Journalistisches (Alp-) Traumland China

Zuletzt aktualisiert vor 8 Monaten

Journalismus in China ist kein leichtes Thema. Umsomehr hat mich die Offenheit in dieser interessanten Podiumsdiskussion überrascht und gefreut.

Wie sieht es aus mit dem Journalismus in China?

Podiumsdiskussion Journalismus in China Teilnehmer.

Podiumsdiskussion, organisiert vom Deutsch-Chinesischen Mediennetzwerk e.V. (23.10.15 Hamburg)

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Von der Webseite des zhongde-Media.net:

Gäste:

BERNHARD BARTSCH ist Senior Expert Deutschland und Asien der Bertelsmann Stiftung. Für die Stiftung analysiert er politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen in Asien und ihre Folgen für Deutschland und Europa. Bis 2013 war er über zehn Jahre Ostasienkorrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien, u.a. brand eins, Frankfurter Rundschau und Neue Zürcher Zeitung.

CAO HAILI war von April 2012 bis Ende 2014 Chefin vom Dienst der chinesischen New York Times-Website. Sie gehörte zum Gründungsteam des Wirtschaftsmagazins Caijing, baute Büros in Shenzhen und Schanghai auf, war Auslandsreporterin und Auslandsredakteurin des Magazins. Später war sie Reporterin für die Pekinger Mediengruppe Caixin Media. 2007 erhielt sie ein Deutsch-Asiatisches Journalistenstipendium der IJP. 2008 war sie Nieman Fellow an der Harvard University.

ANGELA KÖCKRITZ, geboren 1977 in München, arbeitete nach einem Volontariat bei derSüddeutschen Zeitung ab 2007 als politische Reporterin und Redakteurin bei der Zeit. Von 2011 bis 2014 war sie Peking-Korrespondentin der Zeit. Heute lebt sie in Berlin und Hamburg. 2015 wurde sie mit dem Merics-Preis für Chinaberichterstattung ausgezeichnet. Kürzlich erschien ihr Buch „Wolkenläufer – Geschichten vom Leben in China“, das durch ein Grenzgänger-Stipendium der Robert Bosch Stiftung gefördert wurde.

Moderation:

SUSANNE KOELBL ist seit 1991 Auslandskorrespondentin beim Spiegel. Sie berichtet regelmäßig aus Krisengebieten, u.a. im Mittleren Osten und Südasien. Im Rahmen des Programms „Medienbotschafter China – Deutschland“ der Robert Bosch Stiftung verbrachte sie 2011 drei Monate in Peking, 2011/2012 war sie zudem Knight Wallace Fellow an der University of Michigan.

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Wie sieht es also aus mit Journalismus in China?

Welche Herausforderungen sind zu bewältigen, welche Stolpersteine können auf dem Weg liegen?

An diesem Abend wurde über China, dem „Alptraumland“ für Journalisten, gesprochen. Vom „Traumland“ China war da weniger die Rede.Die teilnehmenden Journalisten erzählten aus ihrer Zeit in China, von den Widrigkeiten des Berufsalltages. Welche Herausforderungen sieht man sich als Journalist gegenüber? Was geht, was geht nicht?

Einig waren sich alle, dass man als westlicher Journalist in China nicht arbeiten kann ohne chinesische Mitarbeiter. Egal, wie gut man die Sprache spricht, egal wie gut man sich auskennt: Man bleibt der Westler, der schon durch sein Aussehen hervorsticht, anders ist. Da ist es hilfreich, wenn man seinen chinesischen Mitarbeiter ins Dorf schickt, wenn man über das Landleben mit allen Facetten schreiben will.

Da gibt es dann aber die Verantwortung, die der Westler für seine Mitarbeiter hat. Wenn der chinesische Journalist Fehler macht, oder zu weit geht, dann ist auch der westliche Journalist mit dran.

So berichtete Frau Köckritz von einer Mitarbeiterin, die sich sehr von der Occupy-Bewegung in Hongkong beeindrucken ließ und über sie, die von der chinesischen Regierung als gegen sie gerichtete Bewegung angesehen wurde, auch in China weiterarbeitete.

