Eunuchen spielten in China eine bedeutende Rolle am Hofe der Kaiser. Wie lange gibt es die Tradition und warum? Ein interessanter Ort, um mehr über die Eunuchen in China zu erfahren, ist das Eunuchen-Museum am Rande von Peking.
Die Geschichte des Eunuchen Tian Yi
Einst wurde in der Provinz Shanxi ein Junge in ärmlichen Verhältnissen geboren. Das war 1534, während der Regierung von Kaiser Jiajing. In dieser Zeit gab es sehr viele Eunuchen am Hofe in Peking. Am Ende der Ming-Zeit sollen es ungefähr 70.000 gewesen sein.
Um dem Knaben ein gutes und angesehenes Leben zu ermöglichen, wurde er im Alter von 9 Jahren kastriert und kam an den kaiserlichen Hof fern von daheim. Er lebte 72 Jahre lang und diente davon 63 Jahre unter dem Namen Tian Yi insgesamt 3 Kaisern: Jiajing, Longqing und Wanli.
Tian Yi war zuverlässig, vorsichtig und fähig. So machte er schnell Karriere. Zum Schluss war er verantwortlich für die Essensvorräte und war der Herr über das Siegel der Verantwortung für die Rituale am Hof. Das war einer der höchsten Positionen, zu denen ein Eunuch aufsteigen konnte. Er war beliebt bei seinen Kollegen und respektiert von der Familie der Kaiser.
Kaiser Wanli verließ sich sehr auf ihn. Als Tian Yi starb (1605) ordnete Wanli 3 Trauertage am Hofe an. Schließlich wurde Tian Yi in einem prächtigen Grab etwas außerhalb vom damaligen Peking beerdigt. Bei der Beisetzung waren 259 Eunuchen zugegen und trauerten um Tian Yi.
Seit wann gibt es Eunuchen in China?
Eunuchen hat es in China mindestens seit der Han-Dynastie (206 v. – 220 n. Chr.) gegeben. Es heißt sogar, dass schon während der Shang-Dynastie (1.600 – 1.046 v. Chr.) Kastration und anschließende Versklavung als Strafe üblich war.
Sie hatten in all den Jahrtausenden häufig einen schlechten Ruf. Eunuchen galten als gierig und korrupt. Doch einige kamen zu großen Ehren: Cai Lun soll das Papier erfunden haben. Der große chinesische Seefahrer Zheng He war ebenfalls Eunuch.
Aber abgesehen von einigen wenigen, die es zu Ruhm und Ehren brachten, lebten die Eunuchen am kaiserlichen Hof in Peking unter erbärmlichen Umständen. Kleine Hütten oder sonstige Zimmerchen an der Mauer des Kaiserpalastes standen ihnen zur Verfügung.
Die Kastration
Es gab eine spezielle medizinische Station im Kaiserpalast, in der die meisten Kastrationen statt fanden. Die Operation bestand darin, dass dem Jungen, der sich auf einen speziellen Stuhl setzen musste, mit einem mehr oder weniger scharfen Messer die Hoden und der Penis abgeschnitten wurden.
Die lokale „Betäubung“ wurde mit einer scharfen Chili-Sauße durchgeführt. Die „Drei Kostbarkeiten“ erhielten die Operierten anschließend und trugen sie bis zu ihrem Tod in einem Beutel mit sich. Denn sie wollten natürlich „vollständig“ ins Jenseits gehen.
Viele überlebten die Operation nicht.
Warum gab es Eunuchen in China?
Zum einen war die Kastration schon früh eine schwere Strafe. Ein Eunuch konnte keine Familie gründen und wurde so der wichtigen Möglichkeit beraubt, durch einen Sohn als verehrter Ahne die notwendigen Opfer und Verehrung zu erhalten. Wobei der zu Bestrafende die Todesstrafe erhielt und seine Söhne zu Eunuchen gemacht wurden-
Für die Kaiser und auch manchen reichen Adligen stellten die Eunuchen eine verlässliche Personalressource dar. Ihnen konnten sie ihre Frauen und Konkubinen anvertrauen, ohne Sorge zu haben, dass sich ungewollte Liebesbeziehungen bzw. Schwangerschaften entwickelten. Das mit den Liebesbeziehungen war allerdings nicht immer durchsetzbar.
