Faszierend. Eine nackte Tonarmee, die Figuren klein, zart – viel lieblicher als die gewaltigen Krieger des Ersten Kaisers von China. Und trotzdem oder genau deswegen beeindruckend. Das Grab Han Yang Ling.
Han Yang Ling • 汉阳陵 = Das Grab des Kaisers Han Jingdi und die nackte Tonarmee
In Xi’an gibt es nicht nur eine, sondern zwei Terrakotta-Armeen! Von der berühmten tönernen Armee des Ersten Kaisers von China Qin Shi Huang hat jeder China-Interessierte schon mal gehört. Mehr als 8.000 Krieger bewachen das Mausoleum des Kaisers für die Ewigkeit. Wer nach China reist, will sie gesehen haben.
Doch die meisten wissen nicht, dass es noch (mindestens) eine weitere Terrakotta-Armee in Xi’an gibt: Die sog. nackte Tonarmee des Han Jingdi, dem vierten Kaiser der Westlichen Han-Dynastie (207 v. – 9 n. Chr.)
Mausoleum des Han Jingdi
Das Mausoleum Han Yang Ling ist die gemeinsame Grabstätte des Kaisers Jingdi (Liu Qi) und seiner Kaiserin Wang Zhi (Xiaojing). Es wurde in der Zeit von 153 bis 126 v. Chr. nördlich von Xi’an errichtet. Also nicht einmal 100 Jahre nach dem Mausoleum von Qin Shi Huang.
1990 stieß man beim Bau einer Schnellstraße auf das Grab und die ersten Tonfiguren. Ab 1991 wurde ein Areal von rund 96.000 Quadratmetern akribisch ausgegraben. Anschließend wurden 1999 die Resultate in einem eigens erbauten Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Im Zentrum stehen zwei große Pyramiden; das Mausoleum des Kaisers Jingdi und das etwas kleinere seiner Kaiserin Wang Zhi. Daneben gibt es noch zahlreiche kleine Grabhügel von Beamten, Ministern, Konkubine und Verwandten.
Bislang wurden 40.000 Tonfiguren gefunden, darunter nicht nur Krieger sondern auch Beamte, Musiker, Tänzer und zahlreiche Tierfiguren.
Die Tonkrieger sind im Durchschnitt 62 cm hoch.
Beim Grab des Kaisers hat man 86 Gruben voller Tonfiguren gefunden. Bei seiner Kaiserin sind es 18 Gruben.
Die Sensation!
Die Tonfiguren des Han Yang Ling sind nackt! Im Gegensatz zu der großen Terrakotta-Armee, die vor allem durch die individuelle Gestaltung der Kleidung beeindruckt, stehen die Figuren des Jingdi ohne Arme und vor allem ohne Kleidung vor dem Betrachter.
Natürlich waren die Figuren ursprünglich nicht unbekleidet. Doch 2.000 Jahre haben die seidenen Gewänder und die hölzernen Arme verschwinden lassen. Obwohl die Figuren bekleidet waren, so sind auch die eigentlich nicht sichtbaren Formen wie äußere Geschlechtsmerkmale fein ausgearbeitet. Und das führt zur weiteren sensationellen Erkenntnis: Ein Teil der Krieger war weiblich! Auch Eunuchen kann man erkennen.
Großartig
Jede Figur hat ihr individuelles Aussehen. Manche Gesichter lächeln, die Konturen sind weich und ansprechend. Tänzerinnen und Musikanten wirken elegant und schwungvoll.
Endlose Reihen von Tierfiguren zeigen die Speisevorräte für das Leben im Jenseits. Die große Anzahl der dargestellten Hunde lässt darauf schließen, dass man am Hofe gerne Hundefleisch gegessen hat. Aber auch Schweine, Geflügel und Rinder standen auf dem Speiseplan des Kaisers.
Interessant: In Gefäßen rund um den Grabkomplex hat man Spuren von Teeblättern, Reis und Spinat gefunden.
Das Museum Han Yang Ling
Wie es heute in China üblich ist, gibt es einen ausgedehnten archäologischen Park. Im Zentrum der gepflegten Anlage steht die Grab-Pyramide des Kaisers, in die ein modernes Museum eingelassen ist.
Um das Museum besuchen zu können, muss man zunächst Plastik-Überschuhe anziehen. Denn es geht über Glasböden tief unter die Erde. Neben der Grabkammer hat man hier die spannendsten Gruben mit den Tonfiguren eingerichtet, obwohl sie eigentlich neben dem Mausoleum lagen.
