blieb die geschäftige und lärmende Welt draußen. Drinnen musste die Gestaltung des Raumes mit der imaginären Kraft der Poesie und der philosophischen Erkenntnis der Welt verschmelzen.

Die Gärten Chinas spiegeln die Ansicht, dass die Menschen sich nicht zuletzt durch Bildung voneinander unterscheiden. Sie stehen für die Einsicht, dass nur der Mensch, der mit sich und dem Kosmos im Reinen ist, gelassen auf die Herausforderungen des Alltags reagieren kann.

Chinesische Gartenkunst in China

Berühmt ist Suzhou für seine klassischen chinesischen Gärten. Wer sich ausführlich in wunderschöne Gärten versenken möchte, sollte dorthin reisen! Während der organisierten China-Rundreisen wird man meistens den Sommerpalast in Peking und der Yu-Garten in Shanghai besuchen.

Chinesische Gartenkunst in Deutschland

In vielen Städten Deutschlands gibt es chinesische Gärten. Ich habe den im Duisburger Zoo besucht. Er ist besonders im Herbst sehr romantisch.

Noch mehr Gärten

(Liste lt. Wikipedia)

Über den schönen Garten von Duft und Pracht in München gibt es einen guten Artikel mit hervorragenden Fotos auf Freidenkerins Weblog.

Ich liebe diese Gärten! Geben sie mir doch die Gelegenheit, selbst hier in Deutschland einen kleinen Abstecher nach China zu machen. Ich mag die ruhige meditative Atmosphäre und das Spiel der Gegensätze der chinesischen Gärten.

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Ulrike
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2 Gedanken zu „Felsen als Ausdruck des Wilden“

  1. Die chinesische und auch japanische Gartenkunst gefallen mir sehr… Da fällt mir ein, dass ich schon lange nicht mehr im Garten von Duft und Pracht im Münchner Westpark gewesen bin.
    Liebe Grüße!

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