01.10.1991 Nationalfeiertag in Nanchang

Am chinesischen Nationalfeiertag finde ich mich in Nanchang wieder. Die Hauptstadt der Provinz Jiangxi war damals gleich die zweite Stadt (die andere war Jingdezhen) abseits der Touristenpfade, die ich besuchte. In meinem Reiseführer fand ich wenig über die Stadt. Auch heute hat der Lonely Planet nicht viel über diese Stadt zu sagen. Der uralten Porzellan-Stadt Jingdezhen widmet der LP nur einen winzigen Abschnitt. Es gibt ein bei Chinesen beliebtes Gebirge, den Lushan in Jiangxi. Aber ansonsten erscheint die Provinz auch heute noch sehr unbekannt bei Touristen.

Abseits der Touristenpfade heißt aber auch, dass ich in dieser großen Stadt Nanchang (1991: 2 Mio., 2010 im Gesamtgebiet knapp 5 Mio. und 2006 im Stadtgebiet rund 2 Mio. Einwohner = also eigentlich eine chinesische Kleinstadt) einige ungewöhnliche Abenteuer erlebt habe.

Nanchang 1991

Wie bin ich eigentlich hierher gekommen? In Jingdezhen habe ich freundliche Menschen im CITS-Reisebüro gefunden, die sogar Deutsch sprachen und mir die Fahrkarte nach Nachang verkauften, natürlich 1. Klasse! Irgendwie gab es keine Alternative dazu. In Nanchang würde ich dann einen Zug nach Changsha finden.

Ich konnte diese ganze Hilfe einfach nicht ablehnen, ohne enorm unhöflich zu sein. Also gab es für mich keine Suche nach einem Bus oder den Versuch, eine 1. Klasse-Fahrkarte zu bekommen. Also fuhr ich die 4 Stunden nach Nanchang in einem Schlafwagen-Abteil, 1. Klasse-Sitzwagen gab es gar nicht.

Dann kam ich in dieser Stadt Nanchang an, von der ich überhaupt nichts wusste, die mich nicht reizte und aus der ich sofort wieder weg wollte. Nur: Es war Nationalfeiertag! Das war bis dahin nicht wirklich in mein Bewusstsein eingedrungen. Doch nun wurde ich plötzlich mit vollen Hotels und vollen Zügen für die nächsten Tage konfrontiert. Ich war gezwungen, 4 Tage in Nanchang zu verbringen. Da ich so wenig Informationen hatte, fielen mir auch keine Alternativen ein.

Aus meinem Reisetagebuch 1991

29.09.1991 1. Klasse nach Nanchang

Bequem im Vierer-Softsleeper-Abteil fahre ich durch das Land südlich des Yangtze-Flusses. Es ist flach, geprägt von Baumwollanbau und anderer Landwirtschaft. Dazwischen bemerke ich immer wieder, dass auf den Hügeln aufgeforstet wird. Alter Wald ist selten, aber überall wachsen junge Bäume. Dörfer, Flüsse, Seen – der Zug fährt viel zu schnell daran vorbei.

Reichtum ist relativ

Ich komme ins Gespräch mit den Chinesen in meinem Abteil. Sie sind unterwegs zum Verwandtenbesuch. Schön, dass sie Englisch sprechen! Sie haben keine Hemmungen, mich nach meinem Alter, nach meinem Familienstand und nach meinem Einkommen zu fragen. Dass ich in meinem Alter unverheiratet bin, keine Kinder habe und zum Spaß reise, finden sie schwer verständlich und exzentrisch.

Natürlich muss ich reich sein, wenn ich mir das leisten kann, so lange ohne zu arbeiten zu leben. Ja, sicher bin ich reich im Verhältnis zu dem, was die meisten Chinesen verdienen. Wenn ich erzähle, wie hoch ein durchschnittliches Einkommen in Deutschland pro Monat ist, sind sie sehr beeindruckt. Das ist mehr, als ein chinesischer Arbeiter in zwei Jahren verdient.

