Die Rolle der Frau in der chinesischen Geschichte war oft durch konfuzianische Werte geprägt, die Zurückhaltung und Häuslichkeit betonten. Doch abseits der klassischen Idealvorstellungen existierten Frauen, die Pferde ritten – in manchen Zeiten als Kriegerinnen, in anderen als Symbol weiblicher Freiheit. Diese reitenden Frauen prägten nicht nur militärische, sondern auch kulturelle Entwicklungen in China.
Frühe Spuren: Nomadinnen und Kriegerinnen
In Nordchina und den Grenzregionen lebten seit jeher nomadische Völker wie die Xiongnu, Xianbei oder später die Mongolen, bei denen das Reiten fester Bestandteil des Alltags war – für Männer wie für Frauen. Archäologische Funde belegen, dass Frauen dieser Kulturen nicht nur ritten, sondern auch jagten und kämpften.

Während der Zeit der Nord- und Süd-Dynastien (4.–6. Jahrhundert) wurden einige dieser nomadischen Reittraditionen in das chinesische Kaiserreich übernommen. Besonders im Norden Chinas war es für adelige oder militärisch geprägte Frauen nicht ungewöhnlich, reiten zu lernen.
Ein Beispiel:
Fu Hao – Die Kriegerin zu Pferd in der Shang-Dynastie
Fu Hao war eine Pionierin in vielerlei Hinsicht: militärisch, religiös und politisch. In einer Zeit, in der Frauen in vielen Kulturen kaum öffentlich agierten, kommandierte sie Kavallerieeinheiten, nahm an strategischen Entscheidungen teil und wurde mit Waffen und Pferden begraben. Sie steht für eine verborgene Tradition starker, reitender Frauen in Chinas Frühgeschichte – und verdient einen zentralen Platz im historischen Bewusstsein.
In der langen Geschichte Chinas sind Frauen, die Pferde ritten und militärische Macht ausübten, selten dokumentiert – insbesondere in der Frühzeit. Eine Ausnahme, die bis heute Historikerinnen und Archäologinnen fasziniert, ist Fu Hao (婦好). Sie lebte im 13. Jahrhundert v. Chr. während der Shang-Dynastie und war Generalin, Priesterin und Gemahlin von König Wu Ding. Ihre Rolle zeigt, dass Frauen zu dieser Zeit durchaus Macht, Einfluss – und militärische Mobilität – innehaben konnten.
Wer war Fu Hao?
Fu Hao war eine von mehreren Ehefrauen König Wu Dings, aber sie stach unter ihnen durch außergewöhnliche Leistungen hervor. Laut Inschriften auf Orakelknochen führte sie militärische Feldzüge gegen Feinde des Shang-Reiches – wie die Qiang, Ba und Yi – und errang dabei große Siege. Sie kommandierte mehrere Tausend Soldaten, darunter auch Kavallerieeinheiten – ein seltener Umstand für eine Frau in dieser Zeit.
Reiten in der Shang-Zeit
Obwohl die Shang-Zeit (ca. 1600–1046 v. Chr.) zu den frühesten Hochkulturen Chinas gehört, gibt es Hinweise darauf, dass Pferde bereits eingeführt und militärisch genutzt wurden, vor allem für Streitwagen und als Reittiere. Die Pferde selbst waren wahrscheinlich durch Kontakte zu westlichen Nomadenkulturen ins Shang-Reich gelangt.
In Fu Haos Grab – entdeckt 1976 in Anyang – fanden Archäologen neben tausenden Grabbeigaben auch Waffen (wie Bronzedolche, Äxte und Pfeilspitzen) sowie Reste von Streitwagen und Pferdeskeletten. Diese Funde legen nahe, dass Fu Hao nicht nur als Kriegerin, sondern auch als Reiterin oder Wagenlenkerin aktiv war – und in der militärischen Elite als gleichwertig anerkannt wurde.
Eine Frau mit drei Gesichtern: Kriegerin, Priesterin, Königin
Fu Haos Einfluss beschränkte sich nicht auf das Schlachtfeld. Sie war auch eine hoch angesehene Schamanin und nahm regelmäßig an wichtigen religiösen Zeremonien teil. Dies zeigt, dass Frauen im frühen China unter bestimmten Umständen religiöse und politische Macht ausüben konnten – besonders, wenn sie wie Fu Hao außergewöhnliche Fähigkeiten und königliche Unterstützung hatten.
Symbol weiblicher Stärke
Das Bild Fu Haos als reiterliche Kriegerin, die strategisch denkt, militärisch führt und spirituell leitet, ist einzigartig. Sie ist damit eine der frühesten bekannten Frauen weltweit, die eine solche Kombination an Rollen innehatte.
Während spätere Dynastien Frauen meist aus dem militärischen Leben ausschlossen, blieb Fu Hao eine Ausnahmefigur – und wird heute zunehmend als Symbol weiblicher Stärke in der chinesischen Geschichte gefeiert.
Tang-Dynastie (618–907): Eleganz und Freiheit im Sattel
Die Tang-Dynastie war eine Blütezeit für die chinesische Kultur – und eine Zeit relativer Offenheit für Frauen. Besonders bekannt sind die Darstellungen von Frauen beim Polo-Spiel, einem damals beliebten Sport der Oberschicht. Auf Wandmalereien und Keramiken sind adelige Damen zu sehen, wie sie auf Pferden reiten, spielerisch und elegant. Dies war ein Ausdruck ihrer Bildung, ihres sozialen Standes – und ihrer Freiheit.
Die berühmte Yang Guifei, Konkubine von Kaiser Xuanzong, war nicht nur für ihre Schönheit bekannt, sondern auch für ihre Liebe zum Reiten. In der Literatur dieser Zeit wird das Bild der selbstbewussten, reitenden Frau häufig romantisiert.

