09.02.1992 Von Fröschen und der Death Railway

Zuletzt aktualisiert vor 1 Jahr

Kanchanaburi und die Death Railway mit der River Kwai Bridge

10 Tage warten auf das Visum für Indien! 10 Tage voller Möglichkeiten! Ich bin unternehmungslustig und leicht aufgeregt. Ob alles so klappt, wie ich mir das wünsche? Ein wenig gruselt es mich ja vor meiner Reise nach Indien: Was erwartet mich? Schmutz, Armut, Elend – und natürlich meine eigene Gesundheit: Delhi Belly, ansteckende Krankheiten, kleine und große Tiere… Meine Phantasie läuft auf Hochtouren.

Deshalb ist ein Ausflug ins nahe gelegene Kanchanaburi eine interessante Sache. Einige Ausgrabungen, buddhistische Tempel und die berühmte Brücke am River Kwai locken mich. Zahlreiche Kriegsgefangene – auch Briten und Amerikaner – mussten an der Bahn, der sog. Death Railway, mit bauen, in einem malariaverseuchten Dschungel und unter schlimmsten Bedingungen.

River Kwai Brücke
Bild von Tracey Wong auf Pixabay

Kanchanaburi und die Death Railway mit der River Kwai Bridge

Die Spuren sind heute noch unübersehbar: Den Dschungel und die Malaria gibt es nicht mehr, aber ausgedehnte Soldatenfriedhöfe und ein Museum über die schrecklichen Lager. 100.000 asiatische und 15.000 westliche Arbeiter starben beim Bau. Mich beeindruckte der Besuch des Museums sehr. Aber die grüne, tropische Landschaft bot einen wohltuenden Gegensatz. Archäologische Sehenswürdigkeiten, abgelegene Tempel – das war ganz nach meinem Geschmack!

Aus meinem Reisetagebuch 1992:

Kanchanaburi und der muntere Frosch

Zug in Thailand Kanchanaburi

Mit dem Zug fahre ich nach Kanchanaburi, dem Ort, wo die berühmte River Kwai Bridge liegt. Ich steige in einem Guesthouse mit dem lustigen Namen Jolly Frog ab. Die zweistöckigen Gebäude liegen um einen schönen Garten herum, der sich zum Fluss hin öffnet. Die Lage ist ganz gut. Es ist nicht weit zum Zentrum und auch nicht weit zur Brücke.

Zentrum des Jolly Frog ist ein großes Restaurant mit offenen Wänden, so dass man auch bei den häufigen Regengüssen bequem im Trockenen sitzen kann. Mein Zimmer ist nicht wirklich schön.

Die Matratze liegt auf dem Fußboden. Mein linker Unterarm juckt ziemlich. Ein roter entzündeter Ausschlag zieht sich bis zum Ellenbogen. Ich nehme meine Allergietabletten, die ich noch von Korea habe, und meine Kalzium-Tabletten, weil ich denke, dass es sich um eine Allergie handelt. Dadurch wird es etwas besser. Die Entzündung klingt in den nächsten Tagen ab. Ich kann mich aber nicht des Verdachtes erwehren, dass es sich um Wanzenbisse handelt.

Eine Kakerlake von der großen tropischen Sorte besucht mich im Zimmer. Mitten in der Nacht wache ich davon auf, dass laute Musik durch den Garten dröhnt. Sie kommt von einem älteren Deutschen, der die meiste Zeit betrunken ist. Doch tagsüber ist der Garten so schön, dass ich mich trotz all der Unbequemlichkeiten sehr wohl fühle.

Motorradfahren in Thailand?

Am Abend sitze ich mit zwei jungen Mädchen aus England beim Abendessen. Sie sind beide mit üblen Kratzern übersät. Sie hatten einen Motorradunfall. Glücklicherweise haben sie nur die Kratzer. Es sieht schlimmer aus als es ist. Natürlich sind sie ohne Helm und Schutzkleidung gefahren. Deshalb haben sie noch Glück gehabt.

