Bunt und vielfältig – Begegnungen in China

Zuletzt aktualisiert vor 1 Jahr

Die Bevölkerung Chinas ist vielfältig und bunt. Viele Völker leben in China und prägen mit ihrer speziellen Architektur, ihren Sitten und ihren Trachten ganze Landschaften. Von meinen Begegnungen mit den Menschen Chinas möchte ich hier erzählen. Kurze Erlebnisse, Anekdoten, Begegnungen, die meine Begeisterung für China stärkten.

Bevölkerung Chinas
Steinwald: Für eine Filmaufnahme versammeln sich Menschen in den bunten Trachten der Minderheiten

Chinas Bevölkerung

Bevölkerung Chinas - Zahlen und Fakten
Einwohner China: rund 1,4 Milliarden

90 % gehören den Han-Chinesen an. Der Rest verteilt sich auf 55 anerkannte nationale Minderheiten. Zu den größeren Völkern gehören u.a. die Hui (ca. 10 Mill.), die Uiguren (ca. 10 Mill.) und die Zhuang. (ca. 17 Mill.) Die ganz kleinen, aber anerkannten Minderheiten sind wenig bekannt, z.B. die Derung ( ca. 7.000) oder die Gaoshan (ca. 4.000).

Darüber hinaus gibt es weitere 45 Bevölkerungsgruppen, die nicht als offizielle Minderheit anerkannt sind. z.B. die chinesischen Juden, von denen es noch rund 1.000 geben soll.

Zahlen lt. Wikipedia

Erste Begegnungen

Meine ersten Begegnungen mit den Menschen in China waren geprägt von Unsicherheiten und Missverständnissen.

Beispiel Chengdu 1987

Chengdu Markt

Anita und ich waren in Chengdu unterwegs und suchten einen Markt, von dem uns jemand erzählt hatte. Wir konnten praktisch kein Chinesisch. Wen konnten wir also nach dem Weg fragen? Wir schauten uns um. Da, der gut gekleidete ältere Mann mit der Brille, der konnte bestimmt Englisch! Ganz schön naiv, von der Brille auf Bildung zu schließen! Aber tatsächlich, der freundliche Mann verstand uns! Er bot uns an, mit uns bis zu dem Markt zu gehen. Wie nett!

Fröhlich miteinander plaudernd gingen wir durch die ruhigen alten Nebenstraßen. Bis uns zwei junge Mädchen entgegen kamen. Mit ihren Eiswaffeln rempelten sie aus Versehen unseren Begleiter an. Das hinterließ unschöne Sahnespuren auf seinem Mantel. Oh, war der sauer! Für ihn war der Ausflug beendet. Wütend vor sich hingrummelnd ließ er uns stehen. Verblüfft schauten wir ihm hinterher.

Doch der Markt war nicht mehr weit und wir stürzten uns abenteuerlustig ins Getümmel. Wir wollten zwei Eier für’s Frühstück kaufen. Nach einigem hin und her hatten wir es geschafft! Verständigung mit Händen und einem Lächeln – klappt!

Die Naxi in Lijiang 1991

Die chinesische Provinz Yunnan liegt im Spannungsfeld zwischen Tibet und Südostasien. Die Geschichte ist geprägt vom internationalen Handel und zahlreichen kleinen Königreichen. Es gibt ganz viele höchst unterschiedliche Völker mit teilweise sehr eigenen Traditionen. 1991 war ich in Lijiang und begegnete einem interessanten Angehörigen der Minderheit der Naxi.

Die Backpackerszene in Lijiang war 1992 noch sehr überschaubar. Andere Touristen gab es kaum. Doch es gab schon damals Leute, die in dem Tourismus eine Chance für den Erhalt alter lokaler Traditionen erkannten. Da war also dieser nette ältere Herr, der uns in einem der Backpacker-Lokale von seiner Musik erzählte. Wenn genügend Leute zusammen kämen, könnten wir bei ihm Zuhause ein Konzert mit alten Instrumenten und typischer Musik der Naxi erleben.

Meine Begeisterung war sofort geweckt! Am Freitag Abend holte er uns ab und führte uns zu seinem Haus. Er und seine Freunde gaben ein wundervolles Konzert. Ich fühlte mich in alte Zeiten zurück versetzt. Unser Naxi-Freund erzählte von seinem Leben. Während der Kulturrevolution durfte die alte Musik nicht gespielt werden. Man versteckte die kostbaren alten Instrumente. Voller Stolz stellte er uns seine zwei Töchter vor. Zwei Kinder? War da nicht die Ein-Kind-Politik? Ja, meinte er. Aber für die anerkannten Minderheiten gab es Ausnahmen.

