Eintauchen in die Vergangenheit: Die Xicheng Hutongs

Zuletzt aktualisiert vor 7 Monaten

Zum Beispiel die Xicheng Hutongs: Entgegen aller Unkenrufe bleibt so manche alte Straße (Hutong) erhalten. Ja, die Häuser werden liebevoll renoviert und endlich mit Heizung und fließend Wasser ausgestattet!

Xicheng Hutongs - Klönschnack an der Fuchengmennei-Straße.
Xicheng Hutongs – Klönschnack an der Fuchengmennei-Straße

Weniger bekannt und besucht als die Altstadtgebiete rund um den Houhai-See in Peking ist das Viertel „Xicheng“. Xicheng bedeutet einfach „Weststadt“ im Gegensatz zu „Dongcheng/ Oststadt“. Diese Stadtteile nördlich der berühmten Changan-Avenue sind die Viertel mit den meisten gut erhaltenen alten Häusern.

Hier lebten einst die höheren Beamten und die Adligen der Kaiserdynastien. So waren viele der Hofhäuser früher luxuriöse Häuser mit mehreren Höfen und auch Gärten. Erst mit dem Ende der Kaiserzeit und vor allem mit Beginn der Volksrepublik China in den 1950er Jahren wurden viele Häuser von ihren Besitzern verlassen und es zogen einfache Leute ein. Wohnraum war rar, und so wohnten die Menschen nun dicht gedrängt in den Höfen. Manchmal bewohnten mehrere Familien ein Zimmer.

Xicheng Markt
Xicheng Markt

Woher kommt das Wort Hutong?

Hutong ist ein Wort mongolischen Ursprungs (mongolisch hottog), das so viel wie Quelle bedeutete, da die Bewohner dieser Hutongs oft in der Nähe eines Brunnens wohnten.

 胡同 •  hútong = nachlässig + zusammen, gemeinsam

Die Bedeutung im Chinesischen ist eine andere, nicht weniger treffende, als das Mongolische Wort, für das es ursprünglich eine lautmalerische Übertragung war.

Leben in den Hutongs

So vornehm diese Wohnviertel einst waren, so hatten sie niemals Toiletten gehabt. Auch fließendes Wasser gab es nicht. Das eine oder andere Anwesen hatte einen eigenen Brunnen. Später wurden öffentliche Toiletten erbaut. Der Anblick des Fäkaliensammlers war noch bis vor kurzem ein ganz normaler Anblick in Peking. Sehr selten kann man die auch heute noch sehen. Der anrüchige Inhalt ihrer Fässer war einst reines Gold wert, war dies doch ein exzellenter begehrter Dünger.

Im Hotel
Im Hotel

Ich habe dieses Viertel der Weststadt erst 2009 so richtig erkundet. Dort gibt es auch ein paar kleine Hotels, die in alten Gebäuden untergebracht sind. Man kann sich also ganz dem kaiserzeitlichen Gefühl hingeben allerdings mit Badezimmer, Heißwasser und Heizung. Ja, die Heizung war wichtig, da ich Anfang November dort war. Es war sehr, sehr kalt und es fiel Schnee.

Winter in den Xicheng-Hutonds

Der Schnee blieb nicht lange liegen, aber er sorgte ein paar Tage lang für Matsch und kalte Füße. Anfangs wurde in dem Hotel die Heizung nicht eingeschaltet, denn das wird traditionell in Peking erst am 15. November gemacht (siehe auch: Die Heizungsgrenze). Als ich nach meinen ersten Besichtigungen mit eiskalten Füßen zurück kam, habe ich mir einfach ein heißes Fußbad gegönnt. Am nächsten Tag wurde auch die Heizung aktiviert.

Schlafen wie im alten China
Schlafen wie im alten China

Die kleinen Gassen, eben diese Hutongs, sind meistens zu eng für Autos. Deshalb ist es besonders schön und ruhig, umherzuwandern. Viele Häuser wurden 2009, als ich hier war, renoviert. Eine schöne U-Bahnstation, Xisi, bildet den idealen Ausgangspunkt für Exkusionen in das interessante Gebiet. Man will wohl auch mehr Touristen hierher locken, um die Gebiete um den Trommel- und Glockenturm, wo sich die Touris in Massen durchschieben, zu entlasten.

Xicheng
Xicheng

Ich liebe es, ziellos herumzuwandern, die alten Türen zu bestaunen und mich in die schönen Details zu versenken. An der Ecke stehen die Menschen im Gespräch, ein kleiner Markt lockt die Einheimischen zum Einkauf. Es gibt auch noch öffentliche Toiletten, im Winter nicht so sehr durch den Geruch erkennbar.

