Märchenhafte Seidenstraße – Geschichte und Geschichten

Zuletzt aktualisiert vor 1 Woche

Die antike Seidenstraße und ihre faszinierende Geschichte. Seit Jahrtausenden hat der Handel von Asien bis nach Europa Kulturen einander nahe gebracht. Heute erzähle ich Euch einige spannende Kapitel über die Seidenstraße in China.

“Reisen – es lässt dich sprachlos, dann verwandelt es dich in einen Geschichtenerzähler.”

Ibn Battuta im 14. Jh.

Perle der alten Seidenstraße Buchara. Blaue Kuppeln der Altstadt.
Buchara an der alten Seidenstraße

Überall in China, Zentralasien, Persien stößt der Reisende auf Relikte und Geschichten der alten Seidenstraße. Die Spuren sind unübersehbar. Geschichten von der Seidenstraße faszinieren die Menschen seit Jahrtausenden.

Ich möchte Euch von fantastischen Geschichten und Abenteuern erzählen. Lasst uns dazu einen Tee trinken und einen Apfel essen.

Zahlen zur alten Seidenstraße

  • Länge der Seidenstraße zwischen Xi’an und Rom: ca. 10.000 Kilometer
  • Höhenunterschiede: Khunjerab-Pass 4.694 m hoch – Turfan-Senke 155 m unter dem Meeresspiegel
  • Temperaturunterschiede: -30° bis +50°
  • Kamelkarawanen: Die größten Karawanen bestanden aus bis zu 1000 Tieren
  • Höchstes Minarett: Kutlug Timur in Turkmenistan 62m

Die Geschichte der Seidenstraße

Karte der Seidenstraße in China und Asien..

Entlang der alten Karawanenwege, die von Peking und Xi’an im Osten bis Konstantinopel und Rom im Westen führen, stoßen Archäologen immer wieder auf Spuren, die eine mehr als 3.000 Jahre alte Handelstradition belegen.

Zeit der Geschichtenerzähler

Wie mag es wohl gewesen sein, wenn man nach einem anstrengenden Tag abends Rast in einer Karawanserei machte?

Die Händler in ihren vom Wüstenstaub gelben Gewändern sitzen um das Feuer versammelt. In ihre Gesichter haben Sonne und Wüstenstaub tiefe Falten gegraben. Der Duft von würzigen Fleischspießen durchzieht die milde Luft, im Hof brüllt ein Kamel. Dazu das Konzert der Zikaden. Die richtige Zeit für eine Geschichte. Vielleicht diese hier:

Prinzessin Liu Xijun

Prinzessin Liu Xijun
Vor langer, langer Zeit wuchs am Hof des chinesischen Kaisers die chinesische Prinzessin Liu Xijun. Damals heiratete man nicht einfach so aus Liebe. Der Vater, Kaiser Wudi, hatte großes Interesse daran, mit den Königreichen im Westen verbunden zu sein. Die Karawanen, die mit ihren wertvollen und interessanten Waren die Wüsten durchquerten, sollten sicher sein.

Deshalb sandte er Prinzessin Liu Xijun als Ehefrau dem König von Wusun. Sie war mit ihrem Schicksal sehr unglücklich und beklagte sich in einem überlieferten Gedicht:

Frau im Seidenkleid
Junge Frau, Terrakotta-Figur aus dem 2. Jh. v. Chr.

„Mein Volk hat mich in eine entfernte Ecke der Welt verheiratet, mich in ein fremdes Land gesandt. Das runde Zelt ist nun mein Palast, seine Wände sind aus Filz, getrocknetes Fleisch ist meine einzige Nahrung, gegorene Stutenmilch mein Getränk. Ohne End träume ich von meiner Heimat, und mein Herz ist verletzt. Oh, könnte ich doch der Schwan sein, der in seine Heimat zurück fliegt!“

Damit ihr Leben etwas komfortabler war und sie wenigstens den Luxus der Seide genießen konnte, nahm sie heimlich in ihrer Hochfrisur einige Seidenraupen mit. So kam die Seide nach Westchina.

Prinzessin Liu Xijun starb schon 5 Jahre nach ihrer Ankunft in Wusun mit 25 Jahren. Das war letztlich kein Problem für den Kaiser. Er schickte seine Tochter, Prinzessin Liu Jieyou. Sie heiratete den König von Wusun und bekam 5 Kinder.

Der Handel an der Seidenstraße in China war nun sicher und florierte.

