Die Zikade: Steckbrief eines faszinierenden Insekts

Meistens hört man sie nur. Selten bekommt man sie zu Gesicht. Zikaden! Sie sind überall. Ihr lautes Sägen ist unüberhörbar, viel lauter und eindringlicher als so eine europäische Grille!

In China wurden und werden Zikaden auch heute noch in hübschen Käfigen als Haustiere gehalten. Erinnert Ihr Euch, wie in dem Film „Der letzte Kaiser“ der alte Eunuch dem kleinen Puyi eine Zikade zeigt, die den Jungen fasziniert? Schnell verschwindet sie im Thron. Als Puyi als alter Mann sich noch einmal auf den Thron setzt, tönt ihr lauter Gesang und sie zeigt sich kurz. Was für eine bewegende Szene!

Zikade in China. So sieht das lebendige Insekt aus.
Zikade

Die Zikade

Zikade
Wikipedia

蝉 • chan = Zikade, Singzikade

Die Tiere wirken eher unscheinbar mit ihrer braunen Farbe, die sie wie altes Laub oder Baumrinde aussehen lässt. Eigentlich sind sie nur so groß wie normale Insekten, aber es gibt auch Arten, die um die zehn Zentimeter lang werden.

Die Weibchen haben einen mehr oder weniger langen Legebohrer (Ovipositor), der den Hinterleib spitz erscheinen lässt. Dagegen ist der Hinterleib der Männchen stumpf abgerundet und je nach Art unterschiedlich getönt. Die Flügel sind durchsichtig und ragen über den Körper hinaus. Manche sollen eine Spannweite von mehr als 20 Zentimeter erreichen!

Besonders auffallend sind die großen Augen, die auch immer wieder bei künstlerischen Darstellungen betont werden.

Sie ernähren sich von Pflanzensäften, die sie aus Blättern oder jungen Baumstämmen saugen. Mit dieser vegetarischen Ernährung können sie bis zu 17 Jahre alt werden.

Der seltsame Lebenszyklus

Die Zikade und die Primzahl
Singzikaden paaren sich nur alle 13 oder 17 Jahre. Das hat vielen Forschern lange Zeit ein Rätsel aufgegeben. Warum ausgerechnet 13, warum 17? Der Grund ist: Die meisten Feinde der Singzikaden pflanzen sich in einem Rhythmus von 2, 4 oder 6 Jahren fort. Hätten die Zikaden nun den gleichen Zyklus, würden zu viele von ihnen den hungrigen Jungtieren zum Opfer fallen. Bei einem Zyklus von 13 oder 17 Jahren ist die Chance, zu überleben, ungleich höher. Tierchenwelt

Durch den „Gesang“ angelockt, treffen die Weibchen auf die Männchen. Dann kommt es zur Paarung, zu der sich häufig sehr viele Tiere zusammenfinden. Anschließend legen die Weibchen rund 500 Eier, die sie an Blätter und Pflanzenstängel ankleben.

Nach fünf bis acht Wochen schlüpfen die Larven und fallen zu Boden. Nun leben sie mehrere Jahre in der Erde, währenddessen sie sich mehrmals häuten. Schließlich krabbeln sie wieder an die Erdoberfläche und hinauf auf die Bäume. Dort entwickelt sich innerhalb von kurzer Zeit das Vollinsekt.

Dieser faszinierende Lebenszyklus und ihr Gesang sind seit uralten Zeiten von großer Bedeutung für die Chinesen.

Woher kommt der Gesang?

Wikipedia: „Die Männchen besitzen ein Trommelorgan (Tymbal) an den Seiten des ersten Hinterleibssegmentes, hinter dem Ansatz der Hinterflügel. Durch ansetzende Muskeln (Singmuskel) werden nach außen gewölbte, durch Rippen verstärkte Schallplatten in Schwingungen versetzt. Diese liegen frei (Tibicininae) oder sind durch einen von der zweiten Rückenplatte des Außenskelettes (Tergit) ausgehenden Schalldeckel bedeckt (Cicadinae). Das Geräusch entsteht durch Eindellen (Muskelzug) und Zurückspringen (Eigenelastizität). Direkt unter dem Singmuskel sorgt ein großer Luftsack im hohlen Hinterleib für die notwendige Resonanz.

