Schleier entlang der Seidenstraße

Schleier und Kopftücher sind traditionelle Kleidungsstücke, die nicht nur in muslimisch geprägten Kulturen eine Rolle spielen. Die Geschichte kennt auch in Europa Zeiten, in denen sich die (christlichen) Frauen verschleiert haben. Man sehe sich nur mal Frauenskulpturen in mittelalterlichen Kirchen an! Dabei war die Kopfbedeckung bzw. Verschleierung ein Statussymbol und Privileg der wohlhabenden oder adligen Frauen.

Ich will hier keine Geschichte der Verschleierung schreiben, sondern von meinen persönlichen Begegnungen mit dem Schleier erzählen. Davon hat es bei meinen Reisen entlang der Seidenstraße so einige gegeben.

Pakistan 1992

Als ich 1992 auf meiner Asienreise schließlich Pakistan erreichte, herrschte in Afghanistan Bürgerkrieg. Viele Menschen flohen nach Pakistan und wurden meistens in schrecklichen Lagern untergebracht. Besonders in Nord-Pakistan begegnete ich dann auf Busbahnhöfen und Märkten den afghanischen Frauen in ihren hellblauen Burkas. Vollverschleierung!

Frauen mit Burka in Afghanistan
Afghanistan (Foto: pixabay)

Aus meinem Reisetagebuch von 1992

Auf dem Weg zur hiesigen Jugendherberge, wo ich gerne wohnen möchte, sehe ich viele Frauen in weiten hellblauen Umhängen. Von den Frauen ist nichts zu sehen. Nur eine mit einem gestickten Gitter versehene kleine Fläche gibt den Frauen die Möglichkeit, selbst etwas zu sehen. Ich finde diese wandelnden Zelte etwas unheimlich. (Taxila 1992)

Ich trug damals selbst häufig ein Kopftuch, schon wegen der Sonne. Ich war auch bereit, mich an die örtlichen Sitten anzupassen und hatte immer einen Schal dabei. Doch diese wandelnden blauen Zelte, die im Grunde nichts Menschliches sehen ließen, fand ich gruselig. Fotos habe ich damals davon nicht gemacht, ich schreckte davor zurück, diese schräge Sitte zu fotografieren.

Als kommunikativer Mensch möchte ich meinem Gegenüber ins Gesicht sehen können. Während meiner Arbeit in einem Reisebüro musste ich mal einen Tag ohne meine Brille arbeiten wegen einer ärztlichen Untersuchung. Mit knapp -4 Dioptrin war ich blind wie ein Maulwurf. Bei der Beratung konnte ich nicht erkennen, ob meine Vorschläge auf Zustimmung trafen. Wirklich schwierig! An diese Erfahrung muss ich immer denken, wenn ich heute vollverschleierten Frauen begegne.

Kleine Mädchen im Hunza Tal
Kleine Mädchen im Hunza-Tal

Nach all den Frauen in blauen Burkas war ich sehr froh, als ich abends mit jungen pakistanischen Frauen in der Jugendherberge tanzen und lachen konnte. Ganz unverschleiert. Weiter ging es dann ins Hunza-Tal. Dort fand ich die Atmosphäre frei und erfrischend. Die Menschen dort gehören den Ismaeliten an, einer islamischen Richtung, die eine Verschleierung ablehnt. Das Religionsoberhaupt, der Aga Khan, fördert die Bildung auch der Frauen ganz besonders. So beträgt in dieser abgelegenen Gegend die Alphabetisierungsrate rund 90%.

Schleier in Kashgar 2007

Dann ging es weiter damals auf dem Karakorum Highway nach Kashgar. Dort traf ich auf eine wirklich schreckliche hässliche Verschleierung: Uighurische Frauen werfen sich ein grob gestricktes braunes Tuch über den Kopf, wenn sie das Haus verlassen. Seht selbst!

Kinderwiegen 1992
Kashgar 1992

Damit sie überhaupt etwas sehen können, schlagen sie manchmal den Teil vor dem Gesicht zurück. Letztendlich kann ja jede sich verschleiern, wie sie will. Doch gegen diese gräßliche braune Farbe waren sogar die hellblauen Burkas aus Afghanistan hübsche Kleidungsstücke. Ich habe bis heute nicht herausgefunden, warum diese Schleier, Tor Romal genannt, so braun sind. Es gibt reichlich Wolle in anderen Farben.

Kashgar 1992

Ich habe damals geglaubt, dass mit der Zeit diese braunen Kopftücher verschwinden würden. Doch zu meiner Verwunderung habe ich sie 2007 während meiner Reise entlang der Seidenstraße wieder gesehen. Wobei ich den Eindruck hatte, dass es eher mehr Frauen geworden waren, die sich verschleiern.

