Letztens habe ich etwas über die Yungang Tausendbuddha-Grotten bei Datong gelesen. Dabei erinnerte ich mich, dass ich nun auch schon zweimal dort gewesen bin und rieb mir erstaunt die Augen, dass ich hier auf meinem Blog noch nichts darüber geschrieben hatte. Denn die Yungang-Grotten sind eine tolle Sehenswürdigkeit.
Die Yungang Grotten bei Datong
Die Geschichte
Sie gehören zu den vielen bedeutenden Anlagen, die vor 1.500 Jahren in steile einsame Felswände entlang der Seidenstraße gehauen wurden. Anhand der vielen wunderschönen Reliefs und Malereien in den Höhlen von Afghanistan bis Peking kann man noch heute erkennen, welchen Weg und welche Entwicklung der Buddhismus von Westen nach Osten, von Indien bis zur Chinesischen See genommen hat. Siehe auch Buddha-Höhlen von Kizil.
Seidenstraße
Berühmte Tausend-Buddha-Grotten findet man in Kizil, Beziklik und Dunhuang (die ältesten ganz im Westen Chinas) und bei Luoyang, die Longmen-Grotten, und eben bei Datong in der Provinz Shanxi.
Es gibt noch zahlreiche weitere Anlagen. Wie kostbare Perlen reihen sie sich aneinander und kennzeichnen den Verlauf der alten Seidenstraße . Auch die berühmten Bamiyan-Buddhas in Afghanistan gehören dazu.
Meine Erlebnisse
Ich selbst kenne die Tausendbuddha-Höhlen von Kizil, Beziklik und eben Yungang. Vielleicht stand Yungang nicht ganz oben auf meiner Liste der zu beschreibenden Sehenswürdigkeiten in China, weil ich mit meinem ersten Besuch dort eines meiner fürchterlichsten Erlebnisse in China verbinde. Lest selbst!
Eiskalter und staubiger Winter 1988
Mich hatten die Schilderungen der spektakulären Buddhafiguren von Yungang bei Datong so fasziniert, dass mein einziger Ausflug von Peking 1988 mich eben genau dorthin führte.
Datong war damals noch ein windzersaustes Nest kurz vor der Mongolei. Es war bitterkalt, damals im Dezember 1988. Das Licht wirkte die ganze Zeit dunstig, leicht schweflig gelb. Über allem hing der Duft nach Kohle. Denn Datong war Zentrum des Kohlebergbaus. Es gab fast keine Möglichkeit, dem Staub zu entgehen. Dazu der schneidende trockene Wind. In der Stadt wickelten sich die Menschen in schwere grüne Mäntel mit dickem Fellbesatz.
Dann machte ich mich auf den Weg zu den Yungang-Grotten. Mehr als eine Stunde Busfahrt durch eine trostlose hügelige Landschaft mit wenig Vegetation. Die Berghänge schienen wüstenartig, in den Erosionsrinnen hatte sich schwarz die Kohle abgesetzt. Manchmal kam uns ein hoch mit Kohle oder Steinen beladener LKW entgegen.
Irgendwann hielt der Bus. Der Fahrer deutete auf eine entfernte Felswand. Da sollte ich hin! Das waren die Tausend-Buddha-Höhlen von Yungang. Ja, es gab auch ein Häuschen, wo ich Eintritt zahlen sollte. Doch bis ich da war, war ich schon völlig ausgekühlt. Hinter dem Kiosk fingen gleich die hölzernen Vorbauten an, mit denen die gut erhaltenen Höhlen schon seit Jahrhunderten geschützt werden.
Ach, war das herrlich! Schnell hatte ich die Kälte vergessen! Schweigend, ernst mit einem milden Lächeln schauten die Buddhas und ihre Heiligen auf mich herab. Fotografieren streng verboten! Tolle Farben! Manches schien wie ein Märchen aus Tausend und einer Nacht. Nicht alle Höhlen waren von Holz- oder Steinfassaden geschützt. Und so trieb mich der eiskalte Wind immer weiter.
Es gab nur wenige Besucher damals bei den Yungang-Grotten. Bei manchen Buddhas lagen abgebrannte Räucherstäbchen und Kerzen. Zeichen dafür, dass manch ein gläubiger Buddhist den Weg hierher fand.
Langsam war mir nicht nur kalt, sondern ich empfand Hunger und Durst. Weit und breit war kein Laden in Sicht. Also hieß es zurück zur Straße!