Manchmal schiebt ein Tofuverkäufer mit lauten Rufen sein mit Tofu in vielen Varianten beladenes Fahrrad durch die Gassen. Kinder spielen, Hemden trocknen in der Sonne. Man kann hier noch einem Scherenschleifer begegnen, oder man findet einen Laden, wo man zusehen kann, wie frische Nudeln mit einer uralten Maschine gemacht werden. Das ist Pekinger Leben, authentisch und bunt!

Detail
Detail

Sehenswürdigkeiten

Das Viertel hat auch so einige Sehenswürdigkeiten zu bieten: Der Guangji-Tempel ist ein lebendiger buddhistischer Tempel und Sitz der Chinesischen Buddhistischen Gesellschaft. Viele Gläubige zünden hier Kerzen und Räucherstäbchen an. Die lokalen Mönche halten regelmäßige Zeremonien und Rezitationen ab. Wenige Touristen verirren sich hierher.

Guangji Tempel
Guangji Tempel

Ein paar Schritte die Fuchengmennei-Straße hinunter gibt es den Ahnentempel der Monarchen. Auch der Tempel der Weißen Pagode gehört noch zu dem Viertel.

Zum Hotel, in dem ich gewohnt habe: Es war das Zhong Tang Hotel. Allerdings habe ich nicht mehr herausfinden können, ob es noch existiert. Das Hotel hat (hatte?) 17 Zimmer. Es war relativ einfach eingerichtet, aber sehr ordentlich. Einst war dies der Wohnhof des Premierministers des Kaisers. Die Anlage ist mehr 400 Jahre alt. Es gibt ein anderes Zhong Tang Hotel, Deshengmen, zu dem ich nichts sagen kann. In Xicheng findet Ihr sehr viele schöne alte Courtyard-Hotels. Einfach mal googlen. Vor allem Hostels sind in alten Gebäuden untergebracht: einfach, preiswert und familiär.

Xicheng
Xicheng

Die Fuchengmennei-Straße, an der die genannten Tempel liegen, ist eine breite moderne Straße. Die interessanten Hutongs liegen nördlich davon. Ein guter Ausgangspunkt für Erkundungen in diesem Gebiet ist die U-Bahnstation Xisi (Linie 4).

In dem Stadtteil Xicheng liegt auch der überaus sehenswerte Palast des Prinzen Gong.

Peking U-Bahn-Station Xidi
Peking U-Bahn-Station Xidi

Shaoshi aus Shanghai hat auf ihrem Blog von ihrem Ausflug in die Xicheng-Hutongs berichtet. Ihr Artikel „Xisi Hutong – Von adeliger Gemächlichkeit in Peking“ bietet noch mehr Infos und vor allem Sommerbilder!

Noch mehr schöne Fotos von den Hutongs findet Ihr auf dem Blog Senioren um die Welt.

Ganz aktuell auf dem Blog ombidombi (2022)

Links

Xicheng Hutongs im Schnee
Schnee-Chaos
Xicheng
Schnee in den Hutongs
Schneefall an Li Dong
Schneeballschlacht
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17 Kommentare

  • Oha! Der typische Geruch, wie man ihn früher öfters in den Hutongs roch! LG Ulrike

  • Mr. Shi’s Dumplings gibt es derzeit nur noch zweimal in Peking: einmal Andingmen, einmal Gulou. Letzteres könnte das sein, auf dass sich Betrachterauges Kommentar von 2014 bezieht. Dort gibt es inzwischen ein Dixie im Innenhof, dass silbern verkleidet ist und sich optisch ganz gut einfügt. Weniger passend ist die Wolke, die durch den Innenhof weht, wenn die Klotür geöffnet wird… 😉

  • Ja, November ist gut. Ich war 2017 auch im November in China. In Peking hatte ich sogar um die 20 Grad.

  • Helen

    Eine gute Idee, Peking im November zu besuchen! Wenn man Glück hat, hat man zwar kaltes aber doch oft sonniges Wetter. Und wenige Touristen. Ich werde mir das merken. Danke.

  • Danke für den Hinweis! Der Taiping-Aufstand ist tatsächlich recht wenig bekannt. Das war auch noch zu einer Zeit, als man insgesamt nicht viel über CHina wusste in Europa. Die Opium-Kriege, die ungefähr in der gleichen Zeit stattfanden, sind besser bekannt, weil es auch um Europäische Interessen ging. Ich schau mal, ob ich mir das Buch anschaffe.
    LG
    Ulrike

  • Ich höre gerade ein Buch, das letztes Jahr für den deutschen Buchpreis nominiert war und dir auch gefallen könnte: Der Gott der Barbaren von Stefan Thome. Es geht um den Taiping-Aufstand. Wie ich auf Wikipedia erfahren habe, war das der opferreichste Bürgerkrieg aller Zeiten. Ich hatte von dieser Bewegung vorher noch nie gehört.

