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Der Sonntagsmarkt in Kashgar – ein orientalischer Traum! Was wäre ein Besuch in Kashgar ohne den Besuch des Sonntagsmarktes! Das war schon auf meiner Asienreise 1992 ein absolutes Highlight! 2007 hatte ich noch einmal die Gelegenheit für einen Besuch. Doch 1992 hatte Spuren hinterlassen.
Es war eine besondere Zeit, ein ganz besonderes Glücksgefühl, sich alleine in das archaische Getümmel zu stürzen. Deshalb versuchte ich, mich gegen den Kulturschock zu wappnen 2007. 15 Jahre waren sicherlich auch an Kashgar nicht spurlos vorbeigegangen. Schon hatten mich die vielen Hochhäuser erschreckt. Was war wohl aus dem berühmten Sonntagsmarkt geworden?
Um Euch einzustimmen, hier der Reisebericht von 1992:
Sonntagsmarkt in Kashgar 1992
Da ich unbedingt den berühmten Sonntagsmarkt sehen will, kann ich gar nicht so schnell weiter fahren, wie ich eigentlich möchte. Endlich ist Sonntag. Zusammen mit einem Strom von Einheimischen gehe ich zum Markt. Je näher wir an das weite Gelände am Rande Kashgars herankommen, desto dichter ist der Verkehr aus klapprigen LKWs und Eselskarren.
Die Menschen haben sich ihre feinsten Sachen angezogen. Weiße Kappen, graue Anzüge. Die Männer halten ihre lange Pfeife in der Hand. Die Frauen tragen unglaublich bunte Kleider. Schade, dass viele Frauen diesen dunkelbraunen Schleier tragen! Diese groben Tücher sind schrecklich hässlich.
Kurz vor dem Marktplatz gibt es ein Gelände, wo die Eselskarren geparkt werden. Eselchen und kleine zottige Pferde stehen hier, kauen an ihrem Getreide und warten darauf, dass ihre Besitzer zurückkommen. Gleich dahinter fängt der Markt an.
In der ersten Gasse, die ich betrete, wird Eis in großen Blöcken verkauft. Das Eis soll von den Gletschern des Tianshan, einer nahen Bergkette, stammen. Dann kommen einige Stände mit Besen und Ackergerät. Dies sind die Bereiche der Männer.
Auf dem Viehmarkt
Ich bin am meisten auf den Viehmarkt gespannt, den ich auch schnell finde. In dem Gedränge bin ich die einzige Frau und auch die einzige Westlerin.
Zwischen den Fettschwanzschafen, den Ziegen und den kleinen dunklen Rindern fühle ich mich wie mitten in einem Dokumentarfilm. Ich scheine in eine Traumwelt geraten zu sein. So etwas erlebt man doch nicht selbst! So etwas sieht man nur im Fernsehen! Wie im Traum schaue ich den jungen Männern zu, die Pferde probereiten. Mit Sachkenntnis im Blick stehen die würdigen alten Männer am Rand. Die meisten haben kurze gepflegte Bärte. Ich habe das Gefühl, von Patriarchen umgeben zu sein.
Staub liegt über dem Gelände. Zwei Männer besiegeln ein Geschäft mit Handschlag. Keiner beachtet mich. Kamele sehe ich leider nicht. Hinterher sagt mir jemand, dass nicht jeden Sonntag Kamele verkauft werden. Außerdem werden Kamele nicht mehr so oft wie früher in der Landwirtschaft gebraucht.
Fasziniert gehe ich weiter. In der „Obstabteilung“ werden viele getrocknete Früchte angeboten. Die Aprikosen kommen aus dem Hunza-Valley in Pakistan. Rosinen in vielen Farben und Größen. Riesige Berge von Wassermelonen und gelben Hami-Melonen säumen eine Gasse.
An einer Stelle gibt es Verkaufsstände mit Zucker, der in großen Brocken angeboten wird. Manche Zuckerkristalle sind in rot, grün oder blau gefärbt. Die Farben der Wolle leuchten unbeschreiblich. Der ganze Markt ist ein endloses Farbenspektakel. Auch Möbel und Kinderwiegen werden hier verkauft.
Nach einigen Stunden kann ich keine weiteren Eindrücke mehr aufnehmen. Ich setze mich erschöpft auf einen niedrigen Hocker in einem Cafe, das an der Straße in die Stadt liegt. Hier kann ich in Ruhe Tee trinken und die vorbeikommenden Menschen beobachten.
Ich fühle mich nicht als Teil vom Ganzen sondern mehr als Beobachter. Diese Welt, die da vor meinen Augen vorbei zieht, ist exotisch. Ich muss daran denken, dass nun meine Reisezeit bald abgelaufen ist. Irgendwie befinde ich mich schon auf dem Rückweg. Ich sitze hier und will mit allen Sinnen dieses Erlebnis genießen und für mich speichern.
Der Markt in Kashgar 2007
Ja, es hat sich so einiges geändert! Der Markt ist größer geworden. Auch in der Woche ist vor allem der überdachte Basar geöffnet. Wir werden zunächst in die Touristenabteilung geführt. Das ist ein großer Raum, wo man auf Englisch sprechende Verkäufer trifft, sich feine Souvenirs aussuchen kann, wo man auf bequemen Sofas sitzen und Tee schlürfen kann.
Hier ist es klimatisiert und sauber. Und es gibt ordentliche Toiletten! Ein Paradies! Dann kommt das Signal des Reiseleiters. Wir haben knapp 2 Stunden für eigene Erkundungen des riesigen Basars zur freien Verfügung! Schon bin ich unterwegs!