Handel seit 3.000 Jahren und länger

Die alte Seidenstraße darf man sich nicht als Autobahn zwischen A und B vorstellen. Archäologen haben Artefakte gefunden, die einen weitreichenden Handel zwischen Zentralasien, Indien und China schon vor 3.000 Jahren belegen. Dort bildeten sich nach und nach Karawanenwege, auf denen die Händler je nach Ziel und Wetter immer neue Möglichkeiten fanden, ihre Waren weiterzutransportieren.

Um die Zeitenwende gab es gute Verbindungen mit gekennzeichneten Pfaden über die Gebirge und durch die Wüsten. Karawansereien boten den Händlern Unterkunft und eine Möglichkeit, ihre Lastentiere ausruhen zu lassen oder zu wechseln. Diese Karawansereien waren eine zentrale Stelle für den Austausch von Informationen über den Zustand der Wege und anderer Nachrichten.

In der Karawanserei an der Seidenstraße.
In der Karawanserei von Buchara
Alte Handelswege
Die Tabula Peutingeriana, eine Straßenkarte aus dem 4. Jahrhundert, zeigt die Wege, die schon damals weit in den Osten reichen. 70.000 Meilen römischer Straßen, 3.000 Namen von Städten und Orten sowie 500 geographische Namen sind darauf verzeichnet.

Peuteringia Karte -römische Karte, die auch die Seidenstraße in China zeigt.
Kopie der Tabula Peuteringiana

Zu meinem großen Entzücken fand ich beim Studieren der Karte am äußersten rechten Rand der Karte zuerst Samarkand, dann Indien und schließlich Sera. Die Römer nannten China damals „Seres“ (das Land der Seidenmenschen).

Da die damaligen römischen Straßen nicht bis China führten, hört die Karte dort auf. Man hatte anscheinend auch keine Vorstellung von dem riesigen Seres oder Sera. So bleibt es bei dem Namen, klitzeklein am Rand der Karte.

In einem 1.500 Jahre alten Grab bei Xi’an wurden mehrere Goldmünzen aus dem Oströmischen Reich gefunden: Eine ist während der Regierung von Kaiser Anastasius I. (491 – 518) geprägt worden.

Die Blütezeit

Die Blüte der alten Seidenstraße in China war während der Tang-Dynastie (617 – 907), als Xi’an, das damals Chang’an hieß, Hauptstadt war. Die Stadt hatte im 8. Jahrhundert schon erstaunliche 1 Million Einwohner. Der Handel brachte Wohlstand und eine kulturelle Blüte.

Gehandelt wurden vor allem Seide, Gewürze, Gold und Jade.

Übrigens wurde auch Tee über die Seidenstraße in die Welt transportiert. Diese alten Handelswege spiegeln sich in den unterschiedlichen Bezeichnungen wider. Der Tee, der über die Seidenstraße u.a. nach Indien gelangte, kam aus Zentralchina, wo er „cha“ hieß. In Indien wird er noch heute „Chai“ genannt. Tee und alte Handelswege

Nach Europa fand dieser Handel mit Tee erst ab dem 17. Jahrhundert statt.

Allerdings fand man Teeblätter, ungefähr 1.800 Jahre alt,  in Gräbern bei Ngari in Westtibet. Das wird von Wissenschaftler als Nachweis dafür gesehen, dass ein Zweig der Seidenstraße durch Tibet führte. Denn Tee wächst nicht in Tibet und muss importiert worden sein. Quelle: upi.com

Nach der Tang-Zeit kamen lange Zeiten, in denen der Handel entlang der Seidenstraße in China mal mehr mal weniger zum Erliegen kam. Kriege und Uneinigkeiten der Völker im Westen Chinas und Zentralasiens erschwerten den Handel.

Seidenstraße in China Kamele in der Taklamakan Wüste.
Baktrische Kamele waren ein Haupttransportmittel auf der antiken Seidenstraße

Bis sich im 16. Jahrhundert Xenophobie bei den chinesischen Kaisern ausbreitete. Kaiser Jiajing verbot Mitte des 16. Jahrhunderts den Außenhandel ganz. Doch solche Verbote ließen sich schlecht durchsetzen oder überwachen. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts erreichten Kamelkarawanen die Hauptstadt Peking.

Kaiser Fu Xi und die Seidenraupen

Geschichte der Seide
Der Ursprung der Seide liegt etwa im 3. Jahrtausend v. Chr. und ist eher von Legenden umrankt, als dass es genaue Jahreszahlen gäbe. Der Sage nach soll in China der legendäre Kaiser Fu Xi als erster auf den Gedanken gekommen sein, Seidenraupen zur Herstellung von Gewändern zu nutzen. Fu Xi gilt auch als Erfinder eines mit Seidenfäden bespannten Saiteninstruments.