Doch als ich ihnen sage, was bei uns die Miete oder Kleidung kostet, werden sie nachdenklich. Natürlich wird verglichen, was sich eigentlich nicht vergleichen lässt. Das Bild der Chinesen von den westlichen Ländern scheint geprägt zu sein von Fernsehserien wie Dallas oder Derrick. Da sehen sie, dass wir alle in großen Villen wohnen und jeder mindestens zwei große Autos hat.

Dann treffen sie auch noch auf Menschen wie mich, die scheinbar unendlich viel Zeit haben, nicht arbeiten müssen und riesige Gepäckstücke mit sich rumschleppen.

Ja, wenn ich das Gepäck der Chinesen sehe, die alle nur mit einer kleinen Tasche unterwegs sind, dann frage ich mich, ob ich nicht immer noch zu viel dabei habe. Wahrscheinlich trage ich in meinem Rucksack viele Dinge mit mir, die für die Chinesen Luxus bedeuten. Z. B. meinen kleinen Weltempfänger.

Hotelsuche in Nanchang

Als ich in Nanchang ankomme, scheint die Sonne. Es ist schon Nachmittag, deshalb habe ich keine Lust mehr, mich um eine Fahrkarte für die Strecke nach Changsha zu kümmern. Im Hotel direkt gegenüber vom Bahnhof will man mich nicht aufnehmen. Ich schultere meinen Rucksack und gehe weiter in Richtung Stadtzentrum. Schon von weitem ist das moderne Hochhaus eines Hotels zu erkennen.

Es mag vielleicht kein wirkliches Luxus-Hotel sein, doch die Eingangshalle mit dem blanken Marmor und den hohen Säulen wirkt sehr beeindruckend auf mich.

Keines der Mädchen an der Rezeption spricht Englisch. Sie schauen mich nur verwundert an: was mag diese merkwürdige Westlerin wohl von uns wollen? Was ich in einem Hotel will??! Ich mache mühsam mit Zeichen deutlich, dass ich gerne ein Zimmer haben möchte.

Endlich verstehen sie mich. Man legt mir eine spezielle Preistabelle für Ausländer vor. Unter Fotos der unterschiedlichen Zimmerausstattungen steht der entsprechende Preis. Ich entscheide mich für ein Zimmer mit Bad zu einem sehr günstigen Preis, bezahle eine Nacht im Voraus und bekomme einen Zettel für die Zimmerfrau auf meinem Stockwerk. Auch die staunt nicht schlecht, dass sie einer Westlerin öffnen soll.

Einblicke in ein armes Stadtviertel

Nachdem ich meinen Rucksack abgeladen habe, gehe ich vors Hotel. Ich habe nichts über Nanchang in meinem Reiseführer gefunden, deshalb kaufe ich mir an einem Kiosk einen chinesischen Stadtplan – es gibt keinen englischsprachigen.

Auf die Blacklist? Armut in Nanchang
Armut in Nanchang

Es scheint nicht sehr viele Sehenswürdigkeiten zu geben. Ich erkenne die Schriftzeichen für „Tempel“ und „Pagode“. Nachdem ich mich umgesehen und orientiert habe, wende mich nach rechts, wo ich schon von weitem eine alte Pagode bemerke.

Je näher ich der Pagode komme, desto ärmer wirkt die Gegend. In manchen Nischen haben sich die Leute aus Plastikplanen und losen Ziegelsteinen Hütten gebaut. Kinder laufen halbnackt und ohne Schuhe auf der Straße rum. Dazwischen picken zerzauste Hühner im Dreck. Vor einem Haus hat man eine kleine Fläche sauber gefegt, um dort Kohl zum Trocknen auszubreiten.

Aus einem Laden strömt mir ein Duft entgegen, der mich sehr an Korea erinnert. Und tatsächlich: im dunklen Inneren des Geschäfts sehe ich große braune Tontöpfe, in denen sich eingelegter Kohl befindet, der wie das koreanische Kimchi aussieht.

