Auch Zucker hat eine eigene Entwicklung in China

Die Geschichte des Zucker in China ist sehr alt und spiegelt technologische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungen wider. Sie verbindet Landwirtschaft, kulinarische Kultur, Industrialisierung und Ernährungspolitik. Nachfolgend gebe ich eine ausführliche Übersicht, gegliedert in zeitliche Abschnitte.

Frühe Formen von Süßungsmitteln und Zuckerrohr-Anbau

Vor dem Zuckerrohr verwendeten die Menschen in China hauptsächlich Honig, Früchte (z. B. Datteln, Birnen, Pfirsiche) und Malzsirup (aus gekeimtem Getreide) als Süßungsmittel.

Malzsirup („饴糖 yítáng“) war seit der Zhou-Dynastie (ca. 11.–3. Jh. v. Chr.) bekannt und wurde bei Ritualen und in der Küche eingesetzt.

Zucker

Schon während der Zeit der Zeit der Streitenden Reiche (ca. 475–221 v. Chr.) gibt es Hinweise darauf, dass im Reich Chu („Staat Chu“) Zuckerrohrsaft extrahiert wurde, um Süße zu gewinnen. Allerdings war das in jener Zeit offenbar noch kein raffinierter, kristallisierter Zucker, wie wir ihn heute verstehen – Süßstoffe wie Honig oder Malzzucker wurden zuvor verwendet.

Einführung von Zuckerrohr

Zuckerrohr stammt ursprünglich aus Südostasien und Indien. Über Indien gelangte es spätestens während der Han-Dynastie (206 v. Chr.–220 n. Chr.) nach Südchina.

Erste Erwähnungen von Zuckerrohr finden sich im Werk Nanfang Caomu Zhuang (南方草木状, „Aufzeichnungen über die Pflanzen des Südens“) von Ji Han im 4. Jh. n. Chr.

Dort wird beschrieben, wie man Zuckerrohr auspresst und den Saft trinkt – als Erfrischung, nicht als konzentrierten Zucker.

Tang- und Song-Dynastie: Zucker als Luxusgut

In der Tang-Zeit (618–907) begann die Herstellung von Kristallzucker in Südchina, vermutlich mit Techniken aus Indien. Zucker setzte sich als wichtige Form des Süßens in China durch.

Honig
Honigverkäuferin, Xinjiang

Ein kaiserlicher Gesandter von Kaiser Li Shimin (Taizong) wurde in die West­regionen geschickt, um Herstellungstechniken zu lernen; nach seiner Rückkehr nutzte man Zuckerrohr aus Yangzhou zur Zuckerproduktion.

Zucker wurde in dieser Epoche ein kostbarer Luxusartikel für Hof und Oberschicht, oft in Tee, Süßspeisen und Medizin. Mit dieser Entwicklung wurde kristallisierter Zucker zunehmend Teil der Küche: Da er wasser­löslich war, konnte er Speisen süßen, z. B. Suppen oder Desserts.

In der gesamten Region südlich des Yangtze (z. B. Yangtze-Delta) begannen sich Zuckerrohr-Anbau und Zuckerproduktion zu etablieren.

Während der Song-Dynastie (960–1279) verbreitete sich die Zuckerproduktion stärker. Südchina (vor allem Sichuan, Guangdong und Fujian) wurde zu einem Zentrum. Zucker trat in Konkurrenz zu Honig, war aber teurer.

Yuan- und Ming-Dynastie: Expansion

Unter den Yuan (1271–1368) wurde die Zuckerproduktion weiter ausgebaut. Auch Techniken der Mongolen (Kontakte bis in den Nahen Osten) beeinflussten die Verfeinerung.

In der Ming-Dynastie (1368–1644) war Zucker schon weiter verbreitet, wenngleich immer noch relativ teuer. Süßigkeiten und kandierte Früchte wurden populärer.

In späteren Dynastien – z. B. der Ming‑Dynastie (1368–1644) und der Qing‑Dynastie (1644–1912) – entstand in Regionen wie Fujian ein traditioneller Brauch der Herstellung von dunklem Zucker (Braunzucker) aus Zuckerrohr.

Gleichzeitig wurde in Nordchina, etwa in Provinzen wie Heilongjiang, Xinjiang oder Inner Mongolia, die Zuckerrübe (Beta vulgaris) eingeführt – allerdings deutlich später. In China wurde die Zuckerrübe 1906 erstmals angebaut.

Qing-Dynastie (1644–1911): Zucker für das Volk

In der Qing-Zeit erreichte Zucker eine breite Bevölkerungsschicht. Mit besserer Produktionstechnik und größerem Anbau in Südchina (Guangdong, Guangxi, Yunnan, Taiwan) wurde er günstiger.

Kandierte Früchte (糖葫芦 tánghúlu), Zuckerfiguren und Sirupgebäck wurden zu beliebten Straßenleckereien.

tanghulu
Tanghulu

Zucker war auch in der Medizin (Traditionelle Chinesische Medizin) weit verbreitet, etwa zum Maskieren bitterer Kräuter.

