Das Ulmer Fischerviertel ist die malerische Seele der Donaustadt

Am Ufer der Blau, wo das Flüsschen kurz vor seiner Mündung in die Donau sanft dahinplätschert, liegt eines der schönsten und ursprünglichsten Altstadtquartiere Süddeutschlands: das Fischerviertel in Ulm. Mit seinen schiefen Fachwerkhäusern, engen Gassen, plätschernden Wasserläufen und romantischen Brücken zählt es zu den stimmungsvollsten Orten der Stadt. Es zieht jedes Jahr zahlreiche Besucher aus aller Welt an. Hier verbinden sich jahrhundertealte Geschichte, Handwerkskunst und schwäbische Gemütlichkeit zu einem einzigartigen Erlebnis.

Fischerviertel

Langsam und ein wenig zögerlich machte ich mich auf den Weg. Vom Einstein-Haus ging es paar Schritte hinunter zur Blau. Sofort hatte ich das Gefühl, in einer anderen Zeit einem anderen Ort einzutauchen. Das ständige Summen und Tönen der nahen Großstadt wich zurück. Nur das leise Gurgeln der Blau, hin und wieder die Stimmen von Touristen und das Zwitschern der Vögel waren zu hören.

Es war ein phantastisches Erlebnis, nicht weit vom Ulmer Münster durch die schmalen autofreien Gassen zu gehen und an die vielen Geschichten der Vergangenheit zu denken.

Historischer Hintergrund

Das Fischerviertel ist einer der ältesten Stadtteile Ulms. Bereits im Mittelalter war es das Zuhause der Fischer, Gerber und Schiffbauer, die die günstige Lage an der Blau und Donau nutzten. Die Wasserläufe lieferten nicht nur Nahrung, sondern auch Energie für zahlreiche Handwerksbetriebe, Mühlen und Färbereien. Es muss dort stellenweise fürchterlich gestunken haben, das ist bei der Verarbeitung von Tierhäuten nun einmal so.

Die Fischer siedelten sich im Mittelalter auf dem Gelände an. Sie fuhren mit kleinen Booten auf die Donau hinaus und kehrten mit frischem Fisch zurück. Später wurde der Schiffbau zu einem wichtigen Wirtschaftszweig. Es entstanden flache Holzboote mit kastenförmigen Aufbauten, die aufgrund ihrer Form als Ulmer Schachteln bekannt wurden. Sie transportierten Menschen und Waren in die donauabwärts gelegenen Länder.

Die Blau ist ein über 22 km langer Fluss am Südrand der Schwäbischen Alb im Osten von Baden-Württemberg, der in der Stadt Ulm von links und Nordwesten in die obere Donau mündet.
Der Name der Fluss Blau hat seinen Ursprung in einem vorgermanischen Wort und nicht von der Farbe des Wassers. Der Name könnte von der keltisch-vorgermanischen Form Blava stammen, was auch bei anderen Flussnamen wie Nau, Drau oder Sau vorkommt, Wikipedia

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Auch wenn man meist vom Fischerviertel spricht, heißt das Gebiet korrekterweise „Fischer- und Gerberviertel“. Denn die Lage am fließenden Wasser war auch für die Gerber ideal. Ihre Häuser zeugen eindrucksvoll von der Herstellung des Leders. Auf Holzpfählen im seichten Wasser erheben sich Galerien (Balkone), auf denen die Tierhäute bearbeitet und zum Abtropfen aufgehängt wurden. Darüber hinaus hielt die Wasserkraft insgesamt sieben Mühlräder am Laufen.

Im 14. und 15. Jahrhundert erlebte das Viertel seine Blütezeit. Ulm war eine wohlhabende Reichsstadt, deren Handel und Handwerk weit über die Region hinaus bekannt waren. Die Fachwerkhäuser, die heute das Stadtbild prägen, stammen zum Teil noch aus dieser Zeit. Trotz Kriegszerstörungen und Modernisierungen konnte der historische Kern weitgehend erhalten bleiben.

Die Legende vom Metzgerturm

Es geschah in einer Zeit, als in ihm gerade Metzger einsaßen, aus Strafe, weil sie das Volk in Notzeiten mit zu kleinen Würsten, die sie mit zu viel Sägemehl gestreckt hatten, betrogen. Als ihnen die Todesstrafe angedroht wurde, kippten die wohl mit reichlich Hüftgold gesegneten Herren vor Schreck alle um, offenbar so orchestriert, dass der Turm darob aus dem Lot geriet.