Die Fundstellen sind im Rasen des Park gekennzeichnet.Die unterirdische Darstellung dient dazu, dem Besucher die Atmosphäre der unterirdischen Gruben zu vermitteln. Leider sind die Glaswände, die die Ausstellung schützen sollen, sehr staubig gewesen, als ich dort war. Die Figuren scheinen unendlich weit weg. Auch ist es schwierig, sie zu fotografieren. Doch mit der passenden Ausrüstung klappt es auch mit guten Fotos, wie die meines Freundes Franky Merting zeigen.
In Vitrinen sind einzelne Figuren von nahem zu sehen. Auch wird deutlich gemacht, wie man sich die Kleidung vorstellen kann.In dieser Vitrine kann man sehr schön sehen, wie die Tonfiguren aufgefunden wurden (ganz links), wie man sich die Kleidung vorstellen kann (Mitte). Rechts sind Figuren mit Armen. An manchen hat man sogar noch Überreste der Kleidung gefunden (ganz rechts).
Fazit
Ich kann den Besuch der nackten Tonarmee Han Yang Ling sehr empfehlen. Er lässt sich auch gut mit einem Flughafen-Transfer verbinden, da das Museum gar nicht weit vom Flughafen Xi’an liegt.
Infos
Han Yangling Museum
汉阳陵博物馆
Eintrittspreise:
März bis November 90,- RMB
Dezember bis Februar 65,- RMB
Öffnungszeiten: 8:00 – 19:00 Uhr
Addresse: East Section of the Xianyang International Airport Expressway, Xi’an, Shaanxi province
Anreise:
Am einfachsten: Metro Linie 2 (fährt u.a. vom Glockenturm ab) bis City Library. Dann Ausgang D, dann weiter mit dem Touristenbus Nr. 4. Der Bus fährt jede Stunde direkt bis zum Han Yang Ling.
Links
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Wo ist die „Pyramide“ ?
Hallo aus München! Wurde darauf aufmerksam gemacht, dass, wenn man mit Google Maps auf das Areal zoomt, eine neugebaute große Pyramide zu sehen sei und es stimmt!!
Was hat es damit auf sich?
Bin gespannt!
Danke, lieber Christoph! Ja, schau Dir die Terrakotta-Krieger Han Yang Ling an! Wenn Du in Suzhou bist, ist es übrigens auch nicht so weit bis zur Terrakotta-armee von Xuzhou. Auch sehr sehenswert!
Wenn ich dieses Jahr überhaupt nach China komme, dann wahrschienlich nicht vor November. Dann wahrscheinlich nach Fujian.
Beste Grüße
Ulrike
Liebe Ulrike,
ich bin eben über deinen interessanten Blog gestolpert und finde es toll, welche Reisen du so unternimmst und schon unternommen hast. Ich selbst habe schon ein paar recht nette Ecken von China sehen dürfen, habe aber durch deinen Bericht wieder etwas über China erfahren, das ich noch nicht wusste: Es gibt die nackten Terrakottakrieger 🙂 Ganz anders als die bekannten Krieger. Wenn es mich nochmal nach Shaanxi treibt, werde ich da mal vorbeischauen. Aber noch liegen ein paar wenige unbekannte Provinzen dieses riesigen Landes vor mir, die besucht werden wollen.
Wann geht deine nächste Reise ins Land der Mitte?
Viele Grüße ins schöne Hamburg aus Suzhou sendet
Christoph
Danke für Deinen Kommentar! Dabei ging es bei der Erschaffung der Tonkrieger nicht um Kunst. Wie in vielen Hochkulturen ging es um das Leben nach dem Tod.
LG
Ulrike
Guten Morgen Ulrike.
Gerne schaue ich in deinen Blog. Bin ein Leser und kein Vielschreiber. Aber was mir da bei deinem Beitrag einfällt ist doch dies schöpferische Arbeit was da dahinter steckt. Herrscher haben sich Festungen, Pyramiden und sonstiges bauen lassen. Aber solche Ausmaße von künstlerischem Einfall ist doch Gott zu ersetzen zu wollen. Den Tod zu überwinden. Wie gesagt, das künstlerische überwältigt mich. Grüße aus dem Gebirge. Ernestus.
Das ist faszinierend! Vielleicht schaffe ich es ja doch eines Tages mal nach China…