Moderne Zeit

Im 19. Jh. kam industriell hergestellter Zucker aus Europa und den Kolonien (z. B. Mauritius) nach China. Ab Ende des 19. Jh. entstanden moderne Zuckerfabriken in Guangdong und Taiwan.

Heute ist China einer der größten Zuckerproduzenten und -konsumenten der Welt, mit Anbau von Zuckerrohr (hauptsächlich im Süden) und Zuckerrüben (im Norden, z. B. in Heilongjiang und Xinjiang).

Moderne Zuckerindustrie & Produktion nach 1949

Nach der Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 und insbesondere mit der Reform- und Öffnungspolitik ab Ende der 1970er Jahre gewann die Zuckerindustrie stark an Bedeutung. Zum Beispiel: von Frühphasen mit nur wenigen hundert tausend Tonnen Jahres­produktion auf mehrere Millionen Tonnen.

Nach Angaben eines offiziellen Berichts für die Saison 2020/21:

  • Zuckerausstoß: 10,67 Mio. t
  • Zuckerrohr-Erntefläche: ca. 20,35 Mio. mu (≈1,357 000 ha)
  • Zuckerimporte: 6,34 Mio. t (steigend)
  • Geografisch dominieren im Zuckersektor:
    • Südkantone: Zuckerrohr-Produktion (z. B. Guangxi, Guangdong, Yunnan)
    • Nordregionen: Zuckerrübe (z. B. Xinjiang, Inner Mongolia)

Konsum, Ernährung und aktuelle Entwicklungen

Der Zuckerkonsum pro Kopf in China gilt im internationalen Vergleich als relativ niedrig: Laut Helgi Library betrug der Konsum 2021 etwa 5,76 kg jährlich. Andere Quellen geben niedrigere Werte (z. B. 1,50 kg pro Kopf laut CEIC für 2021) – Unterschiede hängen von der Erhebungsmethode ab.

Zucker

Im Bereich der zuckerhaltigen Getränke zeigt eine Studie von 1990 bis 2019 eine starke Zunahme der Krankheits- und Sterbefälle in China durch übermäßigen Konsum süßer Getränke.

Das Gesundheits­bewusstsein wächst: In einer Publikation wurde hervorgehoben, dass Chinesen aufgefordert wurden, ihre Zuckerzufuhr zu senken (z. B. durch Programme wie das „Healthy China Initiative (2019-2030)“).

  • Prognosen: Laut einer Meldung wird erwartet, dass Chinas Zuckerkonsum bis 2030 auf rund 16,44 Mio. t steigen könnte.

Bedeutung für Küche, Kultur & Landwirtschaft

In der chinesischen Küche ist Zucker seit Langem wichtig – nicht nur zum Süßen, sondern auch zur Farbgebung und Würzung: z. B. beim Karamellisieren oder beim Einsatz von „冰糖“ (Rock Sugar bzw. Kristallzucker) insbesondere in südlichen Regionen.Traditionelle Herstellungs­methoden sind bis heute lebendig in manchen ländlichen Regionen: z. B. in Zhuotian (Fujian) wird Braunzucker noch nach altem Verfahren hergestellt.

Landwirtschaftlich stellt Zuckerrohr eine wichtige Einnahmequelle in südlichen Provinzen dar; Technologien und Sorten-Züchtung werden intensiv betrieben (z. B. die Sorte YZ05-51 mit hohen Erträgen und Zuckergehalt).

Herausforderungen und Ausblick

Zuckerrohr

Trotz Produktion von mehreren Millionen Tonnen besteht weiterhin eine Lücke zwischen Produktion und Konsum bzw. Import – China bleibt auf Zuckereinfuhr angewiesen.

Zukünftige Herausforderungen: Nachhaltigkeit, steigende Produktionskosten, Konkurrenz durch alternative Süßstoffe, Gesundheits­politik zur Begrenzung des Zuckerkonsums. Für den Zeitraum bis 2030 wird ein moderates Wachstum des Konsums erwartet, während die heimische Produktion stärker gesteigert werden soll.

Zucker-Anbau in China

Auch für Reisende kann es interessant sein, sich ein Zuckeranbau- und Herstellungsgebiet anzusehen. Hier drei Beispiele:

Guangxi Zhuang Autonomous Region (Süd-China)

Guangxi gilt als Chinas „Zucker-Schüssel“: Die Region liefert rund 60 % (teilweise bis zu zwei Drittel) des gesamten Zucker-Outputs des Landes. Der Großteil stammt hier aus Zuckerrohr (cane)-Anbau, nicht aus Zuckerrübe.

In den letzten Jahren wurde stark in Saatgut­züchtung, Mechanisierung und Digitalisierung investiert. Beispielsweise werden über 65 lokal entwickelte Zuckerrohr-Sorten genutzt.

Entwicklung & besondere Merkmale

2017/18: Pflanzfläche von 11,4 Mio mu (≈ 760.000 ha) und Zuckerrohreingang in die Fabriken ca. 50,83 Mio t; Zuckerproduktion rund 6,03 Mio t. Die Region bemüht sich um höhere Mechanisierungs- und Produktions­effizienz: z. B. digitales Feldmanagement, intelligente Erntemaschinen.