Die schreckliche Rückfahrt
Ich hatte keinen Plan, wann ein Bus nach Datong kommen würde. Doch da standen schon einige Männer, da wo ich die Haltestelle vermutete. Nur ein für mich unleserliches Schild kennzeichnete die Haltestelle. Ich fragte die Leute: „Datong?“ Manche guckten erstmal weg. Ein, zwei nickten mit einem zögernden Lächeln. Für die Frage nach der Abfahrtszeit reichten meine Chinesisch- und deren Englisch-Kenntnisse leider nicht.
Also blieb mir nur das geduldige Warten in bitterer Kälte. Hin und wieder donnerte ein LKW vorbei. Manchmal kam ein Mann zu uns Wartenden zu. Nicht alle waren angemessen gekleidet. Manche trugen Spaten und Schaufeln. Aus wettergegerbten Gesichtern starrten sie mich mit offenem Mund an. Sie redeten über mich. Aber keiner traute sich näher an mich ran.
Dann kam der Bus! Die Menge der Wartenden geriet in Bewegung. Der Bus hielt ein paar Meter vorher an, damit einige Leute mehr oder weniger in Ruhe aussteigen konnten. Dann fingen wir an, einzusteigen. In dem üblichen Gerangel wurde ich schnell ganz nach außen gedrückt.
Sofort war der Bus voll, voller als voll und ich immer noch draußen. Kurz überlegte ich, ob ich nicht besser auf den nächsten Bus warten sollte. Ob überhaupt noch ein Bus kommen würde? Es wurde langsam dunkel.
Der Streit
Da war ein Streit hinter mir. Schreie, Rufe! Ich drehte mich erschrocken um. Ein Mann lag blutüberströmt auf dem Boden. Ein anderer schlug mit einer Schaufel auf ihn ein! Jetzt gab es für mich nur noch eine Richtung: Hinein in den Bus!
Die Leute im Bus hatten den Vorfall auch bemerkt. Aufgeregtes Diskutieren. Aus der massiven Wand von Körpern vor mir streckten sich mir zwei Hände entgegen. Dankbar ergriff ich sie. Sie zogen mich in den Bus, in dem eigentlich kein Platz mehr war. Meine Füße fanden schmalen Halt auf der untersten Stufe. Ein Ruck! Die Fahrgäste wurden in die letzten kleinen Lücken geschüttelt, dann fuhr der Bus noch mit offener Tür los! Auch die Tür schloss sich langsam. Hinter mir! Ich war drinnen!
Erleichtertes Lachen bei allen. Doch dann entdeckte ich, dass mein Tagesrucksack noch draußen hing. Aber kein Problem! Kräftige Hände hielten mich, als der Fahrer in voller Fahrt die Tür öffnete. Andere zogen mich und meinen Rucksack weiter hinein. Endlich war ich in Sicherheit. Aufmunternde Blicke meiner Retter und Gefährten. Erleichtert und ganz glücklich erreichte ich schließlich mein Hotel.
Die Yungang-Grotten 2011
Ich hatte das Glück, 2011 noch einmal die Yungang Tausendbuddha-Grotten von Datong zu besuchen und den erstaunlichen Wandel zu erleben, den diese herausragende Sehenswürdigkeit durchgemacht hat.
2001 wurden die Yungang-Grotten UNESCO-Weltkulturerbe. Das war der letzte Anstoß, die Sehenswürdigkeit für die zahlreichen Besucher aufzubereiten. Es entstanden große Parkplätze, ein moderner riesiger Besucherbereich und ein neuer Tempel.
Manchem europäischem Besucher ist dies zu viel Fassade, zu wenig Authentizität. Manch einer spricht sogar von einem „Vergnügungspark“. Ich persönlich finde es gut, denn damit wird auch die Wertschätzung der Geschichte und Kultur gezeigt. Viele Chinesen haben ein großes Interesse an ihrer Vergangenheit.
Diese Unmengen an Besuchern brauchen entsprechende ordentlich Räumlichkeiten für ihre Bedürfnisse: Eintrittskarten ohne große Wartezeiten, ausreichende saubere Toiletten und Aufenthaltsräume. Hallen für Zeremonien und Gebete. Wenn dann noch mit Souvenirs usw, Geld verdient wird, das mindesten zu einem großen Teil dem Erhalt der Yungang-Grotten zugute kommt, dann ist das für mich ok.
Mich haben Datong und die Tausendbuddha-Grotten von Yungang 2011 sehr begeistert. Gut, es war Mai: Keine eiskalten Wüstenwinde. Auf dem Weg zu den Grotten erfreute ich mich an schier endlosen wiederaufgeforsteten Flächen. Keine kahlen Berghänge mehr, kein Kohlestaub in der Luft.
