Darum nervt dieses Buch – Buchrezension

Zuletzt aktualisiert vor 8 Monaten

Darum nerven Chinesen

Der ungeschminkte Wahnsinn des chinesischen Alltags

von Heike Barai

Von einem lieben Freund wurde mir dies Buch geschenkt. Deshalb habe ich lange überlegt, ob ich über das Buch schreiben soll. Denn ich habe selten ein Buch gelesen, in dem jedes gängige Vorurteil über die Chinesen bedient wird. Ich habe mich manchmal so geärgert, dass ich überlegt habe, es zu den Büchern zu legen, über die ich sage: „die Autorin soll froh sein, wenn ich nicht darüber schreibe!“

Ich habe es ein paar Wochen ruhen lassen und jetzt noch einmal angefangen, einzelne Passagen daraus zu lesen. Schon das Vorwort lässt wieder den Zorn in mir hochkommen.

„Es ist nämlich so:“, schreibt die Autorin, „Ich mag China. Ehrlich. Nicht nur trotz der vielen Widrigkeiten, mit denen der Alltag in China einhergeht, sondern gerade wegen der vielen schrägen Begegnungen und aus europäischer Sicht so unlogischen Probleme, an denen wir Westler uns regelmäßig die Nase blutig stoßen (und dies nicht nur, weil sie so groß ist).“ Ja, Heike Barai hat Vorurteile gerne, nicht nur die über China.

Weiter verlangt sie, dass man das Buch „Darum nerven Chinesen“ mit Humor lese. Man möge bedenken, dass China so groß und alt sei, dass Platz ist für viele Wahrheiten. Warum hat sie sich dann aber anscheinend nur dort aufgehalten, wo ihre Vorurteile bestätigt und noch verstärkt wurden?

Es beginnt gleich mit dem 1. Kapitel: Überschrift „Schau mal, der Ausländer kann sprechen! – Warum es sich nicht lohnt, das Chinesische perfekt zu beherrschen – Warum sich Ausländer immer im Ton vergreifen“

Naja, da kann ich mitreden. Ich habe Chinesisch gelernt und kann auch 25 Jahre nach meinem Studium in Peking genügend Schriftzeichen lesen, um nicht nur den „Eingang einer U-Bahn von einer unterirdischen Toilette unterscheiden“ zu können. Wenige Sätze später heißt es „Ich bin mir sicher: Die Chinesen haben diese Schrift nur erfunden, um uns Ausländer richtig dumm aussehen zu lassen.“

Hier hätte ich mir eine Erklärung dazu gewünscht, dass die Schriftzeichen sich aus der Entwicklung und Geschichte Chinas erklären lassen. Und dass sie auch heute noch durchaus Sinn machen, denn die vielen Dialekte und Sprachen Chinas haben eins gemeinsam: die Schriftzeichen. Wenn man sich mündlich nicht versteht, so doch über die Schriftzeichen. Dabei ist positiv anzumerken, dass die meisten Chinesen lesen und schreiben können.

In diesem Stil geht es weiter. Hier nur einige Kapitel-Überschriften aus „Darum nerven Chinesen“:

Sind Ausländer Menschen? – Barbaren tragen Lolex – Welche Völkerfreundschaft?

Alle Kakerlaken fliegen hoch! – Kakerlaken können fliegen – Rotzen ist gesund
Spätestens in diesem Kapitel erfährt der Leser, dass es überall Kakerlaken gibt, vorzugsweise in der Größe einer Zigaretten-Schachtel. Ich hab in China selbst eher wenige dieser unappetitlichen Tierchen gesehen. Wir hatten sie in Peking im Studentenwohnheim zu Tausenden. Aber, wenn man die nicht mit Essensresten gefüttert hat, dann hat man sie kaum bemerkt. Ihre Größe war auch ziemlich harmlos: höchsten 1,5 cm. Es kann sein, dass ich damit Glück gehabt habe.

Unterwegs im Reich der Vielen – On the Road im Schlafanzug – Die Feinheiten der chinesischen Sockenmode
„Ab einer Reisedauer von sechs Stunden scheint es in China (…) unablässig, in bequeme Kleidung zu wechseln. Am besten in den Schlafanzug…“
Ja, der Schlafanzug gilt in China sogar als mögliche Straßenkleidung. Aber dass sich im Flieger die Chinesen generell umziehen, habe ich bislang noch nicht erlebt.

Was erfährt man also in dem Buch über China? Die Chinesen sind laut, dreckig, ungebildet und rücksichtslos Fremden gegenüber. Und das nervt mich wirklich an dem Buch! Ich habe sicherlich das Eine oder Andere auch so erfahren. Auch ich habe anfangs erlebt, dass das, was ich an China am meisten mochte, war, dass ich das alles überstanden habe, jede Herausforderung gemeistert habe.

