Sanft streiche ich über die glatte Oberfläche des kleinen Jade-Drachen. Ich bewundere die fein herausgearbeiteten Details des Kopfes, seine milchig weißgrüne Farbe. Die Figur fühlt sich nicht kalt wie Stein an. Sie scheint sich zärtlich in meine Handfläche zu kuscheln.
Für mich ist dies wirklich ein Stein der Unsterblichkeit, denn der Drache ist ein Andenken an meinen verstorbenen Mann, vor Jahren für ihn mitgebracht aus dem fernen China.
Jade ist ein in China seit Jahrtausenden äußerst beliebtes Mineral. Seine durchscheinend wirkende Oberfläche, sein weites Farbspektrum von leuchtendem Weiß bis zu einem intensiven Grün faszinieren den Menschen.
Jade hat in der chinesischen Spiritualität schon früh eine große Rolle gespielt. Warum und wie verrate ich Euch hier.
Jade in China und seine Bedeutung
Jade heißt auf Chinesisch 玉 Yù, Dieses Schriftzeichen setzt sich aus dem für „König“ 王 und einem kleinen Strich als Verzierung zusammen. Damit wird klar gesagt, dass Jade der Schmuck der Könige ist. Es soll rund 500 verschiedene Schriftzeichen in China für das Mineral und seine Farbtöne geben.
„Tse-Gung sprach zu Konfuzius: ‚Erlaubt mir zu fragen, warum Jade so sehr geschätzt wird und Alabaster nicht. Liegt es daran, dass Jade so selten ist, während Alabaster häufiger vorkommt?‘ Konfuzius antwortete darauf: ‚Wenn die Weisen in alter Zeit sich wenig aus Alabaster machten, die Jade hingegen hochschätzten, hat dies nichts damit zu tun, dass Alabaster oder Jade häufig oder selten vorkommt, sondern liegt darin begründet, dass die Weisen ihre Tugend mit Jade verglichen:
Sie steht für Mitmenschlichkeit, weil sie sich mild und weich anfühlt. Sie steht für Wissen, da ihre Maserung fein, dicht und widerständig ist. Sie steht für Rechtschaffenheit, weil sie zwar am Körper herabhängt, ihn aber nicht verletzt. Sie steht für angemessenes Benehmen, da sie – vom Gürtel herabhängend – sich bis hinunter auf den Boden zu beugen scheint.
Sie steht für die Musik, weil sie klare und langanhaltende erhabene Klänge von sich gibt, welche abrupt enden. Sie steht für Loyalität, da ihr Glanz weder Unvollkommenheit verschleiert, noch selbst von Unvollkommenheit verschleiert wird. Sie steht für Vertrauen, weil ihre guten inneren Eigenschaften von außen sichtbar sind.
Sie steht für den Himmel, indem sie einem weißen Regenbogen gleicht. Sie steht für die Erde, da sie die in Bergen und Flüssen innewohnenden Kräfte verkörpert. Sie steht für die Tugend, wie auch die bei Audienzen verwendeten Ritualjade-Gegenstände. Sie steht für den Weg der Tugend, weil es auf Erden niemanden gibt, der sie nicht schätzt.‘“
Buch der Riten
Was ist Jade?
Jade ist eher ein Oberbegriff für ein Mineral als solches. In China ist damit etwas anderes gemeint als z.B. in Europa. Das Mineral Jadeit wird in China als Jade bezeichnet. Oder aber auch der Nephrit. In der Regel ist es ein grüner Schmuckstein, der fast durchscheinend wirkt. Ich bin kein Mineraloge, deshalb kann ich hier gar nicht so genau drüber schreiben. Auf Wikipedia findet Ihr einen ausführlichen Artikel über die Jade: mehr
Das Mineral ist vulkanischen Ursprungs. Es gibt Jade in vielen Schattierungen. Doch überwiegt die grüne Farbe, von einem fast weißen Ton bis hin zu strahlendem, fast wie Glas wirkendem Grün.
Mich hat Jade immer sehr fasziniert. Und ich habe es von Anfang an mit China verbunden. Doch es gibt die entsprechenden Mineralienvorkommen zum Beispiel auch in Amerika.
In China findet man seit vorgeschichtlichen Zeiten Jade vor allem in der Provinz Xinjiang im Gebiet um die alten Städte Khotan und Yarkant. Doch auch am Yangtze hat man Jadevorkommen in den Flüssen gefunden.
Jade in China
Schon seit Jahrtausenden wird Jade in China verwendet. Vor allem als Schmuck, der in religiösen Zeremonien verwendet wird. Es heißt, dass Jade die Verbindung zwischen Menschen und Göttern herstellen kann.
