Der Gänsemarkt in Hamburg ist fast genauso bekannt wie der nahe Jungfernstieg oder die entferntere Reeperbahn. Der Platz ist ein Hotspot für Shopping. Ringsum gibt es einige schöne Fashion-Geschäfte. Aber einige alte Fassaden erinnern an die Zeit vor dem Krieg.
Der Gänsemarkt und seine Geschichte
Warum heißt der Platz nun Gänsemarkt, wenn doch weit und breit keine Gänse zu sehen sind? Und wohl auch in der Vergangenheit keine Gänse das Umfeld prägte.
Lange war dieses Gebiet kein Stadtgebiet. Es lag vor den Toren des alten Hamburgs. Ihr könnt euch das so vorstellen, dass das Gelände ländlich war mit Wiesen und Weiden. Es war jedoch auch besiedelt und es war nicht weit bis Altona. Es ist gut vorstellbar, dass die Bewohner Hamburgs ihre Gänse dorthin getrieben haben. Das war so üblich. Aber sie wurden dort nicht gehandelt, was der Name „Gänsemarkt“ eigentlich nahelegt.
Erst mit Bau der Wallanlagen Anfang des 17. Jahrhunderts gelangte das Gebiet in die Stadt. Erstes Zeichen der Einvernahme durch die Stadt war die Bäckerei, die dort 1650 gebaut wurde und die es übrigens immer noch gibt. Natürlich sieht sie heute nicht mehr so aus wie damals.
1655 erhielt der Platz den Namen forum anserum (lat. anser = Gans), seit 1709 ist die Bezeichnung Gänsemarkt üblich. Marktrechte haben jedoch nie bestanden. Der Besitzer eines anliegenden Grundstückes hieß Ambrosius Gosen (plattdtsch. Gos oder Goos = Gans). Vielleicht kommt der Name daher.
Theater und Oper am Gänsemarkt
Der Platz machte dann schnell Karriere, denn hier nahe dem Stadtzentrum bot die Fläche viel Raum für repräsentative Bauten. So war die Oper am Gänsemarkt von 1678 bis 1738 das erste bürgerlich-städtische Theater im deutschsprachigen Bereich.
Das Theater sah von außen eher schlicht aus, hatte aber 2.000 Plätze und verfügte über die damals modernste Technik. Doch Mitte des 18. Jahrhunderts kam es zum Niedergang des Theaters. Nachdem die Baufälligkeit des Gebäudes festgestellt wurde, riss man es ab.
1765 wurde ein neues Theater an der gleichen Stelle erbaut und als „Comödienhaus“ eröffnet, unter Lessing 1767-1769 als „Deutsches Nationaltheater“ bezeichnet, danach auch „Hamburgisches Stadt-Theater“ und 1806-1814 „Théàtre du Gänsemarkt“.
Berühmte Komponisten waren hier engagiert: z.B. Reinhard Keiser, Georg Philipp Telemann oder Georg Friedrich Händel. Lessing war Dramaturg am Deutschen Nationaltheater und brachte 1767 die Minna von Barnhelm zur Uraufführung. Am 29. August 1787 fand hier die Uraufführung von Friedrich Schillers Drama Don Carlos statt.
Ab 1827 gab es dann die Staatsoper an der Dammtorstraße.
Entwicklungen
Die Oper ist ein gutes Beispiel für die Aufwertung des Platzes.
Um den Gänsemarkt wurden weitere repräsentative Gebäude errichtet. Sie blieben noch klein, man war ja auch schon am Stadtrand von Hamburg. Aber der Gänsemarkt wurde immer mehr in die Stadt einbezogen.
Paraden fanden hier statt. Am Sonntag gingen die Bürger auf Jungfernstieg und Gänsemarkt spazieren. Eine Polizeiwache wurde errichtet.
Als der dänische König Frederik VIII 1912 nachts auf dem Jungfernstieg zusammenbrach und kurz darauf starb, entstand schnell das Gerücht, dass er von einem Bordell beim Gänsemarkt kam, wo er eine Geliebte haben sollte. Gerücht oder Tatsache?