Statiker nennen allerdings ganz andere Gründe für die Schieflage des um 1349 errichteten und 36,1 Meter hohen Bauwerks. Demnach ist das historische Fundament die Ursache. Die Gründung zur Donau hin fußte auf der alten Stadtmauer, zur Stadt hin aber auf Holzstämmen, die in Folge der Senkung des Donauwasserspiegels irgendwann verfaulten. 1911 kamen Beton-Fundamente rein. Seither hat sich die Neigung nach Westen stark verlangsamt. 2,05 Meter beträgt sie aktuell.

Architektur und Stadtbild

Charakteristisch für das Fischerviertel sind die schmalen, verwinkelten Gassen und die pittoresken Fachwerkbauten. Oft sind sie direkt über das Wasser gebaut. Die Blau teilt sich in mehrere Arme, die das Viertel durchziehen und über zahllose kleine Brücken miteinander verbunden sind, weshalb es oft liebevoll als „Klein-Venedig an der Donau“ bezeichnet. wird.

Besonders auffällig ist das „Schiefe Haus“, eines der bekanntesten Gebäude Ulms. Das ehemalige Fischerhaus aus dem 15. Jahrhundert neigt sich spektakulär über die Blau und gilt als eines der schiefsten Hotels der Welt, wie ein Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde belegt.

Fischerviertel

Leben und Kultur im Fischerviertel

Was einst ein Handwerkerviertel war, hat sich heute zu einem Kultur- und Genussviertel entwickelt. In den alten Gebäuden befinden sich gemütliche Cafés, Galerien, Boutiquen und Kunsthandwerksläden, die den besonderen Charme des Viertels bewahren. Viele Künstler und Kunsthandwerker haben sich hier niedergelassen, und das Viertel ist regelmäßig Schauplatz von Kunst- und Musikveranstaltungen, Märkten und Stadtfesten.

Kulinarisch bietet das Fischerviertel eine reiche Auswahl – von traditioneller schwäbischer Küche in historischen Gasthäusern bis hin zu modernen Restaurants mit internationalem Flair. Besonders im Sommer genießen Besucher das ambientereiche Flair der Straßencafés entlang der Blau, begleitet vom Plätschern des Wassers und dem Duft frisch gebackener Maultaschen.

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Sehenswürdigkeiten im Fischerviertel

Neben dem Schiefen Haus lohnen sich zahlreiche weitere Entdeckungen:

  • Haus der Stadtgeschichte / Stadtarchiv Ulm – mit spannenden Einblicken in die Entwicklung der Reichsstadt.
  • Seelturm – ein mittelalterlicher Wachturm und Teil der ehemaligen Stadtbefestigung.
  • Buntsandsteinbrücken und historische Wasserläufe, die das Viertel durchziehen.
  • Fischer- und Gerberbrunnen, der an die Handwerkszünfte erinnert, die hier einst tätig waren.
  • Donauufer – nur wenige Schritte entfernt, mit herrlichem Blick auf die Altstadt und das Ulmer Münster.

Das Fischerviertel heute – zwischen Geschichte und Gegenwart

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Heute gilt das Fischerviertel als eines der bestbewahrten Altstadtviertel Süddeutschlands. Es ist ein Ort, an dem die Geschichte auf Schritt und Tritt spürbar bleibt, aber zugleich Leben und Moderne Einzug gehalten haben. Besonders abends, wenn die Laternen die Fachwerkfassaden in warmes Licht tauchen und sich ihre Spiegelbilder in der Blau brechen, entfaltet das Viertel seine ganze Magie.

Ob als Fotomotiv, Ort der Entspannung oder lebendiges Stück Stadtgeschichte – das Fischerviertel ist das Herzstück Ulms und ein Muss für jeden Besucher.

Fazit

Das Ulmer Fischerviertel vereint auf einzigartige Weise mittelalterliche Atmosphäre, Handwerkstradition, Kultur und Lebensfreude. Es erzählt die Geschichte einer Stadt, die einst von Fischern und Handwerkern geprägt war, und bewahrt diesen Geist bis heute. Wer Ulm besucht, sollte hier verweilen, durch die Gassen schlendern, die Holzbrücken überqueren und das Spiel des Wassers lauschen – denn nirgendwo zeigt sich die Seele Ulms authentischer als hier.

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Ulrike

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