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In Sanxingdui bei Chengdu haben Archäologen riesige Bronzemasken, feinste Jadeobjekte und seltsame Figuren ausgegraben. Wer hat sie hergestellt? Welche Bedeutungen haben sie? Ich stelle Euch eine der größten archäologischen Sensationen der letzten hundert Jahre vor!
Die unheimlichen Masken von Sanxingdui
Große runde oder exotisch schräge Augen, lange krumme Nasen, schmale Lippen: Ernst gucken mich diese Gesichter aus einer anderen Welt heraus an. Fremd, fast unheimlich scheinen diese Blicke mich zu verfolgen. Grün und golden mit starren Gesichtszügen sehen sie aus wie Aliens.
Sie wirken so unchinesisch und doch bin ich hier an einer Stelle, von der man sagt, dass sie die Geschichte Chinas erhellt und neue Aspekte in die Forschung um die Ursprünge Chinas hineinbringt. Sanxindui bei Chengdu, der Drei-Sterne-Hügel, steht für eine der beeindruckendsten Ausgrabungen des 20. und 21. Jahrhunderts.
三星堆 • Sānxīngdui = Drei Sterne Hügel
Aufregende Entdeckungen
1929 entdeckte ein Bauer in dem Dorf nahe bei Chengdu, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Sichuan, beim Brunnen bauen einen Hort unglaublich schöner Jade-Artefakte. Archäologen sahen schon früh darin den Hinweis auf ein untergegangenes antikes Königreich. Dies Mysterium führte jahrzehntelang zu immer wieder neuen Ausgrabungen. Doch lange fand man – nichts.
Bis 1986, als Arbeiter zufällig auf die zwei großen Gruben stießen, die zur Sensation wurden. Tausende Kunstwerke aus Jade und Bronze kamen ans Tageslicht. Alle zerbrochen, verbrannt und dann anscheinend sorgfältig beerdigt. Darunter die seltsamen Masken, Zeremonialbeile aus Jade und Bronzetiere. Auch ein riesiger Altar, zu dessen Füßen anscheinend bronzene Fabeltiere wachten, wurde ausgegraben. Einzigartig die Figur eines mehr als lebensgroßen Mannes aus Bronze.
Es sah völlig anders aus als alles, was man bislang in China gefunden hatte. Die enorm großen Masken, eine ist 1,32 m breit und 0,72 m hoch, stellten die Forscher vor Rätsel. Nur eine ausgeklügelte Technik bei der Herstellung der Bronze konnte es möglich gemacht haben, dass diese riesigen Masken überhaupt hergestellt werden konnten.
Die großen Masken waren nicht zum Tragen durch Menschen geeignet. Forscher nehmen an, dass sie an Pfeilern befestigt waren und zur Erinnerung an geschätze Vorfahren oder auch an Götter gedacht waren. Schriftliche Zeugnisse gibt es aus dieser Zeit nicht.
Das geheimnisvolle Königreich Shu
Erste Schätzungen deuteten auf ein Alter von bis zu 4.500 Jahren hin. Genauere Untersuchungen ergaben eine Datierung um ca. 1.200 vor unserer Zeitrechnung. Damit gelangt man in die Zeit der Shang-Dynastie, deren Zentrum sich am Gelben Fluss befand. Dort soll einst die Grundlage für die chinesische Kultur entstanden sein. Sanxingdui befindet sich rund 1.400 Kilometer weit weg vom Gelben Fluss, doch die Funde lassen sich in ihrer Kunstfertigkeit durchaus vergleichen.
Der Stil ist jedoch ein völlig anderer. Sanxingdui zwang die Forscher zum Umdenken. War man bislang von einer einzigen Quelle der chinesischen Kultur ausgegangen, musste man nun anerkennen, dass es im 2. Jahrtausend v. Chr. weitere kulturelle Zentren auf dem Gebiet des heutigen Chinas gegeben hat.
Archäologen verbinden die Funde in Sanxingdui mit dem einst legendären Königreich von Shu. Es gibt keine schriftlichen Quellen darüber, vieles wurde erst Jahrhunderte später über das Reich von Shu geschrieben.
Vor rund 3.000 Jahren wurden der Altar und die Siedlung anscheinend verlassen und die Ritualgegenstände sorgfältig begraben. Die Funde lassen auf eine Besiedelung der Gegend seit dem Neolithikum schließen.