Die alten Buddhas strahlen Ewigkeit aus. Viele Gläubige, Pilger, Mönche und Nonnen zeigen ihre Verehrung. Ehrfurchtsvoll verbeugte auch ich mich.
Infos
RMB 100,- (November bis März)
Öffnungszeiten: 8:30 – 17:00 Uhr
Links
- Datong 1988 – 2009 – 2011 Ein beeindruckender Vergleich!
- Die Buddha-Grotten von Bezeklik
- Die seltsamen Buddhas von Dazu
- Die Buddhas von Kizil
- Märchenhafte Seidenstraße- Geschichte und Geschichten
Tipp
Folgende Höhlen sind besonders interessant: Nr. 16, 17, 18, 19 und 20. Gemäß den Vorschlägen des buddhistischen Mönches Tan Yao um 460 n.Chr. wurden in den genannten Höhlen die Kaiser Taizu, Taizong, Shizu, Gaozong und Gaozu als Buddha dargestellt. Sie wirken sehr beeindruckend mit ihren Ähnlichkeiten aber auch Unterschieden.
Impressionen
- Backpacker: Hände weg vom Alkohol unterwegs! - 18. Januar 2025
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Moin Reiner,
danke für Deinen Kommentar und Deine guten Wünsche!
Zum Fotografieren in China: Im Grunde ist es nicht anders als anderswo auf der Welt. Manche Fresken und Gemälde in Tempeln und Buddhagrotten sind sehr lichtempfindlich und sollen deshalb nicht fotografiert werden. Nichte alle Museen mögen es, wenn ihre besten Stücke fotografiert werden. In Halle darf man z.B. die Himmelsscheibe nicht fotografieren. In buddhistischen Tempeln soll man sich aus Respekt nicht vor einer Buddha-Statue ablichten lassen. Das soll Unglück bringen. Aber die Chinesen sind fotoverrückt und so wirst Du überall erleben können, dass selbst direkt unter einem Verbotsschild fotografiert wird (wenn keiner aufpasst). Naja, und Militäranlagen darf man nirgendwo fotografieren. Eine Fotoerlaubnis gegen Gebühr gibt es in der Regel nicht.
Viel Erfolg und Gesundheit wünsche ich dir fürs neue Jahr! Und eine erste Reise nach China! Meld Dich, wenn es soweit ist!
Ulrike
Hallo Ulrike,
was für eine spannende Geschichte. Ich habe Deinen Post verschlungen! Da ich natürlich auch ein großer China Fan bin, aber noch keine Reise dort hin unternommen habe, möchte ich Dich bitten mir mal zu beschreiben wie es mit der Fotografie ist. Du schreibst fotografieren dort im Tempel verboten, scheinbar bei anderen Gelegenheiten gestattet. Muß man für eine Fotoerlaubnis bezahlen, 😉 auch vielleicht unter der Hand?
Sonst wünsche ich Dir eine tolles und erlebnisreiches Reisejahr 2019.
Reiner
Na das war ja eine Rückfahrt, das braucht kein Mensch! Sieht auf jeden Fall sehr eindrucksvoll aus. Danke für den Bericht und die Bilder.
LG aus Norwegen
Ina
Yungang-Grotten und Hängendes Kloster an einem Tag?! Das ist wirklich heftig! LG Ulrike
Oh, das war wirklich eine gruselige Rückfahrt. 🙁
Ich war vor ziemlich genau einem Jahr in Datong und habe ebenfalls „vergessen“, über die Yungang-Grotten zu schreiben – und wir waren sicher und bequem und ohne blutige Schlägereien unterwegs…
Wir waren am selben Tag vorher beim Hängenden Kloster – ich glaube, das die Grotten deshalb bei mir hinten runter gerutscht sind. Das war zuviel „WOW“ für einen Tag! Dennoch, ich fand die Anlage – auch so „touristisch aufgemotzt“ – ausgesprochen schön. Wundervolle, friedliche Atmosphäre, die Besucherströme verlaufen sich auf dem großen Gelände und es war trotzdem gut möglich, die Statuen in Ruhe zu bewundern.
Wunderschön!…
Aber deine Schilderung der Rückfahrt hat grad eine Gänsehaut des Gruselns bei mir ausgelöst.
Herzliche Grüße!
Eine wirklich schreckliche Ruckfahrt damals!