An einer Ecke sind Männer auf der Straße ganz schwarz von der Herstellung von Kohlestaubbriketts. Auf einem Hocker am Straßenrand windet sich ein alter Mann mit schmerzverzerrtem Gesicht, während ein Zahnarzt im weißen Kittel seine Zähne untersucht.

Im Teehaus sitzen die Alten auf wackeligen Schemeln, vor sich eine blau gemusterte Tasse mit Tee, in der Hand die Pfeife und halten ein Schwätzchen, während gleichzeitig eine chinesische Oper aus dem Fernseher dröhnt.

Manche Tür steht offen und bietet mir einen Blick in den dunklen Raum dahinter. Die Einrichtung besteht meistens nur aus einem Bett, einem Tisch und ein paar einfachen Stühlen.

Am Ende der Straße ist eine öffentliche Toilette, die ich schon von weitem am Geruch erkenne. Die Kinder allerdings scheinen keine Toilette zu brauchen. Sie erledigen ihr Geschäft da, wo sie sind, nämlich auf der Straße.

Ich werde erstaunt und ein wenig unfreundlich angestarrt. Die Armut ist hier überall offensichtlich. Ich fühle mich nicht wohl in dieser Gegend. Endlich erreiche ich die Pagode, wo es nicht viel zu besichtigen gibt. Einen Tempel gibt es nicht, nur den mehrstöckigen, schwarzen Turm. Schnell gehe ich etwas verunsichert in Richtung Hotel zurück.

Super Service in einem neuen Restaurant

An einem großen Kreisverkehr beim Hotel finde ich ein Restaurant, das anscheinend erst vor kurzem eröffnet wurde. Noch stehen die großen Kränze aus bunten Papierblumen vor dem Eingang, die zur Eröffnung aufgestellt wurden. Eine freundliche junge Kellnerin bittet mich äußerst höflich, doch einzutreten und Platz zu nehmen. Da es noch ein wenig früh fürs Abendessen ist, bin ich der einzige Gast.

Nanchang 1991

Drei, vier junge Leute stürzen sich auf mich, rücken mir den Stuhl zurecht, reichen mir die Speisekarte und decken den Tisch. Sie sind ganz rührend um mich besorgt. Alle sind sehr adrett in Schwarz mit weißen Schürzen gekleidet. Der junge Kellner hat ein ordentliches weißes Tuch über dem linken Arm. Ja, so stellt man sich ein vornehmes Restaurant vor!

Ich habe allerdings gerade wieder beschlossen, kein Fleisch zu essen. Das passiert mir immer, wenn ich eine chinesische Metzgerei gesehen habe. Aber für Chinesen gehört zu einem ordentlich (Restaurant-) Essen Fleisch. Ich versuche mit Hilfe meines Sprachführers Gemüsegerichte zu bestellen. Bohnen gibt es auch. Zum Essen möchte ich wie immer ein Bier trinken. Dann verschwinden die Mädchen in der Küche.

Der Kellner bringt mir mein Bier. Mit dem Tuch über dem linken Unterarm beugt er sich leicht zu mir hinunter und zeigt mir das Etikett der Bierflasche. Ob er mir jetzt erst mal ein Schlückchen einschenkt, damit ich probiere??? Ich nicke zögernd, ich ziehe es eigentlich vor, das Bier aus der Flasche zu trinken, falls die Gläser nicht sauber sind. Aber hier macht alles einen perfekten Eindruck. Also akzeptiere ich, dass mir der Kellner einschenkt. Das Bier ist schön kühl. Ich nicke dem Mann, der gespannt auf mein Urteil wartet, freundlich zu. Sofort wird nachgeschenkt. Währenddessen diskutiere ich immer noch mit ihm, ob ich nun Fleisch oder nicht mit meinem Essen haben möchte.

Da kommt das Essen! Chinesischer Kohl – lecker. Die Bohnen sind Dicke Bohnen – natürlich mit kleinen Streifen Schweinefleisch. Meine Großmutter hätte sich auch nicht vorstellen können, dass man Dicke Bohnen ohne Schweinefleisch essen kann. Ach ja, warum auch nicht?! Ich bin ja in Wirklichkeit auch keine Vegetarierin.