Schleier in Kashgra 2007
Kashgar 2007: Noch immer tragen die Frauen diese braunen Schleier. Wie man aber auch sehen kann, erfreuen sich die Frauen durchaus an farbenfrohen Kleidern

Keine Schleier mehr?

Da spielt natürlich auch eine Rolle, dass China der Unruhe-Provinz in den letzten Jahren sehr kritisch gegenüber steht. Man hat versucht, die Terror-Gefahr, die auch in Xinjiang zu vermehrten Anschlägen geführt hat, mit diversen Verboten Einhalt zu gebieten. Diese Gesetze sind seit längerem in Gespräch.

Zum 1.03.2017 trat ein konkretes Anti-Terror-Gesetz in Kraft, das neben zahlreichen anderen Maßnahmen auch die Verhüllung des Gesichts verbietet. Das wird nun gerne als Verbot der Verschleierung ausgelegt, betrifft aber im Grunde alle, also auch Männer, die ihr Gesicht nicht offen zeigen.

Die neuen Gesetze im Einzelnen lt CNN: Es ist verboten,

  • Advocating or propagating extremist thoughts
  • Wearing or forcing others to wear full-face coverings
  • Hyping up religious fanaticism through growing beards or choosing names in an abnormal way
  • Not allowing children to receive state education, interfering with state education;
  • Deliberately interfering or harming the implementation of family planning policies;
  • Publishing, downloading or reading articles, publications and audio-video material containing extremist content;
  • Rejecting or refusing state products and services that include radio and television programming.

Der komplette, sehr lesenswerte Artikel: Why China is banning beards and veils in Xinjiang

2019: Mittlerweile habe ich von Reisenden, die Kashgar besucht haben, erfahren, dass diese braunen Schleier ganz aus dem Stadtbild verschwunden sind. Da ich diese Schleier als extrem hässlich empfunden habe und sie auch gar keinen Blick ins Gesicht des Menschen zuließen, finde ich es gut, dass sie nicht mehr getragen werden. Wohlgemerkt: in der Öffentlichkeit! Was sich hinter den Wohnungstüren der Einheimischen abspielt, weiß ich nicht.

Manchmal hat so ein Schleier- oder Kopftuch-Verbot dazu geführt, dass die Frauen gar nicht mehr ihr Heim verlassen durften. So kam es durch das Kopftuchverbot an türkischen Universitäten in den 1990er Jahren dazu, dass viele Studentinnen ihr Studium abbrachen.

Schleier in Buchara

Auf meiner Seidenstraßen-Reise 2007 begegnete ich noch einem etwas abartigen Schleier. Allerdings im Museum. Im Teppich-Museum von Buchara führte uns eine junge Dame vor, wie man vor Hundert Jahren den sog. Pferde-Schleier getragen hat. Ein schwarzen Tuch aus Pferdehaaren gewebt.

Schleier in Buchara
Im Teppich-Museum von Buchara

Kein Gesicht zu sehen, nicht einmal die Augen! Ich persönlich denke, dass das die Kommunikation erschwert. Deshalb finde ich solche Vollschleier nicht gut.

Dann gibt es da noch den Aspekt der Sicherheit. Bei einer Militärkontrolle in Pakistan konnte ich erleben, wie wir Frauen, darunter eine Dame in Burka, nicht auf Waffen untersucht wurden. Ein alter Mann dagegen wurde gefilzt und musste sein kleines Taschenmesser abgeben. Dabei hätte man unter der Burka mehrere Maschinenpistolen unbemerkt an der Kontrolle vorbeischmuggeln können.

Kopftuch

Ich trage selbst gerne Kopftuch – warum, das lest Ihr hier. Es gibt viele schöne Möglichkeiten, ein Kopftuch modisch um die Haare zu wickeln. Das kann ich leider nicht. Aber ich freue mich, wenn ich unterwegs in Hamburg die Mädchen mit ihren schönen Kopftüchern sehe.

Toleranz und Rassismus

Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Artikel schreiben soll. Bin ich intolerant, wenn ich mein Unbehagen gegenüber dieser Vollverschleierung offen zugebe? Ist es Rassismus, wenn ich dazu stehe, dass ich Probleme bei der Kommunikation habe, wenn ich das Gesicht meines Gegenüber nicht sehen kann? Die Probleme habe ich übrigens auch mit Männern, die zum Beispiel einen Motorradhelm oder dunkle große Sonnenbrillen tragen. Deshalb bin ich durchaus für ein Verbot der Vollverschleierung, aber in Form eines Vermummungsverbots, das für alle gilt, für Männer und Frauen. In unserem freien Land sollte es selbstverständlich sein, dass jeder sein Gesicht offen zeigt.