Frauen der Minderheit der Naxi
Naxi-Frauen

Heute ist Lijiang UNESCO- Weltkulturerbe und Ziel vieler Touristen. Die Konzerte mit Naxi-Musik gehören zu den Höhepunkten eines Besuchs. Yunnan scheint sowieso die Provinz zu sein, in der Chinas Bevölkerung am buntesten ist. Yunnan

Bevölkerung Chinas - Privilegien der Minderheiten
Die nationalen Minderheiten wurden schon früh von der chinesischen Regierung gefördert. Sie haben Privilegien, die der Mehrheit der Bevölkerung Chinas nicht offen stehen. Zum Beispiel wird der Schulbesuch gefördert und der Zutritt zu den Universitäten erleichtert. Auch durften sie zu vielen Zeiten mehr als ein Kind haben. Das findet nicht jeder Han-Chinese gerecht und führt zu Konflikten.

Kashgar 1992 – Konflikte

Auszug aus meinem Reisetagebuch:

Vor dem Hotel (in Kashgar) gibt es ein paar sehr nette Restaurants, wo man hervorragend essen kann. Ich freue mich über das leckere chinesische Essen, das sehr viel bekömmlicher ist als die ewigen Kartoffeln und Blumenkohl in Pakistan. Leider verleidet mir ein Video-Laden den Aufenthalt in den Restaurants. Viel zu laut sind die Lautsprecher aufgedreht. Der grinsende uigurische Wirt zeigt laufend Kriegsfilme, deren Gewehrsalven durch die ganze Straße dröhnen.

Die chinesische Wirtin von einem der Restaurants klagt, dass sie nichts gegen den Ladeninhaber machen kann. Uiguren und Chinesen mögen sich nicht sonderlich. Der Uigure dreht die Lautstärke mit Absicht auf, um die benachbarten Chinesen zu ärgern. Da die chinesische Regierung sich bemüht, die Uiguren zufrieden und ruhig zu stellen, werden sich die Behörden immer auf die Seite des Uiguren stellen. Schade! Es gibt ja noch mehr Restaurants. Mir tut die nette Wirtin leid, die sicher noch mehr Umsatz machen könnte, wenn der Krach nicht wäre.

Der Mann, der kein Zhuang sein konnte

Als ich 2007 mit einer Gruppenreise in Xinjiang unterwegs war, hatten wir einen interessanten lebhaften Reiseleiter. Li war nicht aus der Gegend, kannte sich aber gut aus und konnte uns vieles zu den Menschen, Geschichte und Landschaft erzählen. Er stammte aus der Provinz Guangxi im Süden Chinas. In dieser subtropischen Provinz besteht die Bevölkerung aus vielen bunten Völkern. Li erzählte, dass er eigentlich in einer Familie der Zhuang geboren wurde. Aber bei der Registrierung seiner Geburt wurde er als Han-Chinese eingetragen. Ob aus Versehen oder mit Absicht war nicht klar.

Auch wenn die Zuordnung zu einer nationalen Minderheit einige Vorteile hat, so hat es auch sein Gutes, ein Han-Chinese zu sein. Er schien jedenfalls ganz zufrieden damit, zur Mehrheit von Chinas Bevölkerung zu gehören.

Reiseleiter Li
Li erklärt die Steine, sein Hobby

Eine Mandschurische Lehrerin

Als ich 1993 in Peking Chinesisch lernte, gab dies natürlich großartige Möglichkeiten, mit Chinesen in Kontakt zu kommen. Eine faszinierende Persönlichkeit war unsere Lehrerin Ping. Sie gehörte der nationalen Minderheit der Mandschu an.

Die Mandschu, eigentlich ein Nomadenvolk aus dem Norden, stellte die Kaiser der Qing-Dynastie (1644 – 1912). Eine Besonderheit der Mandschu war, dass die Frauen ihre Füße nicht gebunden haben. Und die Männer der Han sollten Zöpfe tragen.

