Qingdaos deutsche Vergangenheit

Qingdao, das einstige Tsingtao, ist wohl die deutscheste Stadt in China. Sie ist heute weltweit berühmt für das leckere Tsingtao-Bier und als Austragungsort der Segelwettbewerbe der Olympischen Sommerspiele von Peking 2008.

青岛市 • Qīngdǎo Shi = Grüne Insel + Stadt

Qingdao deutsche Kirche

Qingdao ist eine Hafenstadt in der Provinz Shandong im Osten der Volksrepublik China. Die Abkürzung der Stadt 青, qīng bedeutet „grün“, „blaugrün“, „türkis“, aber auch „üppig / saftig“ mit Anspielung auf die Vegetation.

Von 1898 bis 1919 gehörte die Stadt als Kolonie (Kiautschou) zum Deutschen Reich. (Wikipedia)

Qingdao ist heute eine moderne Stadt mit rund 8 Millionen Einwohnern. Doch inmitten der Wolkenkratzer findet man noch das deutsche Herz. Alte Villen, Kirchen und der Bahnhof erinnern an die deutsche Vergangenheit. Ich selbst hatte 1993 die Hafenstadt Qingdao bei einem Wochenendausflug kennengelernt,

Ich freue mich, dass Ingrid Kosmala mit diesem Gastartikel uns einen tiefen Einblick in ihre Familiengeschichte damals in Qingdao gibt.

Das Leben der Familie Wolter in der Deutschen Konzession

Von Ingrid Kosmala

Familie in Qingdao

Meine Großeltern lebten viele Jahre in der Stadt Tsingtao (heute Qingdao), im damals Kiautschou genannten Pachtgebiet des Deutschen Kaiserreichs von 1898 -1914 im Nordosten Chinas.

Mein Großvater Franz Wolter (*29.01.1872, Bromberg – †21.07.1927, Hamburg) war von Beruf Maschinist und als Staatstaucher bei der kaiserlichen Marine in Kiel tätig. Er wurde nach Tsingtau für den Kanalbau abkommandiert. Zur damaligen Zeit entstand dort eine kleine deutsche Kolonie, von denen Sie in der ganzen Stadt noch heute die Spuren sehen können. Gerade Häuser wie das Rathaus oder die verschiedenen Kirchen der Stadt zeugen von dieser Zeit. Auch die damals erbaute Brauerei ist noch heute zu besichtigen und produziert noch immer das weltbekannte und beliebte Tsingtao-Bier, das mittlerweile auch in Deutschland gekauft werden kann!

Meine Großmutter Anna Julie Berta Heuer (*13.7.1878, Glückstadt an der Elbe, †13.11.1947, Hamburg) kam aus gut bürgerlichem katholischen Hause. Ihr Vater war Kupferschmied und Glockengießer und hatte noch selbst am Michel und am Elbtunnel mitgearbeitet.

Und so beginnt die chinesische Geschichte meiner Familie: Als gut behütetes Mädchen besuchte meine Großmutter nun eines Tages ihre Tante in Kiel. Am Abend ging es zu einem der groß gefeierten Bälle. Dort traf sie die hübschen Jungs von der Marine – und damit meinen Großvater! Es muss wohl Liebe auf den ersten Blick gewesen sein, denn nach vier Wochen stand der Entschluss fest: Wir gehören zusammen. Gesagt, getan, die Eltern total geschockt: Aber die Liebe hatte gesiegt!

Qingdao

Im Jahr 1898 heirateten die beiden. Meine Großmutter blieb allerdings noch bei ihren Eltern wohnen, bis das erste Kind geboren wurde und folgte meinem Großvater dann ins ferne China. Alle Formalitäten wurden rasch erledigt und die lange Reise begann.

Qingdao Kirche

Mein Großvater, hatte bei der Ankunft seiner Frau – meiner Großmutter – bereits zwei Jahre alleine in Tsingtao gelebt und das war nicht ohne Folgen geblieben. Mit seiner Haushälterin hatte er bereits eine kleine Tochter. Meiner Großmutter wird diese überraschende Wendung sicherlich nicht gefallen haben, doch sie lebten weiterhin unter einem Dach zusammen.

Meine Großmutter fand sich in Tsingtao rasch zurecht und kümmerte sich aufopfernd um Waisenkinder. Mit einem Planwagen war sie tagelang unterwegs bis zum nächsten Kloster, wo die Kinder liebevoll von Nonnen aufgenommen wurden. Meine älteste Tante Rosa ging dort zur Schule und meine Großmutter bekam noch vier weitere Kinder, darunter meinen Vater Franz Wolter, der am 14.10.1906 geboren wurde.

Kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges war mein Großvater im Bergbau tätig, geriet jedoch schon kurze Zeit später in Kriegsgefangenschaft. Vor diesem Hintergrund musste meine Großmutter das Land an Heiligabend des Jahres 1914 ohne meinen Großvater und nur mit ihren Kindern verlassen.

1920 kam mein Großvater aus China zurück und hatte trotz seiner Zeit in Gefangenschaft großes Heimweh. Er reichte zeitlebens immer wieder Gesuche ein, um nach China zurückgehen zu dürfen – Leider allesamt ohne Erfolg. Mit ihm nach Hamburg gekommen war seine chinesische Tochter, doch ihr Heimweh war zu groß und sie durfte ohne Probleme nach einigen Jahren zurück nach China reisen.

Was aus ihr geworden ist? Wir wissen es nicht, denn als mein Großvater starb, brach der Kontakt leider ab.

Der Kontakt bricht ab

Die chinesische Vergangenheit meiner Familie prägte sowohl meine Großeltern, meine Eltern als auch mich. Meine Großeltern haben sich beide bis zu ihrem Lebensende mit Aufopferung und Einsatz um chinesische Mitbürger in Hamburg gekümmert! Auch meine Eltern – und gerade mein Vater als „gebürtiger Chinese“ – hatten stets ein großes Interesse am Reich der Mitte und so erlebte ich immer und zu allen Zeiten eine freundschaftliche und liebevolle Beziehung zu China!

Sehenswürdigkeiten in Qingdao
In der Kolonialzeit wurde viel in Tsingtau gebaut. Einige Gebäude mit deutscher Architektur sind heute noch aus dieser Zeit erhalten. Vor allem die Jiangsu Lu, aber auch in vielen anderen Gassen, säumen heute noch die alten, deutschen Häuser. Dort steht auf einem Hügel die evangelische Christuskirche. Sie wurde am 19. April 1908 gegründet und am 23. Oktober 1910 eingeweiht. Quelle: andersreisen.net

Oder schaut auch mal hier: Die deutsche Straße auf dem Blog Reisen und Essen.

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5 Gedanken zu „Qingdaos deutsche Vergangenheit“

  1. Danke an Ingrid Kosmala für den interessanten Bericht. Qingdao will ich schon seit wenigstens zwanzig Jahre besuchen, bin aber nie dazu gekommen. China ist einfach viel zu gross. Aber jetzt habe ich Qingdao immerhin aus einen neuem Blickwinkel kennengelernt
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