Endlich habe ich es geschafft! Ich habe mich an einem schönen Augusttag auf die Fahrt zum Rieck Haus, einem schönen Freilichtmuseum am Rande von Hamburg, aufgemacht. Hinter dem Deich von Curslack liegt dies große Vierländer Fachwerkhaus. Es wurde noch bis zum Zweiten Weltkrieg von der Familie Rieck bewirtschaftet.

Der Ortsname Curslack
Der Ortsname Curslack geht auf das Wort Cuwerslake zurück, das „eine niedrige, dem Eindringen von Wasser stark ausgesetzte Sumpflandschaft“ benennt. Kuren steht dabei für „sickern“ und lake für „feuchte Wiese“. Wikipedia
Mir fiel der Name auf, weil sich seine Schreibweise so besonders anschaut. Es ist wohl eine alte Schreibweise, die sich mit ihrem „C“ einen eigenen Charme bewahrt hat.
Erwähnt wurde Curslack erstmals 1188, als es mit Altengamme einen Deichverband gründete. Mitte des 16. Jahrhunderts entstanden die ersten Hufnerhäuser*, etwa zur gleichen Zeit auch der Curslacker Heerweg. Von 1420 bis 1867 wurde Curslack von Hamburg und Lübeck verwaltet. 1937/38 kam es ganz zu Hamburg
*Der Hufner war Vollmitglied der Gemeinde der Bauern, besaß Mitspracherecht in der Gemeinde und durfte die Allmende nutzen. In der dörflichen Sozialhierarchie standen die Hufner als Vollbauern und Besitzer eines Hofes mit Land von – regional unterschiedlich – 30 bis 100 Morgen vor den Gärtnern und Häuslern.

Vier- und Marschlande
Als Vehrlande erstmals im Bergedorfer Schatzregister vom 1548 erwähnt, bezeichnet der Name vier Kirchspiele bzw. ursprünglich vier Flussinseln im Urstromtal der Elbe, die mit den heutigen Stadtteilen weitgehend identisch sind.
Die Vierlande werden oft zusammen mit den benachbarten Marschlanden genannt („Vier- und Marschlande“), mit denen sie bis 2008 ein gemeinsames Ortsamt innerhalb des Bezirkes Bergedorf bildeten.
Es ist eine beschauliche Landschaft mit vielen Feldern, Obstbäumen und Gewächshäusern. Obst und Blumen aus den Vierlanden sind bekannt für die gute Qualität. Verstreut liegen die kleinen Dörfer, die idyllisch wirken mit vielen reetgedeckten Fachwerkhäusern und alten Kirchen. Wikipedia
Märchen und Sagen in der Nähe der Vierlande
Auch wenn es keine direkten Märchen der Vierlande gibt, sind Sagen und Märchen in der näheren Umgebung verbreitet.
Beispiele sind die Sagen um Frau Holle oder den Rattenfänger von Hameln, die im Märchenland Niedersachsen angesiedelt sind.
Das Freilichtmuseum Rieck Haus
Das Rieck Haus in Curslack zählt zu den ältesten erhaltenen Bauernhäusern Norddeutschlands. Hier leben und arbeiten damals zwei bis drei Generationen einer Bauernfamilie, Gesinde und Vieh unter einem großen Dach. Die Familie Rieck war eine der reichsten und angesehendsten Familie. Ihr Haus wurde seit 1949 restauriert und 1954 als Museum eröffnet.
Zum Gelände gehören neben dem Haupthaus der Krühof, die Scheune mit jährlichen Sonderausstellungen zur Geschichte und Natur der Region, ein Haubarg*, die Schöpfmühle und das Backhaus. Auch einige Blumen- und Kräutergärten zeigen, wie man sich in der Vergangenheit versorgte und sich auch an schönen Pflanzen erfreute,
*Das Wort „Haubarg“ bezeichnet eine Stätte zum Bergen (Stapeln) von Heu.