Shennong, der Gott des Ackerbaus

Die Sage nennt noch einen weiteren berühmten Kaiser: Shennong, den „Gott des Ackerbaus“, der das Volk gelehrt haben soll, Maulbeerbäume und Hanf anzubauen, um Seide und Hanfleinen zu gewinnen. Xiling, die Gattin des Gelben Kaisers Huáng Dì, hat angeblich im 3. Jahrtausend v. Chr. dem Volk die Nutzung von Kokons und Seide zur Herstellung von Kleidungsstücken beigebracht.

Durch glühende Wüsten und über eiskalte Gebirge

Wenn ich mir die Landschaften ansehe, durch die sich die Karawanen quälen mussten, so kann ich kaum Worte finden für meine Bewunderung für die Menschen, die steile Gebirgspässe und endlose Wüsten überwanden.

Pamir bei Sonnenaufgang, einer der Gebirgspässe der Seidenstraße nach China.
Die schneebedeckten Gipfel des Pamir-Gebirges

Die Wüsten waren eine der Herausforderungen, die von den Händlern gemeistert werden mussten. Wie zum Beispiel die Kisilkum-Wüste (Kysylkum), eine 200.000 qkm große Kies- und Sandwüste in Zentralasien. Heiß, trocken, staubig.

Quer durch ging nicht, also mussten lange Umwege zurück gelegt werden. So auch um die Taklamakan-Wüste im Westen Chinas, wo sich eine nördliche und eine südliche Route in China herausbildete.

Ruinen von Subashi an der Seidenstraße in China bei Kucha.
Ruinen von Subashi, einer buddhistischen Klosterstadt bei Kucha, China.

Zwischen diesen Wüsten liegen die Berge des Pamir, Kunjerab, Tianshan und mehr. Teilweise um die 7.000m hoch. Hochebenen auf 3.000 und 4.000m Höhe zerrten an den Nerven und an der Gesundheit. Pässe, die bis zu 5.000m hoch waren, galt es zu überwinden.

Die „Straße der Seide“ auf Chinesisch

Chinesisch

丝绸之路 • Sīchóu zhī Lù = die Straße der Seide
kurz: 丝路 Sīlù

Mongolisch ᠲᠣᠷᠭᠠᠨ ᠵᠠᠮ Tôrgan Jam;

Persisch: جاده ابریشم).

Die Bezeichnung Seidenstraße geht auf den im 19. Jahrhundert lebenden deutschen Geografen Ferdinand von Richthofen zurück, der den Begriff 1877 erstmals verwendet hat. (Wikipedia)

Wichtige Übersetzer

Damals wie heute wichtig war das Erlernen von Sprachen zur Verständigung: Die Sogder – ein Volk aus Zentralasien – waren die Haupthändler des ersten Jahrtausends nach Christus, die überhaupt erst dafür gesorgt haben, dass chinesische Seide an den byzantinischen Hof oder auf die Krim kamen.

Sie sorgten für die Kontakte zwischen dem türkischen Reich und den Chinesen, und dienten oft als Übersetzer. Übrigens: Ihre Frauen und Kinder konnten lesen und schreiben. Das war damals bei anderen Völkern unüblich.

Die Große Mauer in China

Die wertvollen Waren der Karawanen weckten Begehrlichkeiten. Deshalb kam es häufig zu Raubüberfällen. Die Händler schlossen sich schon deswegen zu großen wehrhaften Karawanen zusammen.

Es war auch im Interesse der chinesischen Kaiser, den Handel zu schützen. Deshalb wurde die Große Mauer nicht nur gegen die Nomaden aus dem Norden sondern auch zum Schutz der Seidenstraße erbaut.

Feuersignalturm bei Kucha
Feuersignalturm bei Kucha

Nicht überall sieht die Mauer so stark und wehrhaft aus wie bei Peking. Weiter im Westen war sie häufig nur ein Erdwall. Wichtig zum Schutz waren die Garnisonen und die Möglichkeit, Nachrichten und Alarme schnell von Ort zu Ort zu tragen.

Am Rande der Taklamakan-Wüste wurde die Mauer durch Feuersignaltürme ersetzt. Im Alarmfall zündeten die Wächter Feuer und sandten damit Signale von einem Turm zum nächsten.

Geschichten in Felswände geritzt

An vielen Stellen entlang der bekannten Handelsrouten haben die Menschen ihre Geschichten und Gedanken in die Felswände geritzt. Das ist wenig bekannt, denn meistens liegen die Stellen heute schwer erreichbar in abgelegenen Tälern.