02.2022: Zu den neuesten Erkenntnissen ein Artikel von Spektrum:
»Sanxingdui war vor mehr als 3000 Jahren eine der größten Städte Ostasiens«, erklärt Xu. »Dort hat sich die politische Macht in der Tiefebene von Sichuan konzentriert.« Für Archäologen ist inzwischen klar, dass Sanxingdui nicht nur eines der großen überregionalen Zentren der frühen Bronzezeit in Ostasien war.
Die Stadt beheimatete offenbar eine eigenständige Kultur, die sich völlig von der in den Siedlungen Zentralchinas unterschied – dort, wo Forschende lange Zeit die Wiege der chinesischen Kultur wähnten. Doch die Funde aus Sanxingdui lassen nun an dieser Idee zweifeln.
Galerie: Faszinierende Funde
Neue Erkenntnisse
Im Gebiet von Sanxingdui ist mittlerweile auch die Siedlung gefunden worden, die zu den Opfergruben und dem Altar gehörte. Komplett mit Stadtmauern, Hausfundamenten und mehr. Die Ausgrabungen dauern an und man darf gespannt sein, was man noch so alles finden wird.
Bislang weiß man weder, woher die Sanxingdui-Kultur kam noch was daraus geworden ist. Manche Forscher bringen das Volk der Qiang mit den Menschen von Sanxingdui in Verbindung.
Die Qiang, die aus dem tibetisch-burmesischen Kulturraum stammen, leben noch heute in West-Sichuan und Ost-Tibet. Ihre Gesichter haben eine verblüffende Ähnlichkeit mit denen der Masken: große runde Augen und eine lange gebogene Nase.
Neue Ausgrabungen 2021
Nach wie vor wird auf dem Gelände von Sanxingdui ausgegraben. Weitere Opfergruben enthalten Goldobjekte, Bronzemasken und Elfenbein.
Um diese wertvollen Funde mit größter Sorgfalt bergen zu können, wurde eine spezielle Halle errichtet. Bei den Ausgrabungen werden die neuesten Methoden benutzt. Die Archäologen dort haben ideale Ausgrabungsbedingungen. Sie tragen Anzüge, wie wir sie hier nur von den Kriminaltechnikern in Krimis kennen. Sie arbeiten von einer Plattform aus, die es ihnen ermöglicht, ihre Arbeit zu machen, ohne in direkten Kontakt mit dem Boden der Grabung zu kommen. Video
Neue Funde in Sanxingdui – 23.03.2021 CRIonline
Archäologen haben in den Sanxingdui-Ruinen in der Provinz Sichuan sechs neue Opfergruben gefunden und mehr als 500 Gegenstände ausgegraben, die rund 3.000 Jahre alt seien, teilte die Nationale Verwaltung für Kulturerbe in der Provinzhauptstadt Chengdu mit.
Bisher haben Archäologen in vier der Gruben verschiedene wichtige Kulturgegenstände ausgegraben, darunter Stücke von Goldmasken, Goldfolie, Bronzemasken, Bronzebäume und eine große Menge Elfenbein. Auch Stücke von Miniaturskulpturen aus Elfenbein, verkohlter Reis und Samen von Bäumen wurden ausgegraben. Der Rest der neu entdeckten Gruben befindet sich noch in der Ausgrabungsphase.
Besonders die Reste eine Maske aus Gold erfreut die Ausgräber: Fotos vom 02.09.21 auf Xinhua.
Hinzu kommt, dass man auch Reste organischer Materialien gefunden hat wie Seide, Reis und Samen.
Die neuen Funde von Sanxingdui wurden im Juni 2021 auch vom Ausland und der UNESCO gewürdigt.
Mein Besuch in Sanxingdui 2013
Natürlich war für mich schon seit ein paar Jahren Sanxingdui ein Traumziel. 2013 hatte ich endlich die Gelegenheit, das Museum in der Nähe von Chengdu zu besuchen.
Anfahrt nach Sanxingdui
Die Fahrt ist gar nicht so einfach. Es gibt zwar einen direkten Bus vom Nordbahnhof zum Museum, aber der fährt schon um 8:30 Uhr ab. Das war mir zu früh und so machte ich mich auf den vom Hostel beschriebenen Weg: Zuerst mit einem Bus zum Busbahnhof Zhaoyue. Der liegt am Rande Chengdus.