Im Inneren des Rieck Haus
Das Haus betrete ich durch eine niedrige Tür an der Seite. Nach einem kleinen Raum stehe ich schon mitten im Zentrum des Hauses, einer großen Feuerstelle.
Ich roch einen mir bekannt vorkommenden Geruch, dem Geruch von altem Holz, von dem einfachen Fußboden und von vielen Generationen, die hier gelebt und gearbeitet haben. Es war auch ein einfacher Geruch von Heimat und Zuhause. Denn mein Elternhaus war vor vielen Jahren ein altes Bauernhaus.
Den Brotkorb höher hängen
„„Den Brotkorb höher hängen.“ Den Sinn dieser Redewendung versteht heute jedermann, aber wie sie entstanden ist, das ist im Volke in Vergessenheit geraten. Es bestand einst die Sitte, in der Wohnstube an der Thür einen Korb anzubringen, in den man Reste von Brotschnitten, die beim Mittagsmahl unverzehrt blieben, hineinzuthun pflegte. Den Kindern des Hauses war es nun erlaubt, wenn sie zwischen den Hauptmahlzeiten Hunger verspürten, in den Brotkorb hineinzulangen. Waren die Kleinen unartig, so drohte man ihnen, man werde den Brotkorb höher hängen, so daß sie ihn nicht würden erreichen können. Der „Brotkorb“ ist im Laufe der Zeiten aus der deutschen Wohnstube verschwunden, die Redewendung hat sich aber bis auf unsere Tage erhalten.“ Wikisource
Ja, da hing der Brotkorb und ich konnte diese alte Sitte nachvollziehen, die auch dort erklärt wurde. Aber hier wurde sie zurückgeführt auf Hungerzeiten, in denen Brot rar war und aus Not außerhalb der Reichweite nicht nur der Kinder aufbewahrt werden musste.

In den Kammern dahinter waren große Alkovenbetten. In Bauernhäusern waren sie ein Schrankbett. Solche Alkoven wurden früher meistens zwischen Döns und Küche eingebaut oder in der Querdiele, die den Wohn- und den Wirtschaftsbereich trennte. Mich haben die Wärmeflaschen, die darauf lagen, besonders berührt, da mein Vater einst genau diese Wärmflaschen gesammelt hat. Sie waren zwar antike Ausstellungsstücke. Doch wenn es sehr kalt wurde im Winter, haben wir sie bestimmungsgemäß genutzt.
Ein großer Teil des imposanten Bauernhofs war für die Landwirtschaftsgeräte und für Schweine und anderes Vieh vorgesehen. Leider sind keine Tiere mehr da. Doch die Geräte sind sehr interessant und auch gut erklärt.
Der übrige Hof
Natürlich habe ich mir auch die anderen Gebäude angesehen. Die Windmühle war leider ganz hinter einem Gerüst verborgen, denn sie wird zur Zeit renoviert. In einem anderen Haus gibt es diesen Sommer eine Ausstellung über die Biene und Honig. Sehr interessant.

Infos
Freilichtmuseum Rieck Haus
Curslacker Deich 284
21039 Hamburg
Telefon:
+49 40 723 12 23
Eintrittspreise
Erwachsene 4,50 Euro
Reet und Reet gedeckte Häuser – Ein Exkurs
Was ist Reet?
Reet ist der alte Handwerksbegriff für Schilfrohr, das an Küsten, Flussufern oder in Feuchtgebieten wächst. Die robusten, bis zu zwei Meter langen Halme werden seit Jahrhunderten in Mitteleuropa, insbesondere in Norddeutschland, den Niederlanden, Skandinavien und Großbritannien, als Dachdeckmaterial genutzt.
Die Eigenschaften des Materials machen es ideal für den Hausbau:
- Wasserabweisend – die glatte Oberfläche lässt Regen zuverlässig abperlen.
- Dämmend – Reet bietet sowohl Wärmeisolierung im Winter als auch Kühle im Sommer.
- Nachwachsend – Schilf wächst jährlich nach und ist damit ein besonders nachhaltiger Rohstoff.

Reetdächer – Baukunst mit Geschichte
Reet gedeckte Häuser gehören zum typischen Bild norddeutscher Küstenlandschaften, von Schleswig-Holstein über Mecklenburg-Vorpommern bis hin zu den friesischen Inseln. Auch in den Niederlanden, Dänemark und England prägen sie das Landschaftsbild.
Die Dachdeckung erfolgt in Schichten: Das Reet wird gebündelt und dicht an dicht auf die Dachfläche gelegt. Mit speziellen Haken, Drähten oder Holzstäben wird es befestigt und verdichtet. Die Dachneigung ist dabei entscheidend – ein steiles Dach (meist über 45 Grad) sorgt dafür, dass Regenwasser schnell abläuft und das Reet lange haltbar bleibt.
Ein gut gedecktes Reetdach kann 30 bis 50 Jahre halten, bei regelmäßiger Pflege sogar noch länger.