Doch mittlerweile hat der Kellner begriffen, dass ich kein Fleisch wollte. Er entschuldigt sich mehrfach, nimmt meine Essstäbchen in die Hand und fängt an, die kleinen Fleischstückchen aus der Schüssel mit den Bohnen herauszupicken. Ich sitze völlig verblüfft daneben und frage mich, was ich nun tun soll. Ich wollte doch nur in Ruhe essen! Schließlich nehme ich die Stäbchen an mich, als er mir erneut Bier nachschenkt. Auch das geht mir auf die Nerven. Außerdem stehen alle hinter mir und schauen mir bei jedem Bissen zu. Ich muss aufpassen, dass ich nicht in lautes, hysterisches Gelächter ausbreche. Schluss jetzt!

Ich breite meine Arme aus und wedele damit über mein Essen, erkläre damit meinen Tisch zum Sperrgebiet für Kellner. Dazu rufe ich auf Deutsch, dass ich meine Ruhe haben möchte. Das Wunder geschieht: sie verstehen mich und verziehen sich in den Hintergrund. Ich esse in aller Ruhe das köstliche Essen zuende, bezahle mit einem großzügigen Trinkgeld, das hier in China aber keiner haben will, und gehe zurück ins Hotel.

Die erste unruhige Nacht

Ich mache es mir auf meinem Bett gemütlich, schaue ein wenig Fernsehen, lausche auf die Nachrichten der Deutschen Welle und will dann nur noch schlafen. Ich liege in Höschen und T-Shirt auf meiner Decke, als gegen ½ 10 Uhr mit einem Rums die Tür aufgeht, die Zimmerfrau reinkommt und ein chinesisches Mädchen auf dem zweiten Bett platziert. Erschrocken ziehe ich mir die Decke bis zum Kinn und frage verwundert, was los ist.

Mein Chinesisch ist noch nicht gut genug, um diese ungewöhnliche Situation zu erfassen, und Englisch versteht mal wieder niemand. Ich versuche zu erklären, dass ich nichts dagegen habe, mein Zimmer mit jemandem zu teilen, dass ich aber andererseits dann nicht bereit bin, den vollen Preis zu zahlen.

Zu kompliziert! Viel zu kompliziert! Also nehme ich das Mädchen mit und schleppe sie zur Rezeption, da war vorhin noch jemand, der ein bisschen Englisch sprach. Ich habe nicht das Gefühl, als ob man mich wirklich versteht. Das Ergebnis ist, dass das Mädchen in einem anderen Zimmer untergebracht wird, und ich alleine auf meinem Zimmer bleibe. Ich grübele darüber nach, dass sie wahrscheinlich den Eindruck gewonnen haben, dass ich nicht mit einer Chinesin zusammen wohnen möchte. Mist! Das wollte ich nicht!

Am nächsten Morgen wache ich von lautem Gepolter in meinem Zimmer auf: die Zimmerfrau schnappt sich die Thermoskanne und stellt mir eine mit frischem heißem Wasser hin. Das ist so üblich in China. Aber es ist erst 6:30 Uhr. Ich drehe mich mürrisch um und versuche noch ein wenig zu schlafen. Aber nach kurzer Zeit ist die Zimmerfrau zurück und möchte das Zimmer aufräumen. Ich stehe widerwillig auf, ohne Lust auf ein Western Breakfast, das es wahrscheinlich sowieso nicht gibt.

Der 2. Tag in Nanchang

Am Bahnhof kaufe ich mir meine Fahrkarte für übermorgen nach Changsha. Ich habe leider nicht bedacht, dass morgen Nationalfeiertag ist. Da geht in China nichts mehr.

Nachdem ich mein letztes Geld für die Fahrkarte ausgegeben habe, muss ich dringend Geld wechseln. Ich suche nach einer Wechselstube, wo ich hier einen Travellerscheck einlösen kann, und finde sie in einem großen Hotel.