Diese Petroglyphen geben einen Eindruck davon, dass Handeln und Wandern entlang der Seidenstraße sehr weit in die Prähistorie zurückreicht. Ich selbst habe die Felszeichnungen in der Nähe des Hunza-Tals in Pakistan gesehen.

Petroglyphen am Karakorum Highway
Petroglyphen am Karakorum Highway

In Xinjiang gibt es eine interessante Stelle mit vielen alten Petroglyphen: Shimenzi . Eine weitere interessante Fundstätte ist Tamgaly in Kasachstan.

Es gibt sicherlich noch sehr viel mehr. Wenn Ihr weitere Orte kennt, freue ich mich über einen Hinweis!

Anrüchige Entdeckung

Traditionen der Hygiene
1992 entdeckten Archäologen im Nordwesten Chinas in einer alten Latrine an der alten Seidenstraße sogenannte „Hygienestöcke“ – Holz- oder Bambusstöcke, die mit Tüchern umwickelt waren und wohl der Säuberung dienten.

Der Stoff an den 2.000 Jahre alten Stöcken war augenscheinlich mit menschlichen Exkrementen beschmiert. Eine mikroskopische Analyse der Fäkalien bestätigte, dass sie eine Reihe von Parasiten enthielten, die man im menschlichen Darm finden kann.

Dieser Befund wird auch von historischen Texten gestützt, die auf Stöcke und Spatel verweisen, die im alten China und Japan benutzt wurden.

Auch im Bereich Toilettenpapier war China allen anderen voraus. Der früheste Verweis darauf findet sich in den Aufzeichnungen von Yen Chih-Thui. Der Gelehrte aus dem 6. Jahrhundert hatte offenbar Zugang zu entsorgten Manuskripten, schrieb aber, dass er es nicht wage, sich „mit den Namen von Weisen“ nach dem Toilettengang zu säubern.

Eine ähnliche Papiernutzung scheint deutlich älter zu sein. Forscher vermuten, dass Hanfpapier, wie es im Grab des Kaisers Wu Di aus dem zweiten Jahrhundert gefunden wurde, auf Latrinen benutzt wurde, da es zu rau und grob war, um darauf zu schreiben. Nationalgeographic

Keine Grenzen für Religionen

Buddhismus: Wie Perlen an einer Kette reihen sich buddhistische Höhlenheiligtümer aneinander entlang der Seidenstraße. Sie markieren die alten Handelswege, über die auch der Buddhismus nach China gelangte.

Ob Bamiyan in Afghanistan, die Grotten von Dunhuang, die Yungang-Grotten bei Datong und andere Tausendbuddha-Grotten dazwischen. Sie alle sind Zeugen der Geschichte der Seidenstraße in China und Zentralasien. Ja, man kann sogar eine deutliche zeitliche Reihenfolge erkennen, wobei die ältesten im Westen zu finden sind. Dort haben manche Gesichter und Statuen deutliche baktrisch-griechische Züge.

In vielen der erhaltenen Fresken kann man Kleidung aus Indien oder Zentralasien erkennen. Manch ein europäisch anmutendes Gesicht trägt einen dunklen Bart. Gen Osten hin werden die Darstellungen immer eindeutiger Chinesisch geprägt.

Von großer Bedeutung für den chinesischen Buddhismus war im 7. Jh. der Mönch Xuanzang, der entlang der Seidenstraße bis nach Samarkand in Indien reiste. Er brachte nach vielen Jahren bedeutende buddhistische Schriften mit, die er in Xi’an übersetzte. An ihn erinnert vor allem die Große Wildganspagode in Xi’an.

Religionen aus dem Westen

Dem Christentum war eine Verbreitung östlich Kleinasiens – abgesehen von wenigen Ausnahmen – erst mit dem Beginn des Sassaniden-Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr. möglich. Auch wenn es nie zur dominanten Religion in Zentral- und Ostasien wurde, nutzten die Christen nachweislich die alten Handelsrouten, um bis an die chinesische Grenze vorzustoßen.

Bezeklik Buddha-Grotten bei Turfan, an der Seidenstraße in China.
Tausendbuddha-Grotten bei Bezeklik

Zur Zeit des Mongolenreiches war das nestorianische Christentum, das auf den griechischen Theologen Nestorius zurückzuführen ist, in Xi’an angekommen.

Die Verbreitung des Christentums war eher bescheiden im Vergleich zu der des Islams, die die anderer Religionen bei weitem übertraf. Nach dem Tod Mohameds 632 n. Chr. begann sich der Islam schnell über die arabische Halbinsel zu verbreiten. In den nächsten hundert Jahren eroberte er eine alte römische Provinz nach der anderen: Zuerst Syrien, dann Ägypten und ganz Nordafrika.