Das erinnert mich daran, dass ich in der Bangkok Post gelesen habe, dass seit dem 1. Februar Helme für Motorradfahrer Pflicht sind in Thailand. Ich finde das eigentlich sehr gut. Aber ein junger Mann hat angeblich in Bangkok bereits Selbstmord begangen, weil er den Gedanken, dass er nun einen Helm beim Motorradfahren tragen muss, nicht ertragen konnte. Ich wundere mich nur, dass bei der riskanten Fahrweise besonders der Motorradfahrer nicht mehr schlimme Unfälle passieren.

Überall knallen abends Knallfrösche. Die machen einen fürchterlichen Lärm. Es ist bald Chinesisches Neujahr. Da wird das noch schlimmer. Aber das Jolly Frog liegt relativ ruhig. Nur die Frösche quaken laut in der Nacht.

Thailand KriegsgräberDie Brücke über den Kwai und der Krieg

Natürlich ist für mich ein Abhängen über mehrere Tage hin nicht denkbar. Ich miete mir ein Fahrrad und fahre im Ort umher. Kanchanaburi ist bekannt geworden durch die Brücke und den Bau der Bahnstrecke nach Burma im 2. Weltkrieg. Dadurch waren hier viele Soldaten, erst Amerikaner und Engländer, später die Japaner, die ein großes Kriegsgefangenenlager einrichteten, stationiert. Das sieht man heute noch an jeder Ecke.

Soldatenfriedhof und Kriegsmuseum

Es gibt große Soldatenfriedhöfe der Amerikaner und Briten. Auch ein sogenanntes Kriegsmuseum kann man besuchen. Kanchanaburi lag damals in einem sumpfigen Dschungelgebiet, das malariaverseucht war und viele Krankheiten auslöste. In dem Museum kann man die Zeichnungen der amerikanischen Gefangenen sehen, die die Schrecken dieses Lagers zeigen: dürre von Krankheit gezeichnete Gestalten bauen an der Bahnstrecke. Ich bin sehr beeindruckt von diesem traurigen Museum.

Mit dem Zug über die Brücke

Heute ist von dem Dschungel nichts mehr übrig. Malaria soll es auch nicht mehr geben. Trotzdem reibe ich mich immer sorgfältig mit Mückenschutzmittel ein. Mit dem Zug fahre ich über die berühmte Brücke durch die flache Landschaft zu einem Ausgrabungsgelände. Der Zug ist voller Pauschaltouristen, die mit der berühmten „Death Railway“ zu einem Naturschutzgebiet an der Grenze zu Burma fahren. Dort endet die Bahn, da aufgrund der heutigen politischen Verhältnisse eine Einreise nach Burma auf dem Landweg nicht möglich ist. Die Leute staunen nicht schlecht, als ich in einem kleinen Dorf aussteige. Hier gibt es auf den ersten Blick gar nichts zu sehen.

Wanderung am Khmer Tempel

In der Nähe des Dorfes aber hat man alte Khmer-Tempel und die Reste einer ganzen Stadt aus dem 12. Jh. ausgegraben. Die Landschaft wirkt wie eine Savanne mit Akazien und weiten Grasflächen. Die Erde ist rot und die vielen Blumen in den Beeten leuchten in Grün, Gelb und Pink.

Es wird eine stundenlange Wanderung. Ich bin fast alleine bei den alten Tempeln. Vögel singen und im Gras zirpen die Zikaden. An einer Stelle ist die rote Erde aufgebrochen, hier liegen blanke weiße Felsen zutage. Wie ein Befestigungsgraben zieht sich diese eigenartige Formation um die Stadtmauer, die einst aus mindestens drei Wällen und drei Gräben bestanden hat. Am Ufer eines kleinen Flusses ist die Vegetation üppiger. Dort gibt es auch ein kleines Museum.

Am Uferhang hat man neolithische Gräber gefunden. Das Ausgrabungsgelände befindet sich unter einem Bambusdach. Die Skelette liegen noch so in der Erde, wie man sie ausgegraben hat. Eine Frau, die anscheinend diese kleine Anlage bewacht und in Ordnung hält, bringt frische Orchideen und Obst zu den Toten. Dazu entzündet sie ein paar Räucherstäbchen. Mich beeindruckt diese schlichte Handlung sehr, zeigt sie doch, dass die Menschen dies hier nicht einfach nur als Museum sehen, sondern diese zwei unbekannten Toten respektieren und wie ihre eigenen Vorfahren verehren.