Plötzlich krampft sich mein Magen zusammen. Ich eile in mein Hotel zurück. Durchfall und Kopfschmerzen halten mich für den Rest des Tages auf meinem Zimmer fest. Ich fühle mich heiß und schwindelig. Abends gehe ich in dem großen Hotelrestaurant essen. Der Saal ist voller Menschen. Es scheint gerade ein Kongress stattzufinden. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung wie auf einem Betriebsausflug. Ich habe nicht viel Appetit und gehe früh schlafen.

Der 3. Tag in Nanchang (Nationalfeiertag)

Um 6:30 Uhr ist die Nacht wieder mit einem Rums zuende. Doch es geht mir heute super! Gutgelaunt begrüße ich die Zimmerfrau, brühe mir einen Nescafe mit dem frischen heißen Wasser auf und starte eine ausgedehnte Stadtbesichtigung.

Vor dem Hotel merke ich erst, was das bedeutet, dass heute Nationalfeiertag ist. Nicht weit vom Hotel entfernt ist das Provinzparlament. Auf dem großen Platz davor drängen sich die Menschen. Ich komme kaum durch.

Alle sind sie fein herausgeputzt. Die kleinen Mädchen haben große rote Schleifen im Haar. Die Männer tragen ihre Ausgehuniform. Bunte Luftballons schmücken die Straße und das Parlament. Zuckerwatte wird verkauft. Ein Karussell dreht sich.

Nanchang 1991

Eine große Menge schart sich um einen Mann, der eine Affendressur zeigt. Auf einem Bürgersteig hat man ein wenig Platz geschaffen für Spiele wie Ringe werfen und Glücksrad. Aus großen Lautsprechern klingt Marschmusik. Dazu scheint die Sonne aus einem strahlend blauen Himmel. Ich lasse mich glücklich mit dem Strom treiben.Nach zwei Stunden habe ich genug. Ich entferne mich langsam von dem Lärm und der Menge.

Der Pavillon des Prinzen Teng

Nanchang 1991
Nanchang 1991

An einem Flussufer finde ich ein altes hohes Gebäude. Es sieht aus wie eine Burg. Über dicken Befestigungsmauern stehen mehrere Stockwerke aus Holz. In den alten Hallen sind Kalligrafien, Gemälde und alte Waffen ausgestellt. Über einer Sitzgruppe aus dunklem polierten Holz hängt ein riesiges Gemälde, das auf goldenem Grund Hunderte bunte Schmetterlinge zeigt. Im obersten Stockwerk habe ich einen tollen Ausblick über die Stadt und die flache Flusslandschaft. Am interessantesten finde ich die beiden Modelle, in denen die Burg rekonstruiert ist.

Im Garten sind Bonsai-Bäumchen aller Größen ausgestellt. Wundervoll! Ich unterhalte mich mit zwei jungen Leuten, die ich bitte, ein Foto von mir zu machen. Bei schönem Sonnenschein laufe ich noch ein wenig in der Umgebung herum. Doch die Straße, auf die ich schließlich gelange, ist im Bau und dicke Staubwolken liegen in der warmen Luft, deshalb kehre ich schließlich um.

Tengwang Pavilion
The Pavilion of Prince Teng (simplified Chinese: 滕王阁, pinyin: Téngwáng Gé) is a building in the north west of the city of Nanchang, in Jiangxi province, China, on the east bank of the Gan River and is one of the Three Great Towers of southern China. The other two are the Yueyang Tower and the Yellow Crane Pavilion.

It has been destroyed and rebuilt many times over its history. The present building was rebuilt in 1989 on the original site. Wikipedia

Wer ist Ma-Te-U-Se?

An einer Bushaltestelle warte ich zusammen mit ein paar Jungs auf den Bus in die Innenstadt. Einer traut sich und fragt mich in einfachem Englisch, woher ich komme. „Deguo – Deutschland“ antworte ich, ganz stolz auf meine Chinesisch-Kenntnisse. Daraufhin sagt er: „Oh, good: Ma-Te-U-Se!“ Ich gucke ihn verständnislos an: „Was?“ – „Ma-Te-U-Se!“ Wir steigen gemeinsam in den Bus. Er wiederholt: „Ma-Te-U-Se“ Nach und nach wird er ärgerlich. Ich müsse doch Ma-Te-U-Se kennen, den berühmten deutschen Fußballstar.