Bald war auch der westliche Teil der Seidenstraße und damit der transasiatische Handel unter islamischer Kontrolle. Nach der Eroberung des Persischen Reiches setzte sich die Expansion in östlicher Richtung fort.

Zunächst verbreitete sich der Islam in den städtischen Zentren entlang der alten Handelswege wie Samarkand und Buchara, später in den ländlichen Gegenden. Auch in Zentralasien, China, Bengalen und später in Indonesien entstanden islamische Gemeinden, allerdings ohne militärische Eroberung oder politische Absorption.

Id Kah Moschee in Kashgar. Ein islamisches Bauwrk, das deutlich Züge zentralasiatischer Architektur zeigt.
Id Kah Moschee, Kashgar

Auch die Religionen des Zoroastrismus und des Manichäismus − beides Lehren persischen Ursprungs − wurden über die Seidenstraße verbreitet. Die Juden kamen durch den Handel bis nach Xi’an und weiter. Eine kleine jüdische Gemeinde hat sich bis ins 19. Jahrhundert in Kaifeng erhalten.

Antiker Kulturtransfer 

„Von 1902 bis 1914 schickten Forscher Teile buddhistischer Wandmalereien von der Seidenstraße in China nach Berlin – heute im Museum für Asiatische Kunst zu sehen. Durch moderne Analysen der Malereien fand man Pigmente, wie sie auch in den antiken Schriften von Plinius beschrieben sind: Ein weiterer Beleg für den Kulturtransfer an der nördlichen Seidenstraße.“ Das wird genauer untersucht in dem Buch „Mit Plinius auf der Seidenstraße“ von Ulf Palitza.

Der Mensch als Ware

Ein Handelsgut entlang der Seidenstraße waren Sklaven. In alten Gräbern bei Turfan am Rand der Taklamakan-Wüste haben Archäologen interessante Funde gemacht.

Gut erhaltende Hüte und Schuhe haben sich als wahre Fundgrube erwiesen. Denn man hatte einst alte Verträge beim Ausfüttern recycled. Als man diese Dokumente genauer untersuchte, fand man, dass es sich bei einigen um Kaufverträge über Sklaven handelte, die genaue Auskunft über Geschlecht, Herkunft der Sklaven und die Namen der Käufer gaben.

Während der Tang-Dynastie (617 – 907) war besonders der Sklavenhandel aus dem Westen in China so wichtig, dass die chinesischen Kaiser das Möglichste taten, um die Sicherheit der Karawanen zu gewährleisten.

Militärische Garnisonen wurden ausgebaut und die Ausläufer der Großen Mauer an der Taklamakan-Wüste wie Feuersignaltürme instand gehalten. Die Opfer, also die Menschen, die als Sklaven den Händlern folgen mussten, waren häufig Kinder aus armen Familien Zentralasiens. Quelle: Mongols China and the Silk Road

Cannabis und Opium

Ja, auch Rauschmittel wurden über die Seidenstraße gehandel. Teile von Hanfpflanzen aus archäologischen Stätten derselben Region und Zeit waren bekannt, darunter auch ein Leichentuch aus Hanf, das 2016 entdeckt wurde. Allerdings war im jeweiligen Kontakt unklar, ob die vielseitige Pflanze aufgrund ihrer psychoaktiven Wirkung genutzt wurde oder andere rituelle Zwecke erfüllte.

Ein internationales Forscherteam analysierte schließlich die Innenseite und den Inhalt zehn hölzerner Schalen aus Gräbern im Friedhof Jirzankal. Man vermutet, dass Jirzankals Lage auf dem etwa 3.000 Meter hohen Pamir-Plateau das Vorhandensein von wilden Hanfsorten mit einem erhöhten THC-Gehalt begünstigt haben könnte. mehr dazu

Der Apfel und sein Ursprung an der Seidenstraße

Die Wurzeln des modernen Apfels stehen im Tianshan-Gebirge Kasachstans – von hier kommt der Großteil des genetischen Materials, wie Studien gezeigt haben. Der heutige Apfel enthält Spuren von mindestens vier Wildapfelarten.

Über die Seidenstraße begannen die Händler auch den Apfel zu transportieren. Archäologen fanden Apfelkerne in vielen Stätten Eurasiens. Eine Rolle spielte dabei auch die dauerhafte Haltbarkeit der Früchte. Die Sorten vermischten sich miteinander und brachten größere Früchte hervor. Almaty in Kasachstan ist noch heute berühmt für seine Äpfel.