Es gibt sicherlich einige unangenehme Gewohnheiten der Chinesen oder man versteht nicht, was gerade vorgeht. Aber doch nicht so häufig, so extrem wie in diesem Buch geschildert! An vielen Stellen hätte ich mir gewünscht, dass Heike Barai erklärt, wie es zu dem geschilderten Vorgang kommen kann. Welche Geschichte hinter so manchem steckt, was wir Westler nicht sofort verstehen.

Ich kann das Buch „Darum nerven Chinesen“ niemandem empfehlen, der sich auf seine erste Reise nach China vorbereitet. Für langjährige China-Reisende kann es an manchen Stellen ganz lustig sein. Man wird Selbsterlebtes wiedererkennen. Aber ist es das wert?

Darum nerven Chinesen
Buch: Darum nerven ChinesenTaschenbuch: 192 Seiten

Verlag: Piper Taschenbuch (12. Februar 2013)

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3492300693

ISBN-13: 978-3492300698

€ 8,99

Wenn Ihr Euch ein korrektes Bild von den kulturellen und sonstigen Eigenarten der Chinesen machen wollt, dann empfehle ich Euch das Buch „Der China-Knigge“ von Petra Häring-Kuan: mehr

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Ulrike

14 Gedanken zu „Darum nervt dieses Buch – Buchrezension“

  1. Ja, mich ärgert es vor allem, wenn ich in solchen Büchern lese, dass der Autor/die Autorin sich selbst als Kennerin bezeichnet und behauptet, das Land zu lieben.
    LG
    Ulrike

  2. Ich habe das „Darum nerven Japaner“-Buch gelesen und mich auch furchtbar geärgert. Vor allem der unreflektierte Eurozentrismus wie auf die „anderen“ Asiaten herabgesehen wird.

  3. Hallo Oli,
    ja, es ist traurig, dass solche Bücher populär sind.
    Ja, das mit den Kakerlaken habe ich ähnlich erlebt wie Du. Aber ich habe keine gesehen, die so groß war wie eine Zigarettenschachtel. Und vielleicht bin ich auch etwas abgehärtet, weil ich in Indien oder Thailand sehr viel mehr und sehr viel größere Kakerlaken als in China erlebt habe.
    Das Problem des Buches sehe ich darin, dass nicht nur im Titel sondern auch im Inhalt sämtliche gängigen Vorurteile über China bedient werden.
    Ne, ich mag das Buch nicht!

  4. Vorurteile wollen gefüttert werden. Deswegen wird sich dieses Buch wohl auch besser verkaufen als ein Titel, der versucht Vorurteile zu hinterfragen und abzubauen. Deswegen sind wir (als Gesamtheit der Konsumenten) wohl mitverantwortlich dafür, dass es solche Bücher überhaupt gibt.

    Zu den Kakerlaken muss ich allerdings hinzufügen: Ich habe in Peking in fünf Wohnungen gelebt und jede einzelne davon war am Anfang voll mit Kakerlaken – wenn ich mir die Küche bei der Übernahme angeschaut habe, dann war mich auch klar wieso. Die grössten Tiere waren etwa zwei Zentimeter.

  5. Diese „Darum nerven…“-Bücher sind häufig wohl nur eine Aneinanerreihung von Klischees. Sowas kann man lustig verpacken – oder halt völlig danebengreifen.

  6. Dass es so ein Buch auch über Japaner gibt wollte ich gerade kommentieren. Das habe ich mir aber auch nicht angetan, denn diese Bücher sind gar nicht dazu gedacht, kulturelle Unterschiede zu erklären. Es geht einfach nur um „Haha Japaner/Chinesen sind so komisch“.

  7. Danke! Ich glaube nicht, dass ich mir das Buch gekauft hätte. Wie ich inzwischen erfahren habe, gibt es interessanterweise ein ähnliches Buch über Japaner, auch im Piper-Verlag. Ob die das so nötig haben? Größtmögliche Wirkung… ja, das mag es wohl sein.
    LG
    Ulrike

  8. Au weia. Klingt sehr seltsam und vorurteilsbelastet. Womöglich hätte ich Buch gekauft, wenn es mir untergekommen wäre. Also – danke für die Warnung .

  9. Danke für die Warnung – sich dieses Geschreibsel anzutun, scheint eine reine Zeit- und Kraftverschwendung zu sein… Ganz großes Dankeschön, dass du beides auf dich genommen hast…
    Liebe Grüße!

  10. Ich bin ja generell bereits ein bisschen skeptisch, wenn ich Buchtitel dieser Art entdecke. Wenn der Klappentext ähnlich formuliert ist und der Stil auf den ersten beiden Seiten sich nicht unerwartet völlig unterscheidet, gebe ich es mittlerweile auf und lasse das weiterlesen. Hier klingt es so, als wäre etwas bemüht lustig und auf größtmögliche Wirkung bedacht geschrieben – zu Lasten der objektiven Betrachtung.
    Von China habe ich zu wenig Ahnung, als dass ich Details daraus beurteilen könnte, Ulrike, aber ich kann deinen generellen Unmut über die Art und Weise der Darstellung gut nachvollziehen.

    LG Michèle

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