Ping war eine fröhliche junge Frau, die uns Schüler gerne auch selbst den Unterricht gestalten ließ. Denn eigentlich sollte der im Frontal-Unterricht stattfinden. Doch wir Studenten, die wir aus allen möglichen Ländern stammten, setzten uns immer wieder durch, wenn es um Diskussionen und das gemeinsame Entwickeln von Kenntnissen ging. Eine großartige Frau, die übrigens mit einem Han-Chinesen verheiratet war.

Ein Baum! Ein Baum!

1993 hatte ich mich ins südliche China gewagt. Dorthin wo Chinas Bevölkerung überwiegend aus bunten Minderheiten besteht. Ich hatte in einem deutschen Frauenmagazin mal eine Reportage mit tollen Fotos über das Tal der Dong gesehen. Dieser hatte mich gepackt. Endlich war ich dort, im Land meiner Träume!

Ich machte einen langen Spaziergang durch dies Tal der Dong, erkundete die hölzernen Dörfer der Dong und spazierte entlang an frisch bepflanzten Reisfeldern. Es gab wenig Verkehr auf der schmalen Straße. Nur manchmal stoppte ein Auto mit chinesischen Touristen, die mich fragten, ob sie mich mitnehmen könnten. Völlige Verblüffung, wenn ich dankend ablehnte. Im letzten Dorf an der Straße kehrte ich um. Mich machten die dunkler werdenden Wolken nervös. Doch nun kam kein Auto mehr…

Nach einiger Zeit gesellte sich ein alter Mann zu mir. Er trug einfache Arbeitskleidung und eine Sense über der Schulter. Ach, ich bildete mir doch ein, dass ich Chinesisch sprechen konnte! Das dachte der Mann vom Volk der Dong sicherlich auch von sich und plauderte locker mit mir. Ich verstand kaum etwas und hatte auch Schwierigkeiten, mich verständlich zu machen. Meistens ging es um einfache Inhalte, wie meinem Woher und Wohin.

Dann zeigte er immer wieder ein wenig nach oben und nuschelte mit seinem fast zahnlosen Mund „Shu!“ Ich runzelte die Stirn. Die Regenwolken sahen immer bedrohlicher aus. Aber wo kommt das Wort „Shu“ im Zusammenhang mit dem Wetter vor? Oder meinte er was anderes? Als wir weiter gingen, wurde klar, dass er den hohen einsamen Baum vor uns meinte. „Shu“ heißt „Baum“ auf Chinesisch. Jetzt wurde alles klar: Der nette Bauer erzählte, dass dies der höchste, älteste und schönste Baum im Tal sei. Als er merkte, dass ich ihn endlich verstand, war er glücklich. Ich auch!

Im Wald des Emeishans

2015 besuchte ich den Emeishan, einen buddhistischen Heiligen Berg bei Chengdu. Auch dort ergaben sich schöne Gelegenheiten, mit Einheimischen zu sprechen. Hier ein Beispiel aus meinem Reisetagebuch:

Nach dem Besuch des Fuhu-Tempels gehe ich langsam zur Straße hinunter. Eine ältere Frau spricht mich an. Woher ich komme, wohin ich gehe. Sie ist zusammen mit ihrem Mann aus Urumqi im fernen Westen Chinas zum Emeishan gereist, um hier Urlaub zu machen. Sie findet den Tempel sehr schön, ist aber auch ganz begeistert, eine Westlerin zu treffen, mit der sie Chinesisch sprechen kann. Ich freue mich auch. Ein Stück des Weges gehen wir gemeinsam.

Da ich immer wieder stehen bleibe, um die Natur zu genießen, eilen mir meine Begleiter schnell davon. Doch nach 20 Minuten kommen sie mir wieder entgegen. Vorne würde der Weg ganz schrecklich werden. Ich solle auch umkehren. Ich bedanke mich für die Warnung, gehe trotzdem weiter und finde nichts Gefährliches an dem Weg. Manche Chinesen haben einfach Angst vor wilder Natur. Deshalb ist Wandern um des Wandern willens nicht sehr populär in China.

Unterwegs in Chengdu

Begegnungen mit der Bevölkerung Chinas ergeben sich von ganz alleine. Ich freue mich sehr, dass ich mich auf Chinesisch verständigen kann. Hier noch ein Beispiel:

Ich musste es unbedingt sehen: Das Museum von Sanxingdui in der Nähe von Chengdu. Das war eine aufwändige Safari mit zweimal umsteigen und wenig genauer Kenntnis des Wegs meinerseits. An der letzten Umsteigestation hatte ich meinen Bus schnell gefunden. Doch die Abfahrt dauerte, da noch nicht so viele Fahrgäste eingestiegen waren, wie für eine profitable Fahrt nötig waren. Also nutzte der Schaffner die Gelegenheit zu einem Gespräch mit mir. Ich konnte ihn kaum verstehen, sprach der Mann doch Sichuan-Dialekt. Aber wir konnten uns verständigen.

