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Chengdu abseits der Touristenpfade: Das Grab des König Wang Jian
2013 – Tag 2 in Chengdu. Ich grübele, was ich heute unternehmen will. Irgendwie muss ich mich erst wieder daran gewöhnen, in China zu sein. Zu meinem geplanten Ausflug nach Sanxingdui habe ich noch keine rechte Lust. Ich hänge beim Frühstück über dem hübschen Stadtplan, den ich im Hostel bekommen habe, und mache Pläne:
Mir fällt eine Sehenswürdigkeit im Westen auf: Das Grab des Wang Jian. Nie etwas davon gehört. Im Reiseführer steht auch nichts. Es scheint einfach erreichbar zu sein: Immer geradeaus, notfalls ein paar Stationen mit dem Bus. Ja, und von dort aus ist es nicht weit zu dem weit bekannteren Tempel der Bronzeziege. Danach das Sichuan Museum und das Stadtzentrum – mir ist klar, dass es ein anstrengender Tag wird. Aber es wird ein Tag ganz nach meinem Geschmack werden!
Ich mache mich relativ früh auf den Weg. Um 8 Uhr ist die Luft noch frisch in den Großstadtstraßen, die Läden werden gerade geöffnet, die Fenster und Bürgersteige geputzt und vor manch einem Geschäft treten die Mitarbeiter zum Morgenappell an. Das ist China pur und jeder Meter bietet neues zum Schauen und Staunen.
Schließlich erreiche ich eine Kreuzung an der zweiten Ringstraße. Großes Polizeiaufgebot: Nanu, was ist denn hier los? Ah, Verkehrsunterricht! Freundlich werden vor allem Motorradfahrer an den Straßenrand gewunken und müssen sich ein paar Plakate ansehen und sich eine Ermahnung der Polizisten anhören. Ich stehe eine Weile dabei und staune.
Das Grab des Königs Wang Jian
Erst nach ein paar Minuten entdecke ich den Park hinter der Kreuzung mit einem großen Brunnen am Eingang und vielen Bronzefiguren auf einzelnen Podesten drumherum. Und die Statuen sind wunderschön! Modern und doch altmodisch realistisch. Sie stellen Frauen mit unterschiedlichen traditionellen Musikinstrumenten dar.
Später erfahre ich, dass sie nach Reliefs in dem Grab des König Wang Jian geschaffen wurden. Wang Jian wurde also nicht nur mit einigen Kriegerfiguren sondern auch mit seinem Palastorchester begraben. Das war für seine Zeit eher ungewöhnlich, denn Wang Jian lebte zum Ende der Tang-Dynastie und wurde 918 begraben. Er war ein lokaler Herrscher des Shu-Staates in der Zeit der 5 Dynastien und 10 Staaten.
Ich war also beim Grab angekommen! Wie man es schon von den berühmten Ming-Gräbern bei Peking kennt, gibt es auch hier einen Seelenweg mit diversen steinernen Tieren und Kriegern. Das Grab selbst besteht aus drei Hallen, die man in den 1940er Jahren beim Bau eines Schutzbunkers entdeckt hat.
Ein wenig Geschichte
1942 begann man mit professionellen Ausgrabungen. Das Grab und das große Mausoleum soll spektakuläre Fresken enthalten haben. Aber bereits in der Song-Dynastie (960-1127) wurde es ausgeraubt und zerstört. Heute kann man nur noch die Reliefs an dem Sockel, auf dem einst der Sarkophag gestanden hat, und eine Statue des Königs Wang Jian sehen.
In den unruhigen Zeiten während des Japanischen Krieges und der Gründung der Volksrepublik China wurde das Grab sorgfältig verschlossen. Erst 1961 wurde es wieder geöffnet und weiter erforscht. Als besonders schützenswertes Denkmal überstand das Grab die Kulturrevolution und wurde 1979 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Das wichtigste und schönste sind die Reliefs mit Musikantinnen und Tänzerinnen, die man aber im Grab selbst kaum betrachten kann, da es dort sehr eng ist. Fotografieren darf man natürlich auch nicht. Umso schöner ist es, sich die wunderbaren Statuen draussen anzusehen! 22 Musikerinnen ergeben das Palastorchester. Jede spielt ein anderes traditionelles Instrument. In dem kleinen dazugehörigen Museum kann man die Figuren als Zeichnungen betrachten. Dabei gibt es alte Musikinstrumente und Erklärungen zur Funktion und Geschichte.
Die Pipa
Dieses Saiteninstrument wurde geschlagen wie eine Laute. Die Pipa war eines der wichtigsten Musikinstrumente während der Tang-Dynastie. In der Wiedergabe sieht die Pipa-Spielerin etwas größer aus. Das bedeutet, dass dies das führende Instrument des Orchesters war. Sie kam über die Seidenstraße mit persischen Kaufleuten an den Kaiserhof in Chang’an (Xi’an) während der Tang-Dynastie.
Mir gefällt der große Park, der sich rund um den Grabhügel erstreckt. Ich wandere umher, wechsle ein paar Worte mit den Großmüttern, die ihre Enkelkinder ausführen, schaue anderen beim Tai Chi zu und lausche einem Chor, der in einem Pavillon probt.
Ich freue mich, dass ich hierher gekommen bin. Dann mache ich mich auf zum Bronzeziegen-Tempel, einem lebendigen daoistischen Tempel, der auch nicht von Touristenmassen überschwemmt wird.
Das Grab des Wang Jian ist auch bekannt als das Yongling Mausoleum. Es liegt an der Fuqin Dong Road im Westen Chengdus.
Links
- Hier findet man noch mehr zu Wang Jian (Englisch): Link
- Chengdu: Tempel der Grünen Ziege
- Meine Top Sehenswürdigkeiten in Chengdu
- Archäologie in China – China Nachrichten - 30. Oktober 2024
- Spannende Tiere auf dem Bambooblog – Übersicht - 29. Oktober 2024
- Fledermäuse, weltweit geliebt, gefürchtet oder verabscheut - 27. Oktober 2024
Das ist fast überall so in chinesischen Städten. Es gibt einige berühmte Sehenswürdigkeiten und der Rest ist vergessen. Die meisten Touris haben auch einfach zu wenig Zeit. Leider!
Kaum zu glauben, dass sowas so wenig besucht wird.
Danke für die Info. es scheint, es gibt Dinge, die stehen in den Büchern und keiner geht hin! Ist auf jeden Fall sehenswert!
Also in meinen beiden China-Reiseführern ist das Grab des Wang Jian drin. Aber eigentlich wollte ich sagen, dass ich den Beitrag sehr schön finde und bei einem eventuellen neuerlichen Besuch in Chengdu bestimmt hingehen werde.
Dies Grab den Wang Jian wird wenig besucht. Vor allem so gut wie gar nicht von westlichen Touristen. Die Chinesen interessieren sich mehr und mehr für ihre Geschichte.
Ich werde gleich einen Link zu der Geschichte von Wang Jian einfügen.
Was mich interessiert: Werden solche Orte mehr von Toruisten, oder auch stark von Einheimischen besucht? Wie stehen Chinesen überhaupt ihrer Vergangenheit gegenüber? Ich könnte mir vorstellen, dass solche alten Herrscher alles andere als Menschenfreundlch waren.