Kriegerinnen und Anführerinnen
In der chinesischen Geschichte gab es auch Frauen, die das Pferd als Werkzeug der Kriegsführung nutzten. Das bekannteste Beispiel ist die legendäre Hua Mulan, die – laut der Ballade aus dem 6. Jahrhundert – ihren alten Vater im Militärdienst ersetzte, in Männerkleidung kämpfte und viele Jahre unentdeckt blieb. Obwohl historisch nicht gesichert, steht Mulan symbolisch für die vielen anonym gebliebenen Frauen, die in Kriegszeiten zur Waffe griffen.
In späteren Jahrhunderten gab es ebenfalls Reiterinnen in militärischer Rolle, etwa in der Zeit der Ming-Dynastie, als einige Frauen aus Grenzregionen an Verteidigungskämpfen teilnahmen – besonders im Norden gegen mongolische Angriffe.
Die Kunsthistorikerin Prof. Eiren Shea hat herausgefunden, dass die Frauen, die im heutigen Nordchina und in der Mongolei im 10. bis 14. Jahrhundert lebten, eifrige und passionierte Reiterinnen waren. Das Reiten war Teil ihres täglichen Leben – und von Frauen aller sozialen Schichten wurde erwartet, dass sie schon in jungen Jahren reiten konnten.
„Reiten war unter den Völkern, die im heutigen Nordchina und der Mongolei lebten, im 10. bis 14. Jahrhundert ein zentraler Aspekt im Leben von Frauen verschiedener Gesellschaftsschichten – die entdeckten Grabbeigaben beleuchten die Rolle des Pferdes und belegen verschiedene Arten von Reitaktivitäten. Reiten hatte sowohl im Leben als auch im Tod eine Bedeutung, insbesondere für hochgestellte Frauen“
Qing-Dynastie (1644–1911): Reiten als höfisches Ritual
Die Qing-Dynastie wurde von den Mandschu gegründet – einem Reitervolk. Im kaiserlichen Hofritual war das Reiten von zentraler Bedeutung. Auch Mandschu-Frauen ritten traditionell, oft mit speziell dafür entwickelter Kleidung, die Bewegungsfreiheit ermöglichte. Selbst im kaiserlichen Hof gab es Jagden, an denen hochrangige Frauen teilnehmen konnten.
Allerdings wurde das Reiten für Frauen mit der Zeit wieder stärker eingeschränkt – vor allem unter dem Einfluss konservativer konfuzianischer Ideale, die in der Spät-Qing-Zeit wieder an Bedeutung gewannen.
Moderne Perspektiven
Heute wird das Bild der reitenden Frau in China neu bewertet: In Filmen, Romanen und Serien wird etwa Hua Mulan gefeiert, und in den Grenzgebieten wie Xinjiang oder der Inneren Mongolei sind reitende Frauen weiterhin Teil der lebendigen Tradition. Auch im modernen Pferdesport, der in China im Aufschwung ist, sind Frauen zunehmend sichtbar.
Pferde in der Mongolei
„Pferde sind bedeutend in der mongolischen Kultur, die mehr als 300 Wörter für Pferde hat und weitere 200 nur für ihre Farbe. Trotzdem hat das Fahren eines Motorrades das Reiten ersetzt. Die Anzahl der Pferde in der Region, die die Hirten besaßen, ist von 2,4 Millionen im Jahr 1975 auf weniger als 700.000 im Jahr 2007 gefallen. Seitdem die Pferde-Zucht nicht gewinnbringend war, verkauften viele Familien ihre Pferde und kauften Motorräder und Autos. Um das gefährdete mongolische Pferd zu bewahren und die Pferdekultur zu erben, wurden Schutzbemühungen unternommen. Im Jahr 2011 richtete die Region drei Zuchtbasen für mongolische Pferde mit einer Gesamtinvestition von 18 Millionen Yuan pro Jahr ein, um mongolische Pferde zu bewahren. Solche Schutzbemühungen haben erlebt, dass die Anzahl der Pferde in der Inneren Mongolei in einem Jahrzehnt um 25 Prozent gestiegen ist und im vergangenen Jahr 880.000 erreicht hat.“ Xinhua

Zusammengefasst
Die Geschichte der reitenden Frauen in China ist eine Geschichte der Spannung zwischen gesellschaftlichen Normen und individueller Freiheit. Ob als Kriegerin, Adelige oder Sportlerin – Frauen auf dem Pferderücken waren in Chinas Geschichte stets ein Ausdruck von Kraft, Selbstbestimmung und Wandel.
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Danke! Da war die Mühe nicht umsonst.
Liebe Ulrike,
bin über diesen Artikel gestolpert, der mir sehr gefällt. Inhaltlich wie auch optisch!
Danke dafür!