Mit Hilfe dieser Organe können Laute bis 900 Hertz und Lautstärken bis 120 dB erzeugt werden. Auf der Abdomenunterseite beider Geschlechter befinden sich Gehörorgane (Tympanale), deren paarigen Organe aus einer hauchdünnen Membran besteheb, die Schwingungen aufnimmt. Zusätzlich zu den speziellen Trommelorganen besitzen einige Vertreter der Familie weitere Stridulationsorgane, bei denen zwei Teile aneinander gerieben werden und Schall erzeugen.“

Sinnbild für Wiedergeburt und Unsterblichkeit

Die Zikade steht in China für den Beginn des Sommers, denn dann krabbeln die Larven ans Tageslicht und die erwachsenen Tiere treffen sich zur Paarung. In dieser Zeit erklingt ihr Gesang überall.

Doch darüber hinaus bildet der ungewöhnliche Lebensrhythmus die Grundlage dafür, dass die Zikade als Symbol für Wiedergeburt wurde. Erst verschwinden die Insekten mysteriös im Erdboden, um dann nach langer Zeit wieder aufzutauchen.

In 2.000 Jahre alten Gräbern in China wurden Zikaden aus Jade gefunden. Ein alter Brauch veranlasste die Menschen, ihren Toten diese Objekte auf die Zunge zu legen, um den Wunsch nach einer guten Wiedergeburt und nach Unsterblichkeit zu unterstützen. Jade, als Stein der Unsterblichkeit, verstärkte dies.

Zikade aus Jade
Zikade aus Jade

Zikade als Sinnbild für Reinheit

Die Chinesen schätzen die Insekten sehr. Auch, weil das Leben der Zikaden sie inspiriert, in ihnen ein Symbol der Reinheit zu sehen. So leben die Zikaden einfach und ernähren sich von Pflanzensaft. Dass sie nur vom Morgentau leben, sagen manche. Nach dem Leben tief in der Erde bewegen sie sich in den Höhen der Bäume, sauber und immer an der frischen Luft.

Ein chinesisches Sprichwort besagt, dass hohe Beamten wie Zikaden sein mögen: In luftiger Höhe leben, eine einfache reine Diät zu sich nehmen und alles mit offenen Augen beobachten. Letzteres basiert sicher auf den großen Augen der Zikaden.

Häufig verzierten goldene Zikaden die Kopfbedeckung von Herrschern und Adligen, um an diese eben genannten Tugenden zu erinnern. Quelle: https://asia.si.edu/cicadas/

Die Zikade in der Traditionellen Chinesischen Medizin

蝉蜕 • Chan Tui = Cicadae Periostracum = Der Zikadenpanzer

Im Sommer werden die leeren Panzer der Zikaden gesammelt und zu Pulver verarbeitet.

Chan Tui gilt als „kaltes“ Element in der TCM und wird vor allem zum „herabkühlen“ bei gesundheitlichen Problemen der Leber und der Lunge verwendet. Sie hat folgende Wirkungen lt. https://www.therapeutika.ch/Chan+Tui

1 Wind-Hitze eliminieren
Fieber, Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Pharyngitis, Laryngitis, Heiserkeit
Hautausschlägen mit Juckreiz
Klärt die Augen und löst oberflächliche Sehtrübungen:

2 Inneren Wind unterdrücken
Löscht Wind und stoppt Spasmen:
Fieberkrämpfe

Fun-Facts

ToulouhouToulouhou

In China gibt es ein kleines Instrument, das bei Kindern beliebt ist: An einer Schnur wird ein Kästchen durch die Luft geschwungen und erzeugt dabei ein Geräusch, das an den Gesang der Zikade erinnert. Deshalb wird es auch „Zikade“ genannt. Manchmal sind die Döschen mit einer Zikade verziert.

Zikaden kann man essen

Zikaden kann man essen. Sie enthalten hohe Protein-Werte und sind in der neuen Ernährung eine gute Alternative zu Fleisch. Es heißt, dass sie leicht nussig schmecken.

Rezept: In etwas Öl braten mit Zwiebeln und einer Prise Salz. Soll sehr gut schmecken!