Die Schwiegerstraße wurde 1922 umbenannt in Kalkhof.
Lest mehr im Hamburger Abendblatt.
Die Gebäude wurden Anfang des 20. Jahrhundert nach und nach im typischen Rotklinkerstil ersetzt. Üppige und repräsentative Kontorhäuser wurden errichtet.
So entstand 1919 bis 1926 das Dienstgebäude der Hamburger Finanzbehörde. Ein toller Bau mit vielen Verzierungen.
Direkt daneben liegt das Lessing-Haus, erbaut 1908. Ein paar Schritte weiter ist das Haus des Juwelier Becker von 1882.
Bei allen sind kunstvoll gestaltete Verzierungen zu bewundern. Macht Euch auf die Suche! Es gibt viel zu entdecken.
Der 2. Weltkrieg hat einige schmerzhafte Lücken gerissen. Nicht jedes Haus konnte wieder aufgebaut werden.
Der Schandfleck
Viele haben die Gänsemarktpassage von 1977 sicher schön gefunden. Zum Zeitpunkt der Eröffnung 1979 wurde die Passage „als das Modernste, was an gewerblichen Interessen ausgerichtete Architektur zu bieten hatte“ gefeiert. Das Konzept einer Einkaufspassage wurde bis Detail umgesetzt.
Aber es passte nicht zu alten Gebäuden. Jetzt wurde es abgerissen und soll bis 2025 neu erbaut werden. Der Denkmalverein Hamburg trauert: „Es war ein hervorragendes Zeugnis postmoderner Architektur in Hamburg.“
Im Herbst 2023 wurden die Bauarbeiten jedoch vorläufig gestoppt, nachdem der Investor offenbar nicht genügend Mieter gewinnen konnte und die Banken daraufhin weitere Kredite verweigert hatten. Jetzt haben wir eine hässliche Baulücke dort. Wer weiß, wie lange noch?!
Das Lessing-Denkmal
Zentraler Blickfang auf dem Gänsemarkt ist das Lessing-Denkmal. Es wurde von dem Berliner Künstler Fritz Schaper geschaffen und 1881 anlässlich des 100. Todestag von Gotthold Ephraim Lessing aufgestellt.
Das Lessing-Denkmal besteht aus einer 2,20 Meter hohen Bronzefigur auf einem 2,50 Meter hohen Granitsockel und wiegt rund 4,5 Tonnen.
Schaper schuf das Lessing-Denkmal in Berlin, dort wurden auch die Bronzeteile gegossen und der Sockel bearbeitet. Das fertige Werk wurde dann mit Bahn und Pferdewagen zum Gänsemarkt transportiert.
Die Bronzeplatten zeigen u.a. die Porträts des Schauspieler Conrad Ekhof, der mit Dramaturg Lessing zusammenarbeitete, und des Hermann Samuel Reimarus, dessen Schrift „Apologie“ Lessing posthum veröffentlichte, was zum Fragmentenstreit führte.
Während der Nationalismus gab es mehrere Versuche, das Denkmal zu zerstören. Das gelang glücklicherweise nicht. Gegen Ende des 2. Weltkrieges wurde es abmontiert und auf dem Heiligengeistfeld vergraben, damit es durch Kriegshandlungen nicht vernichtet wird.
Danach hat es eine bewegte Geschichte mit unterschiedlichen Standorten durchgemacht, bevor es 2016 renoviert an der heutigen Stelle wieder errichtet wurde. Lessing schaut in Richtung des früheren Nationaltheaters, seiner Wirkungsstätte.
Fazit
Es gibt viel zu sehen auf dem Gänsemarkt. Ihr solltet Euch Zeit lassen, um all die Einzelheiten aufzunehmen, einen Kaffee trinken mit Blick auf die interessanten Fassaden. Es lohnt sich!
Links
- Übersicht der Geschichte des Gänsemarkts auf Hamburg.de
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