  • Ulrike

    Danke für den Kommentar! In China gibt es keine vorschrift, dass ein Restaurant eine Toilette haben muss. 😉
    Hmm, vielleicht sollte ich mal einen längeren Artikel zum Thema „Toiletten“ schreiben. Ist ja etwas, was man nicht vermeiden kann.
    In China gibt es aber mittlerweile einige der luxuriösten und tollsten öffentlichen Toiletten, die man sich vorstellen kann, mit Musik und so.

  • Betrachterauge

    Vielen Dank für den Artikel! Und eine genaue Bemerkung bezüglich der Toiletten. Üblicherweise reden Leute nicht gern darüber, es ist irgendwie eine Art Tabu-Thema, obwohl es eigentlich zum Gesamtbild gehört.

    In Hutongs besuchten wir einmal ein kleines, kaum von der Straße bemerkbares Restaurant namens „Mr. Shi’s Dumplings“. Das Essen war göttlich! Aber die Toilette im Restaurant gab es nicht, man musste raus und einige Meter die Straße runter, bis man eine öffentliche fand. Wir sind hier wahrscheinlich zu verwöhnt 🙂

  • Tolle Einblicke.. vielen DANK!
    LG, Petra

  • Ulrike

    Damle.Michéle, nein, mir wird der Stoff nicht so schnell ausgehen. Ich reise seit 25 Jahren nach China und habe viel erlebt dort. Aber je mehr ich auch Artikel von meiner Großen Reise veröffentlichen werde, werden auch noch andere asiatische Länder drankommen: Ab Juni Japan, danach Südkorea und dann wieder China.
    Es kann auch schon deshalb nicht aufhören, weil ich durchaus plane, wieder nach China zu reisen.
    Ich freue mich, dass Du zur „Stammleserin“ geworden bist.
    Liebe Grüße
    Ulrike

  • China war bisher ein Land, das ich noch wenig für mich entdeckt habe, über das ich nur hier und da Artikel las oder zu dem ich während ich im Export arbeitete Kontakt auf beruflicher Ebene hatte. Nie direkt vor Ort wohlgemerkt.
    Deine Berichte lesen sich sehr interessant, so dass ich mittlerweile regelmäßiger Leser deiner Chinaartikel (und natürlich auch der anderen Posts) bin und so ganz langsam ein differenzierteres und auch vollständigeres Bild von China (bestimmten Regionen und allg. der Kultur) erhalte. Das macht Spaß und ich hoffe, du schreibst noch lange weiter zu diesem Thema. Es macht allerdings den Eindruck, aus würdest du aus einem ziemlich großen Fundus und vielen Aufzeichnungen schöpfen können – also muss ich wohl keine Bange haben, dass bald Schluss ist. ^^
    LG Michèle

  • Ulrike

    Jaja, China und Japan! Keine einfache Beziehung! Ich hab mich in China wenig mit Kungfu beschäftigt, ich war auch noch nie in Shaolin. Ich glaube, ich muss aber bald mal von meinen Tai Chi-Erfahrungen schreiben. 🙂

  • Nimm mich mit auf die Reise … 🙂 Diese Zeilen fielen mir nun spontan ein, als ich deinen Artikel las. Ich selbst kenne China lediglich aus Filmen und Dokumentationen. Und nicht immer zeigen die auch die Realität. China, das war für mich lange nur Hong Kong und diie dortige Filmindustrie. Ja, ich gestehe, dass ich unzählige davon gesehen habe. Leider mit dem Auge der Kritikerin, die schlechte (Kampf)Szenen sofort erkennt.

    China ist aber für mich mehr als nur Kung Fu. Es ist Philosophie und hohe Kultur von Menschen, die eigentlich Japans Schwestern und Brüder sind. Aber du weißt ja, wie das in Familien oft geht, die Geschwister streiten sich.

  • Ulrike

    Das freut mich sehr!

  • Freu mich dich hier in den weiten des NETZ kennen–ge-lernt zu haben…

  • Ulrike

    Danke für den Kommentar! Ja, man kann in der Gegend auch und authentisch essen.
    LG
    Ulrike

  • Ein wahres PARADIES an ESSEN…HERZlichst ANDREA:))

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