Zirpende Regenwürmer

Ein Blick nach Japan: Das Zirpen der Maulwurfsgrille (kera) wurde in Japan lange Zeit fälschlicherweise dem Regenwurm (mimizu) zugeschrieben, da beide in nahezu der gleichen Umgebung lebten. Daher begegnet uns die Vorstellung, Regenwürmer hätten eine zirpende Stimme (mimizu naku), in Gedichten und Volkserzählungen. Quelle: Japanisches Generalkonsulat Düsseldorf

Gottesanbeterin-Kungfu

Babu Tang Lang oder auch 8 Stellungen/Schritte Gottesanbeterinnen Kung Fu ist ein Substil des Gottesanbeterinnen Kung Fu (Tang Lang Quan). Vor ca. 350 Jahren wurde das Tang Lang System von dem Shaolin Mönch Wang Lang entwickelt.

Der Legende nach beobachtete er einen Kampf zwischen einer Zikade und einer Gottesanbeterin und war von den schnellen, kraftvollen Attacken des Insekts beeindruckt. Wang Lang übernahm die Bewegungen einer Gottesanbeterin, kombinierte sie mit anderen Elementen der nordchinesischer Kampfkünste und der Beinarbeit aus dem Affen Kung Fu und schuf so das Tang Lang Quan.

Schönste Orte Verbotene Stadt, Wachturm, der einem Grillenkäfig ähnelt.
Wunderschön: Dieser alte Wachturm auf der Mauer der Verbotenen Stadt

Die Wachtürme der Verbotenen Stadt

Die Legende vom Grillenkäfig
Als sich die Fertigstellung des Kaiserpalastes 1420 näherte, wünschte Kaiser Yongle, dass die Mauer von vier ganz besonderen Wachtürmen gekrönt werden sollte. Neben einigen architektonischen Vorgaben wurde festgelegt, dass die Türme innerhalb von drei Monaten fertig sein müssten.

Das war eine große Herausforderung. Es heißt, dass einige Architekten ihr Leben verloren, weil dem Kaiser die Entwürfe nicht gefielen.

Schließlich fiel die Aufgabe einem jungen nicht sehr erfahrenen Mann zu. Der Mann hatte schreckliche Angst und lief voller Sorge durch die Straßen. An einer Ecke begegnete er einem alten Mann, der Grillen in kleinen zarten Käfigen verkaufte.

Nachdenklich betrachtete der junge Architekt den Käfig. Der Gesang der Grille brachte seine Sorgen zur Ruhe. Da kam ihm die Idee, seinen Entwurf für die Wachtürme genau wie einen Grillenkäfig zu gestalten!

Als er schließlich voller Angst dem Kaiser seinen Entwurf vorlegte, war Yongle entzückt. Die Wachtürme wurden genauso erbaut und der junge Mann fürstlich belohnt.

Grillen und Zikaden werden gerne gleichgesetzt. Eigentlich müsste es wohl „Zikadenkäfig“ heißen.

Heute sehen die meisten Grillenkäfige so aus:

Zikadenkäfig

Schädling

Nicht vergessen möchte ich, dass die Zikade durch ihre Lebensweise auch als Schädling gilt, jedenfalls einige Arten. Auf Mein schöner Garten findet man u.a. folgendes:

„In Deutschland gibt es etwas über 600 Zikadenarten, von denen allerdings nur etwa 30 Arten Pflanzenschädlinge sind.“

Interessantes über Insekten

噤​若​寒​蝉  jìn ruò hán chán

Stumm wie eine Zikade im Winter = Schweigen wie ein Grab

Chengyu – Chinesische Redewendung

Zikaden im Neuen Museum, Berlin.
Übrigens waren die Zikaden auch auf Zypern in der Antike beliebt. Hier im Neuen Museum Berlin.

Ulrike

2 Gedanken zu „Die Zikade: Steckbrief eines faszinierenden Insekts“

  1. Für mich ist China das faszinierendste Land überhaupt. Ich besuchte es 1994 2007 und 2015. die Verwandlung und der Fortschritt sind atemberaubend. Wir warten schon auf eine Einreiseerlaubnis !!! Liebe Grüße Regina

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