Im sanften gelben Licht der untergehenden Sonne fahre ich mit dem Zug zurück. Über den grünen Zuckerrohrfeldern steigen singend Vögel in die Luft. Sie erinnern mich an die Lerchen in Deutschland. Abends sitze ich am Fluss und lausche auf die lauten Frösche. Kein Wunder, dass das Guesthouse Jolly Frog heißt!

Meditieren im Höhlentempel

Um zu einem Höhlentempel (Wat Tham Khao Pun) etwas außerhalb zu fahren, miete ich mir ein Fahrrad. Ich habe keine gute Landkarte von der Gegend und verfahre mich deshalb in eine etwas ärmliche Gegend am Fluss. Dann finde ich doch die Brücke zur anderen Seite. Das Fahren auf den zum Teil unbefestigten Straßen ist recht mühsam. Endlich erreiche ich den Tempel. Von außen ist nicht viel zu sehen. Es führen etliche Stufen hinauf zu einer Höhle. Als ich sie betrete, fliegen Scharen von Fledermäusen verstört auf.

Die hohe Decke der Höhle hängt voller Stalaktiten, zwischen denen die Fledermäuse wohnen. Die Luft ist angenehm kühl und trocken. Auf einem Altar stehen Buddhastatuen, die man kaum noch als solche erkennen kann, weil sie über und über mit Blattgold bedeckt sind. Davor liegen verblasste Plastikblumen und abgebrannte Räucherstäbchen. Eine Figur fällt mir besonders auf: ein Maitreya-Buddha. Die Statue ist recht naiv gestaltet und hält sich mit beiden Händen den dicken Bauch. Er scheint mich spöttisch und arrogant anzublicken.

Ich bin ganz alleine mit den Fledermäusen und den stummen Statuen. Diese Ruhe nutze ich, um ein wenig zu meditieren. Ich merke, dass ich immer weniger Anstrengungen unternehme, um mir eine Gelegenheit zu schaffen, in der ich meditieren kann. Aber das Meditieren, auch über die tiefen Eindrücke der Death Railway tut mir gut.

Ich kann hier nun auch über meine Pläne nachdenken und ein wenig Tagebuch schreiben. Das habe ich in den letzten Wochen ein wenig vernachlässigt. Ich bin immer noch dabei, die vielen Briefe zu beantworten, die ich zu Weihnachten bekommen habe. Das artet richtig in Arbeit aus! Nachdem ich fast zwei Stunden in der kühlen Höhle verbracht habe und in dieser Zeit keinen Menschen gesehen habe, mache ich mich schließlich auf den Rückweg.

Rückweg

Ein Schild weist den Weg zu einer Fähre über den Fluss, so dass ich den Rückweg ein wenig abkürzen kann. Dann fahre ich gleich weiter zur River Kwai Brücke. Ich erlebe einen großartigen Sonnenuntergang. Außer mir sind einige Touristen zu diesem Spektakel gekommen. Souvenirverkäufer umlagern sie. Ich kaufe mir ein Stück frische Ananas.

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Wie alles begann

Ulrike
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2 Gedanken zu „09.02.1992 Von Fröschen und der Death Railway“

  1. Danke für den Tipp! Natürlich sind Japaner keine Monster!!! 😉 Nur, als ich das Kriegsmuseum sah, kamen mir damals gleich die Bilder von den Konzentrationslagern in den Sinn. Tja, aber auch wir Deutsche sind keine Monster….

  2. Zum Thema „Death Railway“ kann ich ergänzend den Film „The Railway Man“ empfehlen. Die Figur des Hiroyuki Sanada ist an den kaiserlichen Übersetzer Takashi Nagase angelehnt und zeigt, dass auch angeblich so grausame Japaner keine Monster sind.

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