Die Koppelproduktion („Comprehensive utilization“) ist ausgeprägt. z.B. verwendet man Bagasse (Zuckerrohrreste) zur Strom- oder Papiergewinnung, Nebenprodukte gewinnen an Bedeutung.

Zuckerrohr

Herausforderungen & Besonderheiten

Trotz hoher Produktion ist die Konkurrenz durch alternative Export- und Importmärkte, Produktionskosten, Anbaufläche, Umweltbedingungen sehr hoch. Auch die politische Zielsetzungen spielen eine Rolle: z. B. Neubepflanzung von ehemaligen Eukalyptus­flächen mit Zuckerrohr zur Sicherung der Anbaufläche.

Die Wirkung auf ländliche Entwicklung ist beispielhaft: In der Stadt Laibin („eine Stadt, die aus Zuckerrohr-Felder gewachsen ist“) wurden in einem Bezirk Einnahmen durch die Zuckerrohr-Industrie in Milliardenhöhe generiert.

Warum ist Zuckerproduktion in Guizhou einen Abstecher wert?

Wenn du Regionen besuchst, die landwirtschaftlich geprägt sind — besonders im Süden Chinas — bietet Guangxi ein beeindruckendes Beispiel, wie Landwirtschaft mit Verarbeitung und Technologie kombiniert werden. Ein Besuch in einer Zuckerrohr-Anbauregion könnte spannend sein, um „den Weg vom Feld zur Fabrik“ zu sehen.

Yunnan Province (Südwest-China)

Yunnan gehört zu den größeren Zuckerrohr-Produzenten in China; für die Saison 2024/25 wurden etwa 18,063 Mio t Zuckerrohr verarbeitet, mit einer Zuckerproduktion von 2,4188 Mio t (+19 % gegenüber Vorjahr).

Die Region nutzt zunehmend Nebenprodukte: z. B. wird Melasse (Nebenprodukt der Zuckerproduktion) in der Yeast-/Hefetechnik verwendet. Eine Investition eines japanischen Unternehmens („sweet industry chain“) in Yunnan zeigt das deutlich.

Melasse Produktion
Melasse wird gesiedet

Entwicklung

In der Stadt Gengma (Lincang-Bezirk) wurden ca. 400.000 mu Zuckerrohr angepflanzt; dort generierte die Zuckerindustrie eine Wertschöpfungskette mit Bagasse-Verarbeitung zu ökologischen Produkten. Die Region importiert auch Zuckerrohr aus Nachbarländern (z. B. Myanmar, Laos) zur Verarbeitung in China – eine Art grenzüberschreitende Agrar-Kooperation.

Herausforderungen & Besonderheiten

Wetter- und Klimarisiken: z. B. eine Dürre in Yunnan 2019 führte zu starken Ernteausfällen bei Zuckerrohr.

Konkurrenz um landwirtschaftliche Fläche ist eine große Herausforderung, denn Zuckerrohr konkurriert mit anderen Cash-Crops (z. B. Gemüse, Blumen) und damit mit Logistik- und Infrastrukturkosten.

Warum Zucker in Yunnan eine interessante Ergänzung Deiner Reise ist

Yunnan zeigt, wie eine Region nicht nur auf reinen Anbau setzt, sondern Innovationspotenzial im Nebenprodukt-Bereich nutzt. Wenn dein Reiseprogramm auch ländliche Industrien und agrar-ökonomische Wechselwirkungen abdecken soll, wäre ein Besuch in Yunnan mit einem Fokus auf Zuckerrohr-Bioproduktion lohnend.

Fujian Province (Ost-China) – Tradition und kleinere Anbaugebiete

In Fujian, z. B. in Hongkou Village (Xitan Township, Fu’an), wird noch traditionell Braunzucker („brown sugar“) von Hand produziert, dabei wird Zuckerrohrsaft über Stunden erhitzt und gerührt.

In Songxi County wurde das Konzept „One Village, One Product“ mit der Sorte „Songxi Century Zuckerrohr“ entwickelt – damit stieg das Einkommen der Dorfbewohner.

Xi'an Kaffee

Außerdem ist Fujian Standort von Raffinerien, etwa in Zhangzhou. Dort geht Rohzucker über den Hafen ein und wird verarbeitet.

Merkmale & Bedeutung

Fujian zeigt eine kleinere, stärker traditionell orientierte Zucker-Kultur und nicht die Massenproduktion wie in Guangxi, sondern eher lokale Spezialitäten und Verarbeitungsformen. Die Kombination von Landwirtschaft, Handwerk und kleiner Industrie (z. B. handgemachter Braunzucker) macht Fujian interessant für Kultur- und Kulinarik-Reisen.

Warum ist Zuckerrohr in Fujian eine interessante Ergänzung Deiner China-Reise?

Wenn Dein China-Reiseprogramm auch kulturelle, traditionelle Wirtschaftsformen einbinden soll – z. B. wie Zuckerrohr-Anbau im Alltag und in der Küche eine Rolle spielt – dann wäre Fujian ein reizvoller Kontrast zu den großen Produktionsregionen im Süden.

Quellen

Links

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Ulrike

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