Ulrike in Taxila Pakistan
Ich mit Kopftuch bei Taxila, Pakistan 1992

Wenn Ihr passende Artikel habt, verlinke ich Euch gerne. Denkt auch an unsere Aktion „Blogger gegen Rassismus“

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Die Seidenstraße – Geschichte und Geschichten

Dieser Artikel erschien zuerst im Mai 2017.

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8 Kommentare

  • Hallo Sabine,
    danke für deinen Kommentar! Mir ist dabei eingefallen, dass es ja Kulturen gibt, in denen es verpönt ist, sich in die Augen zu gucken. Vor allem Frauen sollen das nicht bei Männern tun. Da hab ich, ehrlich gesagt, auch so meine Schwierigkeiten mit. Wie schön, dass wir hier so frei leben können!
    LG
    Ulrike

  • Ein schöner nachdenklicher Artikel. Ich finde wie meine Vorredner, dass deine Gedanken nichts mit Rassismus zu tun haben. Du beschreibst ein Unbehagen, das ich ebenso kenne. Wir waren in einem Hotel und uns gegenüber sass eine vollverschleierte Frau und mühte sich ihr Frühstück unter ihrer Burka in den Mund.
    Zum Thema Augenkontakt… auch unverschleiert gibt es Menschen, die einem nicht in die Augen schauen können. Ich lege bei meinen Kindern Wert darauf, dass sie beim Begrüßen und Reden mit ihrem Gegenüber Blickkontakt aufnehmen. In meinen Augen hat das was mit Respekt und Wertschätzung zu tun.
    Viele Grüße
    Sabine

  • Hallo!
    Letztendlich ist es mir auch egal, was jemand trägt. Nur in der persönlichen Begegnung ist mir der direkte Blick ins Gesicht einfach am liebsten.
    LG
    Ulrike

  • liebe Heike,
    Du wirfst einige interessante Fragen auf.
    Liebe Grüße
    Ulrike

  • Danke, Gretlies! Das ist ne Idee! Vielleicht werde ich mir das Kopftuch binden auch mal zeigen lassen!
    LG
    Ulrike

  • Gretlies Gehrts

    Vielen Dank für den interessanten Artikel Ulrike.
    Ich finde Dich weder intolerant noch rassistisch, wenn Du Deinem Unbehagen gegenüber vollverschleierten Frauen zum Ausdruck bringst. Mir sind Frauen mit Burka auch unheimlich, da ich ihnen bei einer Begegnung gerne ins Gesicht blicken würde. Für die Frauen selbst empfinde ich es als Risiko, z. B. im Straßenverkehr, da das Gesichtsfeld durch den Schleier erheblich eingeschränkt wird.
    Wenn ich in die Moschee gehe, trage ich auch ein Kopftuch. Dort habe ich mir mal von einer jungen Iranerin zeigen lassen, wie man sich ein Tuch modisch um den Kopf legt. Das finde ich schön und ich fühle mich dadurch nicht eingeschränkt.
    Liebe Grüße
    und bis bald!

  • Hallo Ulrike,

    ich finde, dass die Ablehnung der Vollverschleierung/Vollvermummung nichts mit Intoleranz oder Rassismus zu tun hat. Wie du selber sagst, bezieht sich das meist weder auf Geschlecht, Herkunft oder Religion. Wobei ich generell der Meinung bin, dass man auch nicht alles tolerieren muss/sollte, nur weil es mit Religion oder Tradition zu tun hat. Was ist eine Religion? Was ist dagegen eine Sekte, was ist „seriös“, was nicht? Darf man nichts hinterfragen, nur weil es für jemand anders „heilig“ ist? Ist jede Tradition gut?

    Viele Grüße,
    Heike

  • Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mir, was das Thema Verschleierung anbelangt, noch keine endgültige Meinung gebildet habe. Ich bin da immer noch hin und her gerissen zwischen einer Ansicht, die der deinen sehr ähnelt und der Ansicht, dass es mir völlig wurscht ist, wie sich jemand kleidet… Ich hatte bereits mehrmals im Museum mit ziemlich voll verschleierten orientalischen Damen interessante Begegnungen, und hatte jedesmal erkennen dürfen, dass sich unter der Gewandung formvollendet höfliche, gebildete und intelligente Persönlichkeiten verbargen. Es mutet uns, die wir in einem völlig anderen Kulturkreis, in dem seit etlichen Jahrhunderten schon das offene Zeigen des Gesichts als selbstverständlich gilt, halt seltsam an, wenn jemand seine Züge bewusst verbirgt, auch wenn dahinter keinerlei böse Absichten wie z. B. das Schmuggeln von Waffen und Sprengstoffgürteln (es gibt übrigens so gut wie keine fundamentalistisch muslimischen Attentäterinnen 😉 ) steckt.
    Herzliche Grüße!

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