Eunuchen waren aber auch für die einfachen Dienstleistungen am Hof zuständig. So sorgten sie sich um Kleidung und Speisen am Hof, arbeiteten in der Küche, waren auch Schauspieler. Als es später Klopapier dann gab, hatten sie sich auch darum zu kümmern.
Eunuchen während der Ming- und Qing-Dynastien
Zum Ende der Ming-Dynastie im 17. Jahrhundert soll es an die 70.000 Eunuchen am chinesischen Kaiserhof gegeben haben. Während der Qing-Dynastie wurde die Zahl der Eunuchen drastisch reduziert.
Mit dem Ende der Qing verloren die letzten paar Hundert Eunuchen ihre Wohnung, ihren Job und ihren Halt. Hinzu kamen schwere Repressalien, als die Kommunisten an die Macht kamen. 1925 wurde das Eunuchentum offiziell verboten. Der letzte Eunuch starb in den 1990er Jahren in Peking.
Das Eunuchen-Museum
Mehr über das Leben und die Verdienste der Eunuchen kann man in dem Museum bei dem Grab des Tian Yi sehen. Da soll es auch einen solchen Spezial-Stuhl und einige Beutelchen mit den Drei Kostbarkeiten zu sehen geben.
Chinesisch:
宦人 • huànrén = Eunuch
Damit kommen wir zu meinem Besuch im September 2015. Nachdem ich das Grab endlich gefunden hatte (siehe auch Der wundervolle Fahai-Tempel), stürmte zwar sofort eine Frau auf mich zu, zusammen mit zwei laut kläffenden Hunden, um das Eintrittsgeld zu kassieren. Aber das Museum befand sich im Umbau und war geschlossen. Schade!
Trotzdem fand ich meinen Besuch ganz wunderbar. Denn die alten Grabsteine, Mausoleen und Skulpturen standen mitten in wild wucherndem Unkraut. Die Sonne schien, Vögel sangen, Bienen summten. Ich nutzte die Gelegenheit und setzte mich auf eine steinerne Bank, um meinem schmerzenden Knöchel ein wenig Erholung zu gönnen.
Wie wichtig Tian Yi gewesen ist, kann man daran erkennen, dass es Figuren eines Seelenweges wie bei den Kaisergräbern gibt. Steinerne Säulen mit feinen Reliefs, mächtige Steintore, wirklich beeindruckend!
Nach einer kurzen Pause bin ich dann die Moshikou Straße zur nächsten großen Straße zurück gegangen, wo ich gleich eine Busstation fand. Die Straße, ca. 20 Kilometer entfernt vom Stadtzentrum, wirkte ein wenig so, wie ich Peking vor 20 Jahren erlebt habe.
Eunuchen anderswo
Nicht unerwähnt mochte ich lassen, dass es Eunuchen nicht nur in China gab. Wikipedia schreibt dazu:
Ein Eunuch (von altgriechisch εὐνοῦχος eunouchos, von εὐνή eunē „Bett“, und ἔχω echō „ich hüte, ich bewache“) ist ein Mensch männlichen Geschlechts (Kind, Jugendlicher oder Erwachsener), der einer Kastration unterzogen wurde.
Das Phänomen kam zu fast allen Zeiten der Weltgeschichte in vielen Kulturen vor. An vielen Höfen früherer Kulturen, besonders in Byzanz und im Kaiserreich China, waren zum Hofstaat gehörige sogenannte „Palasteunuchen“ begehrt und geschätzt.
Wikipedia
Eunuchen in der Terrakotta Armee
Forscher haben einige Tonarmeen ausgegraben, nicht nur die berühmte Terrakotta-Armee bei Xi’an. Sie sind alle ungefähr 2000 Jahre alt. Bei den meisten kann man keine Rückschlüsse auf des Geschlecht treffen. Sie waren ja mit Rüstungen und anderem bekleidet. Deswegen haben die Forscher einfach angenommen, dass sie alle Männer waren.