Vor wenigen Jahren stand ich fasziniert im Museum von Sanxingdui, wo sich schier endlos feinste polierte Jade-Objekte aneinander reihten. Zum Teil mehr als 3.500 Jahre alt! Die Objekte, wie u.a. Zeremonialbeile und Schmuckpaletten, zeugen von einer außerordentlichen Kunstfertigkeit und von hoher Wertschätzung.
Der Höhepunkt des Steins in der Beliebtheit bei Riten und Totenkult kam während der Han-Dynastie (206 v.Chr. bis 220 n.Chr.). Damals verwendete man gerne Jade, die man aus Hotan in West-China herbeischaffte.
Stein der Unsterblichkeit
Immer wieder werden bei den Grabausstattungen wohlhabender Menschen und vor allem der Kaiser der Han-Dynastie vor 2.000 Jahren Unmengen an Objekten aus dem schönen Mineral gefunden.
Jade lässt sich gar nicht so einfach bearbeiten. Chinesische Jade ist sehr hart. Umso beeindruckender sind die uralten, mit feinen Verzierungen versehenen Zeremonialobjekte und Schmuckstücke.
Besonders haben mich dabei die aus Hunderten Jadeplättchen gefertigten Totenanzüge beeindruckt. Zunächst habe ich gedacht, dass so etwas einmalig war, der größenwahnsinnige Wunsch eines Kaisers.
Aber mittlerweile habe ich einige Jadegewänder in den Museen in China gesehen. Natürlich gibt es auch im Nationalmuseum in Peking eines zu bestaunen.
Diese Totenanzüge sollten den Körper vor dem Verfall schützen. Die Jade verdeutlichte Status und Reichtum der beerdigten Person. Sie waren aus unzähligen Plättchen hergestellt und mit feinen Goldfäden (bei Kaisern) verbunden. Für Prinzen und Prinzessinnen bestanden die Verbindungen aus Silberfäden.
Der Historike Sima Qian (145 – 86 v.Chr.) beschreibt eine Jade-Tasse des Kaisers Wu der Han mit der Inschrift „Langes Leben dem König“. Ausserdem soll der Kaiser gerne ein Elixir aus Jade-Pulver zu sich genommen haben.
Ein weiteres Totenritual war es, die Körperöffnungen des Leichnams mit Jadeobjekten zu verschließen. Auf oder in den Mund legte man dabei gerne eine Zikade. Die Zikade galt im antiken China als Symbol für Unsterblichkeit und Wiedergeburt.
Vor allem in den frühen Zeiten spielten Gegenstände aus Jade in China bei religiösen Ritualen eine große Rolle. Dem Stein werden auch heilende Wirkungen zugesprochen, u.a. bei Nierenleiden. Die moderne Esotherik nutzt Jade und assoziiert magische Kräfte mit dem grünen Stein.
Techniken der Bearbeitung von Jade
Am Anfang polierten die Künstler/Handwerker die Jade leicht und vorsichtig mit Holz oder mit Sand durchsetztem Leder. Dies führte dazu, dass man an den meisten Ornamenten die Form der dünnen, gesägten Platten des Hauptblocks erkennen konnte.
Einen so harten Stein wie Nephrit (Jade) mit solch primitiven Werkzeugen zu bearbeiten begünstigte natürlich nicht die Stilfreiheit, dennoch entstanden Kunstgegenstände von bewundernswerter Qualität. Die besondere Zähigkeit der Jade erzwang eine Schematisierung, die zu einem kunstvollen, auf das Wesentliche reduzierten Ergebnis führte.
Schon im vierten Jahrhundert vor Christus konnte man dann mit Hilfe von einfachen Dreh- und Schneidewerkzeugen aufwendige und kunstvolle Formen schleifen sowie Bronzemodelle nachahmen.
Jade als Schmuck und Souvenir
Erst in den letzten Jahrhunderten wurde Jade in China auch als Schmuck beliebt. Jade gilt als Symbol für das Gute, Kostbare und Schöne. Überall kann man schöne Ketten und Anhänger als Souvenir erwerben. Doch sollte man aufpassen: Es gibt viele Fälschungen aus Glas.
Steine, die wie in dem Foto einen starken Weiß-Grün-Kontrast zeigen, sind äußerst beliebt in China. Sie sind aber leicht aus Glas herzustellen. Deshalb immer aufpassen!
Nìng wéi yù suì, bù wèi wǎ quán.
Besser ein Stück zerbrochener Jade als einen vollständigen Ziegelstein.
Besuch in einer Jade-Werkstatt
Bei vielen organisierten China-Rundreisen ist der Besuch einer Jade-Werkstatt vorgesehen. Natürlich geht es darum, die gezeigten Stücke zu verkaufen. Doch so eine Verkaufsveranstaltung bietet auch die Möglichkeit, etwas über das edle Mineral zu lernen und einem Handwerker beim Schleifen und Polieren über die Schulter zu schauen.