Durch eine genetische Besonderheit, die von Botanikern extreme Heterozygotie genannt wird, variieren nachkommende Generationen von Apfelbäumen in ihrer DNA deutlich stärker als die Pflanzen, welche diese Eigenschaft nicht besitzen. Das ist sicherlich auch ein Grund, weshalb der Apfel sich so gut als Kulturpflanze eignet und seit Jahrtausenden vom Menschen angebaut und gezüchtet wird.

„Der Handel entlang der Seidenstraße hat wahrscheinlich die Entwicklung des Apfels ermöglicht, den wir heute kennen.“, schreibt das Max Planck-Institut für Menschheitsgeschichte. Weiter: „Letztlich scheint der Apfel in unserer Küche seine Existenz ausgestorbenen grasenden Landsäugetieren und den Händlern der Seidenstraße zu verdanken.“

Übrigens kommt heute mindestens jeder 10. Apfel in unserem Supermarkt aus der chinesischen Provinz Shaanxi.

Apfel und Kirschen
Äpfel auf einem Markt in China

Welche Waren aus dem Westen interessierten die Chinesen?

Die Seidenstraße wird nach dem schon von den Römern heißbegehrten Handelsgut aus dem Osten, der Seide, benannt. Doch natürlich ist so ein Handel keine Einbahnstraße. So gelangten aus dem Mittelmeerraum neben Gold auch Glas und Traubenwein nach China.

Wertvolle Dinge aus weit entfernten Ländern waren in den reichen Haushalten Chinas geschätzte Statussymbole. Leider finden die Forscher nur sehr selten 2.000 Jahre altes Glas und anderes in chinesischen Gräbern.

Aus den Steppen Zentralasiens stammten die Pferde, die sehr früh in China zu einem beliebten Handelsgut wurden. Zähigkeit und Belastbarkeit zeichneten die Tiere aus.

Die Katze der Seidenstraße

Bei Ausgrabungen in Kasachstan hat man das vollständige Skelett einer Katze gefunden. Neueste Untersuchungen (2020) zeigen, dass es sich um eine Hauskatze handelt, die von den Nomaden liebevoll gepflegt wurde, und zwar schon vor mehr als 1.000 Jahren.

Die Siedlung Dhzankent, in der die Überreste der Katze gefunden wurden, befand sich an einem alten Handelsweg. Laut der Forscherin Haruda sei der Fund ein Indiz für einen kulturellen Austausch zwischen den Regionen, die an der Seidenstraße lagen. mehr

Katze

Die Pest nahm den Weg über die Seidenstraße

Ich möchte nicht verschweigen, dass auch Krankheiten sich entlang der Handelsrouten verbreiteten.

Das wohl bekannteste und folgenreichste Beispiel ist die Ausbreitung der Pest im 14. Jahrhundert: In den 1330er Jahren brach in China die Beulenpest aus. Die hochansteckende Seuche befiel hauptsächlich Nagetiere und wurde über Flöhe auf den Menschen übertragen.

Lange Zeit trat sie nur in der südchinesischen Provinz Yunnan auf. Im frühen 14. Jahrhundert verbreiteten Mongolenheere infizierte Flöhe von Yunnan aus über weite Teile Chinas.

Von dort aus drang die Beulenpest rasch entlang der alten Seidenstraße vor und erreichte über Handelsschiffe aus Kaffa, Krim, 1348 Mitteleuropa. Vor allem der Transport von Pelzen begünstigte ihre schnelle Verbreitung.

Ich gerate ins Schwärmen

Ich habe das Glück gehabt, zweimal die Routen der Seidenstraße in China bereisen zu können. Es ist ein unglaubliches Gefühl, den Khunjerab-Pass oder das Pamir-Gebirge überwunden zu haben. Ich habe einen Sandsturm in der Taklamakan-Wüste erlebt und die süßen Melonen von Turfan gekostet.

Die Pracht von Städten wie Samarkand und Buchara hat mich überwältigt. Die Tausendbuddha-Grotten von Kizil und Bezeklik haben mich nachdenklich verstummen lassen. Ich bin eingetaucht in die bunten Märkte des Orients, in Osh, Taschkent und Kashgar.

Ich habe mit Bauern auf dem Viehmarkt von Kashgar geplaudert und mit den Frauen in Abidjan getanzt.

Meine Reisen entlang der Seidenstraße haben mir unglaubliche Eindrücke beschert, die ich nie vergessen werde! Ich bin dankbar, dass ich das erleben durfte!

Sonntagsmarkt in Kashgar an der Seidenstraße

Sonntagsmarkt in Kashgar 1992
Zwischen den Fettschwanzschafen, den Ziegen und den kleinen dunklen Rindern fühle ich mich wie mitten in einem Dokumentarfilm. Ich scheine in eine Traumwelt geraten zu sein. So etwas erlebt man doch nicht selbst! So etwas sieht man nur im Fernsehen!