Vorteile von Reetdächern
- Natürlichkeit & Nachhaltigkeit: regionaler, ökologischer Rohstoff
- Hervorragendes Raumklima: atmungsaktiv, feuchtigkeitsregulierend
- Schallschutz: dämpft Geräusche von Wind und Regen
- Ästhetik: charakteristische, gemütliche Optik mit hohem Wiedererkennungswert
Herausforderungen
- Kosten: Reetdächer sind handwerklich aufwendig und damit teurer als Standarddachdeckungen.
- Brandschutz: Reet ist zwar schwer entflammbar, dennoch wird häufig eine spezielle Brandschutzschicht eingebaut.
- Pflege: regelmäßige Kontrolle und Ausbesserung sind notwendig, um die Lebensdauer zu verlängern.
Reet gedeckte Häuser heute
Während Reetdächer früher vor allem eine Notwendigkeit in Regionen mit viel Schilfvorkommen waren, sind sie heute Ausdruck von Individualität, Tradition und einem nachhaltigen Lebensstil. Sie verbinden ländliche Baukultur mit moderner Wohnqualität und sind in vielen Urlaubsregionen ein beliebtes Postkartenmotiv.
Besonders an Nord- und Ostsee gelten Reetdächer als Inbegriff von Heimat, Natürlichkeit und Behaglichkeit. Kein Wunder also, dass viele Ferienhäuser und Hotels bewusst mit Reet gedeckt werden, um Gästen dieses besondere Flair zu vermitteln.
Quellen zu Reet
Ursprung, Geschichte und kulturelle Bedeutung
- Die Frühzeit der Reetdeckung reicht bis in die Jungsteinzeit zurück – die ältesten bekannten Reetdächer stammen aus Pfahlbauten am Bodensee, etwa um 4000 v. Chr. (Wikipedia, Deutsche UNESCO-Kommission).
- Die Reetdachdeckerei zählt in Deutschland zu den ältesten Handwerkstechniken und wurde 2014 als immaterielles Kulturerbe der UNESCO anerkannt (Wikipedia, Deutsche UNESCO-Kommission).
Material – Reet, Herkunft, Eigenschaften
- Reet ist getrocknetes Schilfrohr (auch bekannt als Ried, Rohr, Schilfdach). Es war aufgrund seiner Verfügbarkeit eines der ersten Bedachungsmaterialien sesshaft gewordener Menschen (Wikipedia, Reetdachdeckerei Heidenstedt).
- Reet wächst hauptsächlich an Ufern oder in sumpfigen Gebieten. In Deutschland kann nur rund 30 % des Bedarfs durch heimisches Reet gedeckt werden – der Rest wird importiert, z. B. aus Südeuropa, Osteuropa oder Asien (Engel & Völkers).
- Für langlebige Dächer ist eine steile Dachneigung (über 45°) wichtig, damit Regenwasser schnell abläuft und nur die oberste Schicht durchfeuchtet wird (Wikipedia). Reetdächer besitzen außerdem einen großen Traufüberstand (mindestens 50 cm), um Feuchtigkeit vom Mauerwerk fernzuhalten (Wikipedia).
- Das Reet wird mit Stahl- oder Draht fixiert, ähnlich einem „Teppich“; Dachlatten, Draht und handwerkliches Geschick bestimmen die Qualität und Dauerhaftigkeit der Deckung (Encyclopedia Britannica).
- In gemässigten Klimazonen (z. B. UK) wird der First alle 12–15 Jahre erneuert – bei Abnutzung erkennt man dies daran, dass Befestigungen sichtbar werden (Wikipedia).
- Reet ist leicht entzündlich. Gemäß Vorschriften muss der Schornsteinaustritt mindestens 0,8 m über dem First liegen. Feuerwerk, Blitze oder Grillfunken stellen besondere Brandsrisiken dar (Wikipedia).
Links
- Ausflug nach Kirchwerder
- Freilichtmuseum Volksdorf
- Die Sueben in Farmsen
- Der Gesseler Goldhort und das Syker Freilichtmuseum

Zuletzt aktualisiert vor 2 Monaten ago
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