Er fand es toll, dass ich nach Sanxingdui wollte, erzählte voller Stolz davon, wie schön es dort sei und erklärte mir die Zeiten für die Rückfahrt des Busses. Wir lachten viel, vor allem, wenn wir uns nicht verstanden. Jeder neue Fahrgast erfuhr sofort, welch einen besonderen Reisenden man an Bord hatte (mich!) und dass ich nach Sanxingdui wollte. Es war herrlich!

So, nun mache ich erstmal Schluss! Je länger ich schreibe, desto mehr Geschichten fallen mir ein zu Begegnungen und Gesprächen mit den vielen unterschiedlichen Einwohnern Chinas.

Links

  • Zu den jungen Chinesen möchte ich noch auf diese Geschichte aufmerksam machen: Smombie
  • Wie man, auch ohne Chinesisch sprechen zu können, mit Chinesen in Kontakt kommt, lest Ihr hier.
  • Abenteuer in Südchina
Begegnungen mit Chinas Bevölkerung fallen mir leicht

Umfangreiche Tipps und Informationen für Eure China-Reise findet Ihr hier.

Ulrike

6 Gedanken zu „Bunt und vielfältig – Begegnungen in China“

  1. Liebe Rosemarie! Ich hab mal jemanden gekannt, der meinte, dass er nirgendwohin reist, wo er die Sprache nicht kann. Nun hat er aber nicht angefangen, Sprachen zu lernen. Er ist einfach nirgendwohin verreist. Das habe ich nie verstanden. Mit Händen und Lächeln kommt man überall durch!
    LG
    Ulrike

  2. Man merkt aus Deinen Berichten, wie sehr Du China mit seiner ganzen Vielfalt liebst. Es muss wunderbar sein, wenn man sich in Chinesisch unterhalten kann und dadurch einen tieferen Einblick in Land und Leute bekommt. Aber auch ohne Sprachkenntnisse finde ich China sehr spannend,selbst wenn wir manchmal irgendwo landeten, wo wir gar nicht hinwollten. Irgendwie erreichten wir doch noch unser Ziel dank vieler hilfbereiter Menschen. Lächeln hilft fast immer.
    Beste Grüße
    Rosemarie

  3. Danke für deinen Kommentar! Als ich einmal mit diesem Artikel angefangen htte, fielen mir immer mehr Geschichten ein. Das Reisen besteht ja zu einem großen Teil aus spannenden Begegnungen mit den Einheimischen.
    Ich freue mich auch sehr, dass China auch Dein Lieblingsland ist.
    Beste Grüße
    Ulrike

  4. Wie schön! Du kannst ja auch aus Erinnerungen schöpfen, und das kombiniert mit den neuesten Entwicklungen mit dem Volk, das den Kopf nach unten senkt, wäre eigentlich genug für ein ganzes Buch. 🙂

    Ich finde es in diesem von Han-Chinesen dominierten Land auch immer spannend, Menschen der anderen Völker (der sog. „nationalen Minderheiten“) kennen zu lernen. Yunnan ist da ja ein Paradies, so bunt gekleidete Menschen habe ich noch selten getroffen. Und irgendwie fand ich auch Gespräche interessant, bei denen man unbedingt den Status haben wollte, damit man ein zweites Kind bekommen darf. Das sah mein Gesprächspartner damals also anders als Dein Li aus Guangxi. Hat alles seine Vor- und Nachteile…

    Die Fahrt nach Sanxingdui kann ich mir lebhaft vorstellen, auch wenn ich dort noch nicht war. Als Ausländer fiel man früher extrem auf, und oft wurde auch mit mir geworben, nach dem Motto, fahr mit mir im Kleinbus, hier ist auch ein fremder Teufel drin, den kannst Du während der Fahrt anschauen und mit ihm reden. 😉

    Danke fürs virtuelle Mitnehmen in eins meiner Lieblingsländer.

Ich freue mich auf Deinen Kommentar!