Kashgar an der Seidenstraße in China.
Sonntagsmarkt in Kashgar

Wie im Traum schaue ich den jungen Männern zu, die Pferde probereiten. Mit Sachkenntnis im Blick stehen die würdigen alten Männer am Rand. Staub liegt über dem Gelände. Zwei Männer besiegeln ein Geschäft mit Handschlag. Keiner beachtet mich.

Kamele sehe ich leider nicht. Hinterher sagt mir jemand, dass nicht jeden Sonntag Kamele verkauft werden. Außerdem werden Kamele nicht mehr so oft wie früher gebraucht, weil es weniger Nomaden gibt.

Wiegen Sonntagsmarkt in Kashgar

Funfact: Die oben gezeigten Wiegen haben ein Loch, das dem Abfluss des Baby-Urins diente. Dazu gehörte ein ganzes System von Löchern, bis die Flüssigkeit im Töpfchen unter der Wiege landete. Zunächst nahm ein hölzernes Rohr, Schumak genannt, das Urin auf, leitete es durch Löcher in Kleidung und Matratze, bis es schließlich an seinem Bestimmungsort landete. Noch heute schwören die Mütter in Zentralasien und Westchina darauf.

Fasziniert gehe ich weiter. In der „Obstabteilung“ werden getrocknete Früchte angeboten. Die Aprikosen kommen aus dem Hunza-Valley in Pakistan. Rosinen in vielen Farben und Größen aus der Umgebung von Turfan. Riesige Berge von Wassermelonen und gelben Hami-Melonen säumen eine Gasse. Der ganze Markt ist ein endloses Farbenspektakel. Auch Möbel und Kinderwiegen werden hier verkauft.

Aktueller Bericht von Kashgar 2022 von Familie Hilgers

Will mich unter Hirten mischen,
An Oasen mich erfrischen,
Wenn mit Karawanen wandle,
Schal, Kaffee und Moschus handle;
Jeden Pfad will ich betreten
Von der Wüste zu den Städten

Goethe

Westöstlicher Diwan

Marco Polo, der legendäre Reisende

Auch der berühmte Venezianer Marco Polo reiste im 13. Jahrhundert auf den alten Wegen der Seidenstraße durch Zentralasien bis nach China. Er brachte so erstaunliche Geschichten aus fernen Ländern mit, dass manche Menschen heute noch bezweifeln, dass er wirklich nach China kam. Zum Beispiel:

Die weitere Reise führte über die Orte Ischkaschim, Qala Panja, 1274 über die am Westrand der Sandwüste Taklamakan gelegenen Stadt Kaschgar weiter entlang der Südroute der sich dort aufzweigenden Seidenstraße auch zur Oasenstadt Nanhu.

Marco Polo berichtet hier von „Geistern, die einen Nachzügler fortlocken konnten, indem sie ihn mit Stimmen riefen, die denen seiner Gefährten täuschend ähnelten. Und nicht selten meinte man, verschiedene Musikinstrumente, besonders Trommeln, zu vernehmen“. Heute wird als Ursache für solche Sinnestäuschungen der durch die Dünen wehende Sand oder pfeifender Wüstenwind angenommen. Wikipedia

One Belt, One Road

Unter dem Motto „One Belt, One Road“ erlebt die Seidenstraße im 21. Jahrhundert eine neue Blütezeit.

„Das Projekt One Belt, One Road (OBOR, chinesisch 一帶一路 / 一带一路, Pinyin Yīdài Yīlù ‚Ein Gürtel, eine Straße‘) beziehungsweise Belt and Road Initiative (BRI) bündelt seit 2013 die Interessen und Ziele der Volksrepublik China unter Staatspräsident Xi Jinping zum Auf- und Ausbau interkontinentaler Handels- und Infrastruktur-Netze zwischen der VR China und über 60 weiteren Ländern Afrikas, Asiens und Europas.

Die Bezeichnung Neue Seidenstraße (新丝绸之路, Xīn Sīchóuzhīlù) stellt die Verbindung zur historischen Seidenstraße her – wie auch beispielsweise beim Konkurrenzprojekt Verkehrskorridor Europa-Kaukasus-Asien (TRACECA).“ (Wikipedia)

Seidenstraße zur See

Auch wenn ich hier schwerpunktmäßig über die Seidenstraße, die über Land führte, schreibe, möchte ich erwähnen, dass zunehmend von einer Seidenstraße zur See gesprochen wird.