Hier kann man sicher sein, dass die angebotenen Stücke echt sind. Es ist auch durchaus möglich und erlaubt, über den Preis zu handeln.
Wie wertvoll ist Jade?
Der Preis für ein Schmuckstück aus Jade variiert und ist vor allem auch von der Arbeit, die in der Fertigung steckt, abhängig. Der Stein selbst ist relativ preiswert. Allerdings gab es auch Zeiten, in denen vor allem leuchtend grüne Jade wertvoller als Gold geschätzt wurde.
Jade kostet zurzeit 0,81 USD pro Gramm (2020). Verarbeitet wird sie zunehmend als Wertanlage attraktiv. Der weltgrößte Jadestein hat einen Wert von unglaublichen 170 Mio. USD. Quelle
Natürliche Jade, chemisch behandelte Jade und Serpentin
Durch das Einspritzen von Polymeren kann man Jade chemisch behandeln, um ihren Glanz oder ihre Transluzenz zu verbessern. Es bleibt jedoch ein natürlicher und authentischer Jadestein.
Weiterhin besteht die Möglichkeit, die Jade zu färben. Einige dieser Behandlungen können im Laufe der Zeit sogar die Haltbarkeit von Jade verschlechtern z.B. durch Licht oder die Verwendung von Reinigungsmitteln.
Schließlich gibt es einige Natursteine wie Serpentin, die zwar wie Jade aussehen, aber weder die Eigenschaften noch die Härte besitzen. Wenn sie geschnitzt und unter ihrem Namen vermarktet werden, handelt es sich auf keinen Fall um Fälschungen. Anders ist es, wenn sie als Jade und zum Preis von Jade verkauft werden.
Jade als Heilstein in Deutschland
Auch in Deutschland sind mit der zart schimmernden Jade besondere Bedeutungen verbunden. Dem Heilstein Jade werden gute Wirkungen auf Harmonie und inneres Gleichgewicht zugeschrieben. Er soll Lebenslust, Freude und Aufgeschlossenheit schenken. Auf der anderen Seite bringt der Heilstein seinen Träger auch dazu abzuschalten, ruhiger zu werden und inne zu halten.
Jade wirkt auf alle Sinne ausgleichend. Dem Stein wird nachgesagt, dass er Freundschaft in Liebe umkehrt, denn die eigene Harmonie strahlt oft auch auf die Umgebung aus. Dieser Heilstein fördert die geistige Beweglichkeit, stärkt den Mut und die Persönlichkeit und kann außerdem Ängste sowie Beklemmungen lösen. Außerdem heißt es von der Jade, sie fördere das Talent zur Deutung von Träumen und könne durch Auflegen auf die Stirn beim Einschlafen helfen.
Funfact: Jade wird dem Sternzeichen Waage zugeordnet.
Links
- Sanxingdui Alte Jade aus dem geheimnisvollen Reich Shu
- Jinsha Faszinierende Schätze, nicht nur aus Jade
- Xuzhou Totenkleider aus Jade
- Die Farbe Grün und ihre Bedeutung
- Musee Guimet in Paris
- Die Zikade in China
- Aberglauben in China
Jade der Han auf Heritage Daily
Einen schönen Artikel über die Bedeutung der Jade während der Jungsteinzeit in Europa findet ihr auf dem Blog von Miss Jones.
Der Artikel entstand im September 2918 und wurde im November 2022 total überarbeitet.
- Backpacker: Hände weg vom Alkohol unterwegs! - 18. Januar 2025
- Archäologie in China – China Nachrichten - 17. Januar 2025
- Frauenmuseum Wiesbaden - 12. Januar 2025
Lieber Jörg,
danke für deinen KOmmentar! Ich freue mich, dass die Jade so eine tolle wirkung für dich hatte!
Beste Grüße
Ulrike
Liebe Ulrike,
richtig toller Beitrag. Ich habe damals einen Jadeanhänger von einem Mönch bekommen, der meinte er wird mir mein Leben lang Glück bringen. Und was soll ich sagen, ab dem Zeitpunkt hatte ich endlich „Glück“. Lag es an dem Stein, oder an dem festen Glauben 🙂 Jedenfalls liebe ich seitdem Jade. Danke für die tollen Fotos!
LG
Jörg
Hallo Christoph!
Ich war vor vielen Jahren auch in Taipeh und habe besagten Kohl gesehen. Ich war sehr beeindruckt!
LG
Ulrike
Vielen Dank für den lesenswerten Bericht. Und das Schriftzeichen für Yù werd ich mir nun auch merken können. 😉
Wie unterschiedlich Jade doch aussehen kann: Fast wie grüner Marmor oder wie Glas.
Hast du den prachtvollen Jadekohl im nationalen Palastmuseum in Taipeh schon sehen können?
Wirklich toll! 🙂
Beste Grüße nach Hamburg sendet Dir
Christoph