Endlose Hallen mit Läden, in denen bunte Seiden- und Brokatstoffe verkauft werden. Feinste Teppiche aus Seide, Wolle und Kamelhaar. Es gibt einfach unglaublich viel zu sehen! Ich möchte ein wenig Seidenstoff für eine Freundin als Mitbringsel kaufen.
Dabei stoße ich mit meinem Chinesisch an Grenzen. Die Ladenbesitzer und Verkäufer sind Uiguren und sprechen überwiegend kein Chinesisch. Also bin ich ganz westlicher Tourist, der keine Ahnung hat. Ich fühle die schönen Stoffe, versuche einen Stoff zu finden, der nicht mit allzu bunten Farben leuchtet. Schließlich erstehe ich eine Bahn grüner Seide und bin ganz zufrieden.
Wie im Traum gehe ich weiter. Schaue und schaue, vergesse das Fotografieren. Kinderkleidchen aus Spitze, rote Haarschleifen, Scheren, Werkzeug… Es gibt so viel, alles, was die Einheimischen brauchen könnten. Bunte Plastikschüsseln, hölzerne Löffel, Kupfertöpfe…
Imbiss
Schließlich setze ich mich in einem Nudelimbiss hin. Für eine Weile versuche ich, mit den Kindern zu spielen, die sich mir neugierig nähern, während ich meine Suppe schlürfe. Wo stecken die übrigen Teilnehmer? Trauen sie sich nicht so weit in die endlosen Gänge?
Über die Straße vor dem Großen Basar gehe ich langsam zurück. Hier gibt es die Geschäfte mit großen Hochzeitstruhen und Kinderwiegen.
Ich setze mich kurz zu einem Händler, der mir mit einem Lächeln eine Kinderwiege anbietet. Wir kommunizieren mit Blicken, Gesten und wenigen Worten Chinesisch.
“Ich habe keine Kinder!”, sage ich ihm lächelnd. Sein Blick zeigt, dass er das sehr bedauert. Ich könne mir ja prophylaktisch eine Wiege mitnehmen. “Du machst Witze!”, sage ich, einer meiner Lieblingssätze auf Chinesisch. Sowas kann ich ja nicht auf die Rundreise mitnehmen, meine ich. Wir lachen herzlich miteinander.
Mit einem glücklichen Lachen gehe ich zurück zur Touristenabteilung. Was für ein Glück, diese Klimaanlage und das saubere Klo!
Der Viehmarkt
Dann geht es noch zum Viehmarkt, der wie 1992 am Rande der Stadt liegt. Nur dass der Rand Kashgars 2007 etwas weiter draußen liegt. Rund um das Areal des Viehmarkts gibt es weitere abgetrennte Plätze, auf denen Autos, kleine Lieferwagen, landwirtschaftliche Geräte und mehr verkauft werden. Nicht zu vergessen Möbel, Kühlschränke, Haustüren…
Dann der Viehmarkt! Staubig, nach Mist und Vieh riechend, eine Domäne der Männer. Wie man sich den Sonntagsmarkt in Kashgar vorstellt! Im Grunde scheint sich nicht viel geändert zu haben. Die Geschäfte werden immer noch mit Handschlag geschlossen. Kleinen Jungs wird freundlich erklärt, wie das geht, das Handeln. Und zur Belohnung gibt es ein Eis.
Die Fettschwanzschafe tun mir ein wenig leid: Um zu zeigen, wie fett sie sind, sind sie geschoren. Aber bei der heißen Luft ist das wohl kein Problem. Heute sind keine Kamele auf dem Markt zu sehen. Ich erfahre auch nicht, ob das überhaupt noch passiert. Trotzdem wirkt der Viehmarkt sehr archaisch und authentisch auf mich.
Von allen Seiten dringen Stimmen und Geräusche auf mich ein: Das laute Handeln der Männer, das Muhen der Kühe, ein Esel schreit, die meckernden Schafe. Irgendwo tönt ein Fernseher, oder ist es eine Karaoke-Anlage? Am Rand gibt es Hühner und Enten, die sich laut schnatternd in kleinen Gehegen drängen.
Nicht alle Eindrücke sind bunt und schön. Die Männer gehen rau und manchmal grob mit ihren Tieren um. Es herrscht Enge und Staub liegt über allem. Auch über den Angeboten der Imbisse. Wer sich vor gegrillten Schafsköpfen ekelt, sollte nicht so genau hinschauen. Es ist kein Markt, der Vegetarier und mitteleuropäische Tierschützer erfreut.
Ja, es hat sich viel verändert seit ich den Sonntagsmarkt von Kashgar 1992 besucht habe! Aber ich nehme auch sehr viel Positives wahr. Mein Herz löst sich beim Anblick von all der Lebensfreude und dem anscheinend vorhandenen Wohlstand.
Weitere Impressionen vom Sonntagsmarkt in Kashgar
Links
- Zu meinem Reisebericht von 1992
- Kashgar 2007
- Geschichten von der Seidenstraße
- Handeln in China
- Das moderne Kashgar im Juli 2022, wie es Familie Hilgers beschreibt
- Archäologie in China – China Nachrichten - 30. Oktober 2024
- Spannende Tiere auf dem Bambooblog – Übersicht - 29. Oktober 2024
- Fledermäuse, weltweit geliebt, gefürchtet oder verabscheut - 27. Oktober 2024
Danke! Das ist ja nur ein Teil der Fotos. Solche Basare und Märkte finde ich immer sehr spannend. LG Ulrike
Oh, das wäre so ganz das Meinige, was würde ich da schauen und staunen!
Danke für die schönen und lebensvollen Fotos.
Liebe Grüße!