Doch weit gefehlt! Die tonerne Armee des Han Yingdi trug einst Kleider aus Seide und anderen Stoffen. Diese sind meistens vergangen in der langen Zeit. Die Krieger sind heute nackt! Die Sensation ist, dass die Torsi aus Ton auch die Geschlechtsmerkmale offenbaren.
Die daraus resultierenden Erkenntnisse: Es gab nicht nur Männer in der Tonarme des Han Yingdi! Es waren Frauen dabei und tatsächlich auch Eunuchen! Das wirft natürlich die Frage auf: Kämpften auch in der berühmten Terrakotta-Armee Eunuchen und Frauen? Wir können es nicht genau sagen, denn die tönernen Rüstungen lassen keinen Blick auf die Körper zu. Aber warum sollte es bei der einen Armee Eunuchen geben und den anderen nicht?
Info
(Stand Mai 2022)
Öffnungszeiten: täglich 09:00 – 17:00 Uhr
Eintrittsgeld: 8,- RMB pro Person
Adresse: Eunuchen-Museum (北京宦宫文化陈列馆) Beijing Eunuch Culture Exhibition Hall
Shijingshanqu, Moshikou Dajie 80 (石景山区, 模式口大街 80)
Am besten ist es, wenn man mit der U-Bahn Linie 1 bis zur Endstation Pingguoyuan fährt und sich von dort aus ein Taxi nimmt.
Quellen
Unter anderem (Wikipedia) hat mir der folgende Link einige Fakten geliefert: Eunuchen: Fakten und Details
Ausstellungskatalog des Reiss-Museum Mannheim: Die Verbotene Stadt – Aus dem Leben der letzten Kaiser von China, Verlag Philipp von Zabern
Eine ausführliche Beschreibung vonTian Yi findest Du auf der Seite der Ming Tombs.
Links
- Admiral Zheng He – der berühmteste Eunuch am Kaiserhof
- Der wundervolle Fahai Tempel
- Die Verbotene Stadt
- Übersicht über Pekings Sehenswürdigkeiten
- Die nackte Tonarmee: Gab es Eunuchen unter den Krieger?
Dieser Artikel erschien zuerst 2015 und wurde 2022 überarbeitet.
- Die Taklamakan-Wüste, geheimnisvoll und abenteuerlich - 1. Dezember 2024
- Deutsches Zollmuseum Hamburg - 26. November 2024
- China Visum – ein Rückblick - 22. November 2024
Lieber Reiner,
das sind interessante Fragen, die ich selbst nicht weiß.Ich werdemal recherchieren
LG
Ulrike
Liebe Ulrike, ein interessanter und umfassender Beitrag. Doch eine Frage stellt sich mir. Für welche Strafen war die Kastration im historischen China vorgesehen und gab es Unterscheidungsmerkmale für die Straftäter und die Eunuchen die in „Staatsdiensten“ standen? Oder war es so, dass die Straftäter in den Staatsdienst überwechselten? 🙂
Das wäre ja eine amüsante Vorstellung!
Liebe Grüße
Reiner
Hab auch noch die Quelle für die Aussage „Eunuchen werden älter“ gefunden:
Werde ich gleich mal auch in den Artikel um diesen Link ergänzen
Hmm, irgendwo hatte ich bei meinen Recherchen gelesen, dass Eunuchen im Schnitt älter geworden sind als die meisten Männer. Hing irgendwie mit dem Testosteron zusammen.
Aber viele starben bereits durch die Operation.
Ich wünsch Dir alles Gute für 2016
Mich gruselt’s, wenn ich mir das grausame Procedere der Entmannung vorstelle. Diese armen Menschen. Viele von ihnen werden wohl nicht alt geworden sein, denn die Entfernung aller äußeren Geschlechtsteile bringt oft große Probleme beim Wasserlassen und somit chronische Blasen- und Nierenentzündungen mit sich…
Hab einen guten Rutsch, liebe Ulrike! 🙂