Da geht mir ein Licht auf: „Lothar Matthäus!“ Jetzt lacht er erfreut. Das hat er doch die ganze Zeit gesagt! Bescheiden erkläre ich ihm, dass in Deutschland Fußball Männersache sei und ich als Frau also nicht sehr viel davon verstehe. Das macht ihn glücklich, denn nun ist seine Ehre wiederhergestellt.

Die zweite unruhige Nacht

Der Platz vor dem Parlament ist bei meiner Rückkehr leer. Im nahen Volkspark gehen die Leute spazieren und erfreuen sich an dem schönen Wetter. Ich bummele durch die Straßen, schaue in ein großes altes Kaufhaus und gehe langsam zu meinem Hotel zurück.

Im chinesischen Fernsehen sind heute anlässlich des Nationalfeiertages nur Reden und Militärparaden zu sehen, deshalb verbringe ich den Abend mit Nachrichten aus meinem Weltempfänger hören: überall auf der Welt scheint zur Zeit Chaos zu herrschen: Krieg in Jugoslawien, Putsch in Haiti und Togo, rassistische Übergriffe in Deutschland. Alles scheint mir unendlich weit weg. Ich bin jetzt ein halbes Jahr unterwegs. Eigentlich reicht mir das. In diesem wunderlichen Nanchang frage ich mich sowieso wieder einmal: „What the hell am I doing here?!“ So vergeht der Abend langsam und ruhig mit viel Nachdenken.

Um 10:00 Uhr abends geschieht es wieder: „Rums!“ Die Tür geht auf, das Zimmermädchen bringt eine junge Chinesin, die in dem anderen Bett schlafen soll. Ich stehe auf und frage, was das soll. An der Rezeption versteht heute Abend niemand auch nur das geringste Wörtchen Englisch. Man scheint nur zu verstehen, dass die doofe Ausländerin keine Chinesen mag, und bringt das Mädchen achselzuckend woanders unter. Frustriert sitze ich in meinem Zimmer und frage mich, wie ich ihnen verständlich machen kann, dass das nicht stimmt. Ich sehe nur nicht ein, warum sie für das Zimmer zweimal kassieren.

Der 4. Tag in Nanchang – Party – Party – Party!

Am nächsten Tag ist die Nacht wieder um 6:30 Uhr zu Ende, als die Zimmerfrau mir mit lautem Getöse die Heißwasserkanne auf die Kommode knallt. Mein Zug fährt aber erst abends. Was mache ich nur in dieser merkwürdigen Stadt bis dahin? Meinen Rucksack kann ich auch nicht im Hotel lassen, da keiner versteht, was ich mit „Leftluggage-Room“ meine. Also nehme ich mittags mein Gepäck mit auf einen weiteren Bummel durch die Stadt.

Nanchang Party im Park

Ich erinnere mich daran, dass ich gestern im Volkspark an einer versteckten Stelle einige metallene Liegesessel gesehen habe. Ich finde sie wieder und lasse mich gemütlich auf einer Liege nieder. Abwechselnd lesend und dösend ruhe ich mich aus. Vorbeigehende Chinesen schauen überrascht, wenn sie erkennen, dass da eine Westlerin im Schatten liegt. 

Nach einiger Zeit entsteht in der Nähe Unruhe. Es kommen immer mehr Menschen, überwiegend Frauen, und versammeln sich unter den Bäumen an einer Stelle, wo etwas Platz ist. Ich richte mich auf und gucke hinüber. Sie haben mich anscheinend nicht bemerkt. Einige Leute stellen sich auf und führen Tai-Ji-Übungen vor.

Dann nehmen andere Schwerter und Fächer und machen ähnliche Übungen. Dazwischen klatschen die Zuschauer. Ein Mann stellt sich in die Mitte und singt eine chinesische Opernarie. Zwei andere spielen einen kurzen Sketch.