Dann ging es mit einem Bus über die Autobahn nach Guanghan. Endlos schienen die Hochhaussiedlungen und Fabriken entlang der Autobahn. Darüber ein düsterer, smogverhangener Himmel. In Guanghan, einem nicht besonders schönen oder interessanten Ort, fand ich schnell den Bus nach Sanxingdui. Da der aber noch auf weitere Fahrgäste wartete, dauerte die Umsteigezeit doch fast eine halbe Stunde. Insgesamt war ich weit mehr als 2 Stunden unterwegs.
Die letzte halbe Stunde fuhr der Bus am Enten-Fluss entlang. Der Fluss war zu der Zeit (Mai 2013) fast ausgetrocknet, keine Enten zu sehen. Das Ufer ist mit einem Deich befestigt, der mit gepflegten Wegen, blühenden Büschen und Parkbänken ausgestattet ist. Ich habe kurz überlegt, ob ich nicht die restlichen Kilometer zum Museum wandern sollte. Das schien mir dann zu mühsam, vor allem weil ich auch im Museum noch einige Zeit verbringen wollte.
Für den Rückweg hatte ich das Glück, dass gegen 16:00 Uhr ein Bus direkt vom Museumstor bis zum Nordbahnhof in Chengdu fuhr. Dieser fuhr nicht über die Autobahn sondern durch eine deutlich ländlichere Landschaft.
Das exzellente Museum
Nachdem ich eine große Halle mit Ticketschalter, Informationsschalter und Garderobe passiert hatte, stand ich in der wunderschönen Parkanlage, in der das Museum auf mehrere Gebäude verteilt liegt. Als erstes erblickte ich eine vergrößerte Replik einer der Masken.
Klar, dass dies genau der Platz ist, an dem sich die Besucher gegenseitig fotografieren. Natürlich nutzte ich auch die Gelegenheit. Es waren nicht viele Menschen da. So hatte ich den Park und auch die Museumsräume größtenteils für mich alleine. Das genoss ich sehr!
In dem ersten Museumsgebäude, Gallery 1, das fast in seiner Umgebung verschwindet dank einem Grasdach, sind die Funde aus Jade, Gold, Keramik und Stein ausgestellt. Alles wunderschön beleuchtet und ausführlich beschriftet, auch in Englisch.
Tausende von hier gefundenen Kauri-Muscheln, die offensichtlich als Zahlungsmittel dienten, deuten auf eine Verbindung zum weit entfernten Pazifik hin.
Zum Beispiel sind dort große Jadebrocken zu sehen mit einer Beschreibung, wie die Jade einst bearbeitet wurde. Es ist unglaublich, was für schöne, fein bearbeitete Jade-Objekte es gibt! Dass diese die Jahrtausende heil überstanden haben, mochte ich fast nicht glauben.
Der rekonstruierte Altar
Durch den Park erreichte ich den Altar, der originalgetreu rekonstruiert ist mit einer Nachbildung des Bronzemannes und der Bronzetiere. Überall und drumherum alte Bäume, in denen Vögel zwitschern und Schmetterlinge flattern. Ein faszinierender Platz. In einige der Bäume haben Besucher rote Schleifen mit ihren Gebeten und Wünschen geflochten.
Die unglaublichen Bronzemasken
Das zweite große Museumsgebäude, Gallery 2, ist wie eine Spirale geformt und enthält die Bronzeartefakte und Masken. Wahnsinn! Diese Augen! Diese ernsten Gesichter der Bronzefiguren!
Die bemerkenswertesten Funde waren große Bronzemasken und Bronzeköpfe (einige mit Goldfolie belegt) mit kantigen menschlichen Gesichtszügen und übertrieben schiefen Augen, einige mit hervorragenden Pupillen und großen oberen Ohrmuscheln. Aus der Gestalt dieser Köpfe schließen die Archäologen, dass sie auf hölzernen Stützen oder Totems montiert waren, vielleicht waren sie auch eingekleidet. Wikipedia
An einigen Masken hat man bei der Ausgrabung tatsächlich Farbreste gefunden, zum Beispiel Rot an den Lippen. Das bedeutet, dass die Masken bemalt waren, wenn sie nicht gerade mit Gold überzogen waren. Man nimmt an, dass die Masken dem Ahnenkult gedient haben.