Damit war die sog. Rote Linie überschritten. Die Chinesin wurde inhaftiert und musste einige Zeit im Gefängnis verbringen. Auch Frau Köckritz wurde mehrfach verhört. Schließlich verließ sie China.

Die Rote Linie im Journalismus

Von dieser unsichtbaren Roten Linie war mehrfach die Rede. Natürlich gibt es auch in China Gesetze und Regeln, die das Leben und Arbeiten von Journalisten bestimmen. So lange man sich daran hält, so sollte man meinen, ist alles gut. Aber auch da gibt es diese Rote Linie.

Meint ein Offizieller, ein Provinzkader, ein staatlicher Beamter, dass diese Rote Linie, die er manchmal unbewusst gezogen hat, überschritten ist, ist der Journalist in Schwierigkeiten. Auch wenn man sich komplett in dem gesetzlichen Rahmen bewegt, kann es passieren, dass jemand die Stabilität in seinem Verantwortungsbereich bedroht sieht. Schon ist die Rote Linie überschritten.

Und darum geht es: die Stabilität zu bewahren. Das ist eines der wichtigsten Ziele chinesischer Offizieller.

Dann gibt es sowas, das ich gerne als Trampelpfad-Methode bezeichnen möchte. Denn es ist durchaus möglich, die Rote Linie zu überschreiten. Aber nur ein kleines Bisschen. Ein Schrittchen, ein wenig an der Linie ruckeln dann abwarten, was passiert. Vielleicht gibt es eine erste Reaktion, meistens aber passiert nichts.

Ein fast unsichtbarer Pfad ist entstanden. Wenn man sieht, dass Ruhe einkehrt, wird der nächste weitere Schritte auf dem Pfad tun. Wieder passiert nichts. Und irgendwann wird aus dem schmalen Trampelpfad ein breiter Weg. Die Rote Linie ist überschritten und dann einfach verschwunden.

Weibo und WeChat – Social Media in China

Social Media sind mittlerweile von großer Bedeutung in China, auch für den Journalismus. Jede chinesische Behörde hat nun ihre eigenen Accounts. Aber auch die Bevölkerung nutzt diese, so dass ein Minister überrollt wird von kritischen Kommentaren auf seine Nachrichten. So ist es kürzlich dem chinesischen Kultusministerium ergangen, kaum dass es seinen Weibo-Account freischaltete: People’s Daily

Zensur

Natürlich gibt es in China die Zensur. Als Journalist muss man jede Recherche anmelden und jeden Bericht einreichen. Doch hatte ich den Eindruck aus der Diskussion, dass dies die Arbeit der Journalisten vor Ort kaum einschränkt. Es macht alles nur umständlich und kompliziert. Generell ist mehr freier Journalismus in China möglich, als man sich vorstellt.

Herausforderung Themenvielfalt

Eine besondere Herausforderung, der sich westliche Journalisten in China gegenüber sehen, hat gar nichts mit den chinesischen Behörden zu tun, sondern kommt von den westlichen Zeitungsherausgebern. Auch wenn man sich selbst als investigativer Journalist mit Schwerpunkten wie Wirtschaft oder Politik sieht, so werden auch Wünsche nach touristischen oder kulturellen Artikeln an den Journalisten vor Ort herangetragen. Wenn man schon mal in der Gegend ist…

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Ulrike

5 Gedanken zu „Journalistisches (Alp-) Traumland China“

  1. Ne, ich glaub nicht, dass das problematisch ist, Frau Köckritz hat ja ganz offen den Namen genannt. Der ist ja auch bekannt. Ich bin nur manchmal übervorsichtig.

  2. Die Zeit hat vor ein paar Wochen noch mal ein Update zum Fall Miao (Köckritz‘ chinesische MItarbeiterin) veröffentlicht. Während Miao ja freikam, haben sie jetzt ihren Anwalt inhaftiert 🙁 Seit dem Artikel kam glaube ich nichts mehr, ich hoffe, der Mann kommt auch bald wieder frei.

Ich freue mich auf Deinen Kommentar!