Maritimes Museum Dschunke aus Elfenbein

Seit uralten Zeiten hat der Handel auch per Schiff von Südchina entlang der Küsten Südasiens bis nach Arabien und Afrika stattgefunden. Zeugnisse davon sind z.B. Porzellanscherben aus China, die an der Küste Ostafrikas gefunden wurden.

Der legendäre chinesische Seefahrer Zheng He hat um 1500 einige Fahrten mit mehreren Hundert großen Dschunken, den sog. Schatzschiffen, entlang der Küsten Südostasiens und Indien im Auftrag des chinesischen Kaisers durchgeführt.

Nachdem sich China im 15. Jahrhundert für einige Hundert Jahre dem Kontakt mit dem Ausland verschloss, kam der Handel bis in den Orient, vor allem der Seehandel, zum Erliegen.

Buchempfehlungen zur Geschichte der Seidenstraße

Mit Plinius auf der Seidenstraße von Ulf Palitza
Studien zur Farbenfabrikation und Maltechnik der Antike

All About History Edition: Die Geschichte der Seidenstraße von Oliver Buss
So veränderte das Geheimnis der Seide die Welt für immer.

Impressionen

Samarkand - Schah-e Sende
Samarkand
Buchara - Reiher an der Fassade
Turfan Basar
Seidenkokons werden ausgekocht
Jurte am Pamir Highway in Kirgistan -Seidenstraße.
Bevölkerung China: In Kashgar Minderheiten
Kashgar 1992
Eierverkäufer in de Handwerkergasse
Yungang Grotten Felswand
Yungang Grotten bei Datong
Ulrike
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9 Gedanken zu „Märchenhafte Seidenstraße – Geschichte und Geschichten“

  1. Wow! Das ist ja ein ganzer Reiseführer! Mit so vielen Infos und diesen ganzen schönen einzelnen Geschichten! Toll gestaltet! Die Seidenstraße hat so viele Facetten, und da Wüsten und Berge meine Lieblings-Landschaften sind, zieht es mich schon lange da hin und ich verpasse auch im TV keine Doku darüber. Vielen Dank für diese ganz individuellen Einblicke!
    Liebe Grüße
    Angela

  2. Danke! Viele Völker Zentralasiens sind ja eng verbunden mit der Türkei. Ich hab nicht wirklich alle Schreibweisen für „Chai“ aufgelistet. Aber so kann man gut sehen, welchen Weg der Tee bis zur Türkei genommen hat.
    Beste Grüße
    Ulrike

  3. Hallo Ulrike.
    Erst mal danke für diesen schönen Bericht.
    Nebenbei wollte ich nur kurz anmerken, dass Tee nicht nur in Indien heute noch „chai“ genannt wird sondern auch in der Türkei, und zwar „Çay“ (Tschai). Und dank dir weiss ich jetzt auch warum die Stadt in Kasachstan Almaata (türkische Schreibweise) heisst. Ich wusste zwar, da ich ja Türke bin, das Alma Apfel bedeutet (in der Türkei mittlerweile „Elma“), und Ata Vorfahre bzw. Ahn, Vater, Ursprung etc., aber nicht das der Apfel ursprünglich aus dieser Region stammt.
    Auch auf die Gefahr hin, dass du das alles schon weißt 🙂

  4. Hallo Marius!
    Danke für Deinen Kommentar!
    Ich freue mich, wenn die Welt weiter zusammenwächst. Ich freue mich über den Austausch nicht nur von Waren sondern auch von Ideen, Kultur und Freundschaft. Im Moment beobachte ich erstmal die Entwicklung. Bin schon gespannt auf den Moment, wo man auch als Reisender einen Zug von Hamburg bis Peking nutzen kann.
    LG
    Ulrike

  5. Aktuell kann man ja fast täglich etwas Neues über die „Neue Seidenstraße“ in den Medien lesen und sehen. Deine Meinung dazu würde mich interessieren – wie stehst du dazu? Viele Grüße!

  6. Toll geschrieben Ulrike. Mein Sohn wurde dort geboren und deshalb fasziniert mich gerade diese Gegend. Sie liest sich ein wenig wie der Bericht eines Fantasy-Romans, so exotisch und farbig. Sehr gerne würde ich in einigen Jahren diese Reise selbst machen.

  7. Bilder und Berichte über die Seidenstraße sind stets viel, viel Wasser auf die Mühlen meiner Phantasie! Tausend Dank dafür, liebe Ulrike.
    Es gibt übrigens eine neue und zweiteilige Doku über die neue Seidenstraße, sie wurde vor einigen Wochen erst ausgestrahlt, und findet sich bestimmt noch in der Mediathek.
    Liebe Grüße!

Ich freue mich auf Deinen Kommentar!