Die Augen waren von besonderer Bedeutung. Überall wurden Augen, nicht nur in den Gesichtern der Masken, aus Bronze bei den Ausgrabungen gefunden. Besonders fallen die hervorquellenden Pupillen bei einigen der großen Masken auf. Wissenschaftler deuten sie als Zeichen, dass die dargestellte Persönlichkeit alles sieht, dass sie den Überblick hat.
Dazu einzigartige Bronzebäume, Tierfiguren, Kessel und mehr. Ich war einfach überwältigt und bin langsam durch die Ausstellungsräume gegangen und noch einmal und noch einmal. Ich konnte mich fast nicht trennen.
Am Ende des Rundganges gibt es natürlich einen Souvenirshop mit einem kleinen Restaurant.
Infos (Stand Juni 2023)
Webseite des Museums: https://www.sxd.cn/en/#/
Öffnungszeiten:
Täglich von 8:30 bis 18:00 Uhr
Eintritt:
60,- Yuan RMB, Kinder bis 1,30m frei
Menschen über 60 Jahre haben freien Eintritt
Wenn man will, kann man auch nur den Park für 5,- Yuan RMB besuchen.
Neue Funde 2024 in Sanxingdui
Die archäologischen Behörden in der südwestchinesischen Provinz Sichuan haben kürzlich bahnbrechende Entdeckungen in der legendären Ruinenstätte Sanxingdui gemacht, darunter eine über 3.400 Jahre alte „Werkstatt“ für Jade- und Steinartefakte. china.org.cn
Links
Faszinierende Dokumentation von CCTV über Sanxingdui: Conjectures on Sanxingdui
Video: https://www.youtube.com/watch?v=pdNhg2AEx2Y
Eine ausführliche Beschreibung der Fundgeschichte und der Funde gibt es auf china.org.cn
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Ursprünglich 2014 auf dem Blog veröffentlicht. Überarbeitet und ergänzt 2023
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Jetzt bin ich rot geworden – das kann ich zwar nicht sehen, aber ich bin dann aufgeregt und fange vor Lampenfieber an zu schwitzen. Und das obwohl mich keiner sehen tut. 😉 Puuh
Ach, nein. Meine Art der Kommentierung soll doch nur andere „neugierig“ auf deinen Blog machen, denn deine Beiträge haben einfach einen sehr hohen WERT! Nicht wieder @rot werden 😉
Ich weiß, es ist das falsche Wort, aber deine „Arbeit“ sollten noch viel mehr Menschen wertschätzen!
Ich meinte Masken. Aber da hab ich dich wohl missverstanden.
LG
Ilrike
Jetzt hattest du mich neugierig gemacht …
aber , wo sind denn die UFOs??? 🙂
Danke
Spannend! 🙂
Ja, Sanxingdui ist toll. Das andere Museum, zu dem Ihre Reiseleiterin höchstwahrscheinlich wollte, war das nicht minder herausragende Jinsha-Museum. Das hat nicht so viele Masken zu bieten, aber einzigartige Jadeartefakte. Leider kommen da nicht so viele Touristen hin. Ich war von Jinsha schwer beeindruckt. Demnächst darüber mehr.
Hallo Ulrike, da war ich ja ausnahmsweise mal vor dir (2009) bei einer Sehenswürdigkeit in China. Die Reiseleiterin wollte zwar diesen Programmpunkt durch den Besuch eines x-beliebigen Museums in Chengdu ersetzen, aber da einige auf der Einhaltung des Programms bestanden, fuhren wir dann doch über unglaublich schlechte Straßen (Folgen des großen Erdbebens von 2008?) nach Sanxingdui. Hernach waren alle begeistert, auch diejenigen, die ursprünglich nicht hin wollten! Sanxingdui ist ein absolutes Glanzlicht! (Und Fotografieren im Museum war nicht verboten.)
Wohl wahr! China hat unglaubliches zu bieten. LG
Ulrike
Beeindruckende Objekte. Obwohl ich mal Geschichte studiert habe, wird mir jetzt erst bewusst, wie Europazentriert unser Denken und unsere Wahrnehmung der Welt ist.