Offensichtlich kennen sich alle und feiern etwas. Ich nutze die Gelegenheit und fotografiere aus dem Hintergrund. Ich habe das Gefühl, dass mich keiner zur Kenntnis nimmt und auch niemand etwas gegen meine Anwesenheit hat.

Aber natürlich hat man mich doch bemerkt. Als sie Pause machen und sich jeder eine Limonade nimmt, wird mir von einer Frau auch eine angeboten. Ich nehme dankend an, wohl wissend, was gleich auf mich zukommen wird.

Doch vorerst unterhalten wir uns sehr nett. Die Dame spricht ein wenig Englisch. Sie sind alle Lehrer und feiern den Geburtstag einer Kollegin. Dann ist die Pause zu Ende und es geht weiter. Es passiert, was ich mir schon gedacht habe: ich werde aufgefordert, auch einen Beitrag zu dem Fest zu leisten.

Ich hole tief Luft, stelle mich in den Kreis und … singe: „Kein schöner Land in dieser Zeit…“ Und weil ich den Text der zweiten Strophe nicht weiß, singe ich die erste zweimal. Alle klatschen. Ich bin froh, dass ich teilgenommen habe, und hoffe, dass ich mich und Deutschland nicht zu sehr blamiert habe.

Nanchang Bahnhof im Mao-Stil

Nachdem ich noch ein bisschen zugeschaut habe, verabschiede ich mich winkend, schultere meinen Rucksack und gehe langsam zum Bahnhof. Ich habe immer noch sehr viel Zeit, bis der Zug abfährt. Trotz meiner Hardsleeper-Fahrkarte darf ich im erster Klasse-Wartesaal sitzen.

Nanchang 1991

Dieser Wartesaal ist ein unglaubliches Denkmal der Mao-Zeit, absolut sehenswert! An der hohen Decke hängen Kristallkronleuchter und große Ventilatoren. An die Wände sind riesige Gemälde mit Szenen aus dem Leben Mao’s gemalt. Die bequemen Sessel stehen in kleinen Gruppen um niedrige Tische herum. Sie sind ziemlich schwer und massiv und mit hellblauen Bezügen versehen. Natürlich fehlen auch die gehäkelten Schondeckchen nicht. Ich sitze gemütlich da, lerne Chinesisch und lese. Dazu trinke ich eine Tasse heißen Jasmintees, der für die Wartenden bereitsteht. **Alles wirkt sehr sauber. Auch die Toiletten (Chinese Style: Hockklosetts ohne Abteiltüren) sind ordentlich. Deshalb bin ich ziemlich erstaunt, als eine Ratte quer durch den Raum läuft. Eine ganze Weile sitzt sie in einer verborgenen Ecke. Ich kann sie noch lange pfeifen hören. Dann kommt endlich mein Zug und die Fahrt geht über Nacht nach Changsha.

**1996 wurde ein neuer Bahnhof in Nanchang fertig gestellt. Was aus dem alten Bahnhof mit den tollen Wandgemälden geworden ist, weiß ich nicht. Wenn mir jemand mehr dazu sagen kann, bitte ich um einen entsprechenden Kommentar.

Jetzt hat es Nanchang auch als Geheimtipp in den Blog worthseeing.de geschafft. Ja, Nanchang hat für mich allerlei positive Überraschungen geboten, obwohl ich den Besuch dieser Stadt nie geplant hatte.

Wie alles begann

Ulrike
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2 Gedanken zu „01.10.1991 Nationalfeiertag in Nanchang“

  1. Bei Deinem amüsant geschriebenen Bericht kommen mir einige Begebenheiten bekannt vor, auch wenn Du viel früher – dazu noch allein – durch China gereist bist. Du hast „Abenteuer“ erlebt, wie ich sie liebe: einfach losfahren und sehen, was daraus wird. Auf jeden Fall wird man um viele Erfahrungen reicher, die man sonst nicht gemacht hätte.
    LG Marie

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