Alles kann, nichts muss: Von Peking nach Anyang

Heute geht es von Peking nach Anyang in der Provinz Henan weiter.

China Reisebericht 2017 – Tag 5

21.11.17

Immer wieder muss ich mir selbst sagen, dass ich Urlaub habe. Ich habe mir ein strammes Programm für Peking vorgenommen und muss mich der Tatsache stellen, dass ich einiges nicht geschafft habe. Die Verbotene Stadt habe ich nicht gesehen. Ich könnte das zwar heute Vormittag noch nachholen. Aber: Nur keine Hektik!

Highlights

  • Yonghegong – Lamatempel
  • Im Hochgeschwindigkeitszug
  • Ankunft in Anyang
Toast mit Ei und Kaffee - Frühstück

Der Jetlag hat mich wohl doch erwischt. Habe kaum geschlafen. Da kommt das Frühstück im Hostel ganz gut. Vor allem auch, weil es mich an meine ersten China-Reisen erinnert: Schwacher Kaffee, hartgebrannter Toast, Spiegeleier. Manches scheint sich nicht zu ändern. Der Koch scheucht mich mürrisch weg, als ich die für einen Reiseblogger obligatorischen Fotos mache,

In Ruhe und ausführlich packe ich meinen Koffer neu. Nachher werde ich abgeholt und zum Bahnhof gebracht. Was für ein Luxus! Bis dahin habe ich noch Zeit genug für eine kurze Besichtigung des Lama-Tempels. Schon lange wollte ich über diesen berühmten Tempel schreiben, war aber nicht zufrieden mit der Foto-Auswahl. Ja, ich bin wirklich in der Hauptsache zum Lama-Tempel Yonghegong, um Fotos zu machen!

Jianbing - lecker Crepe mit Ei

Auf dem Weg von der U-Bahn-Station bis zum Tempel erlebe ich ein persönliches Highlight! Jianbing! Das sind mit Ei und leckeren Soßen kombinierte Crepes. Früher gab es die in Peking an jeder Ecke, frisch zubereitet an einem einfachen fahrbaren Imbiss. Für mich bedeuteten sie eine köstliche Alternative zu dem langweiligen Western Breakfast. Leider hat man in Peking die fahrenden Imbissstände verboten. Aber hier, in einem kleinen Lädchen, da wird ein Fladen für mich frisch angefertigt! Was für ein Genuss!

Yonghegong – Lama-Tempel

Dieser alte und bedeutende Tempel war ursprünglich die Residenz eines Adligen, der später Kaiser Yongzheng wurde. Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Palast zu einem Tibetisch Buddhistischen Tempel umgebaut, ständig renoviert und erweitert.

Himmelswächter im Lama-Tempel

Auch hier gibt es natürlich eine Sicherheitskontrolle. Doch dann bin ich drin. Mit den Resten meines Jianbings in der Hand gehe ich langsam auf die Hallen zu. In den Hallen darf man nicht fotografieren.

Die Anlage folgt dem klassischen Design für chinesische Tempel. Als erstes erreiche ich einen kleinen Vorhof mit Glocken- und Trommelturm. Die erste Halle ist dann die der Himmelswächter. Ach, wie schön! Darüber hatte ich ja gerade erst geschrieben (hier)! Durch die Tür mache ich vorsichtig ein Foto.

No incense burning

Der Tempel ist voller Gläubige. Sie zünden Räucherstäbchen an und knien betend vor den Statuen. Die Luft ist süß vom Duft des Rauchs. Überall gibt es Schilder, dass man bei Smog und Wind keine Räucherstäbchen anzünden soll. Also schließe ich messerscharf, dass der Dunst heute kein Smog ist. Auch tibetische Mönche sehe ich. Der Lama-Tempel

Dann wird es Zeit, zum Jade Hostel zurückzukehren. Ich fahre natürlich mit der U-Bahn. Schade, gerade habe ich mich wieder an Peking gewöhnt, da muss ich schon weiter!

Mit dem Hochgeschwindigkeitszug von Peking nach Anyang

Als ich im Hotel bin, wartet der Fahrer schon auf mich. Toll! Die Fahrt geht trotz dichtem Verkehrs schnell und zügig. Ich bin etwas zu früh dran.

Auch hier oder vor allem hier: Sicherheitskontrollen! Noch bevor man die erreicht, wird die Fahrkarte kontrolliert und bekommt einen kleinen roten Stempel.

Im Bahnhof ist dann alles ganz einfach: Ich finde meine Zugnummer auf der riesigen Anzeigentafel und gehe folgsam zum Wartebereich 7. Unterwegs überlege ich noch kurz, ob ich mir einen Kaffee bei McD… gönne. Och nö. Muss ich nicht haben. Ich registriere aber, dass es McD gibt sowie unzählige weitere kleine Restaurants und Andenkenläden. Nein, in China geht Zugfahren nicht ohne größere Mengen an Proviant.

Da ist mein Warteraum auch schon! Er ist voll und es ist auch kein Sitzplatz mehr frei – eine Stunde stehen! Ich gehe zum Waschraum. Nur, was mach ich jetzt mit dem großen Koffer? In einer Ecke sitzt eine kleine junge Frau, die anscheinend hier die Aufsicht hat. Ich bitte sie, kurz auf meinen Koffer aufzupassen. Kein Problem! Als ich meinen Koffer abhole und ihr meinen Obolus für das Aufpassen geben möchte, winkt sie lächelnd ab. Ich bin entzückt.

Schließlich geht auch die Warterei vorbei. Meinem Rücken gefällt das Stehen gar nicht. Als meine Fahrkarte beim finalen Check tatsächlich mit einer altmodischen Knipszange gelocht wird, muss ich innerlich grinsen.

Auf dem Bahnhof

Um auf den Bahnsteig zu kommen, muss ich entweder eine lange Treppe oder eine schnelle Rolltreppe bewältigen. Irgendwie hab ich mich an die Geschwindigkeit noch nicht gewöhnt. Ich traue mich einfach nicht, schon gar nicht mit dem Koffer!

Als ich noch zweifelnd oben an der Treppe stehe, protestiert mein Rücken heftig. Also suche ich mir eine uniformierte Dame und frage mit einem erschöpften Lächeln, ob sie wüsste, wie ich mit dem Koffer die Treppe hinunter komme. Zu Irgendetwas muss mein weißes Haar ja gut sein! Die junge Dame lächelt freundlich und greift sich jemanden der vorbei eilenden Fahrgäste. Der junge Mann schnappt sich meinen Koffer.

Hochgeschwindigkeitszug 2. Klasse Peking nach Anyang

So bin ich in nullkomanichts im Zug. Der Mann möchte meinen Koffer in die Ablage über den Sitzen heben. Ich winke erschrocken ab. Wer weiß, ob ich den wieder runterwuchten kann, wenn ich in Anyang ankomme! Aber die Sitze in der 2. Klasse bieten genügend Beinfreiheit: Ich kann den Koffer und meine Beine einigermaßen bequem unterbringen.

Auch wenn nun die meisten chinesischen Fahrgäste telefonieren, schlafe ich doch schnell ein. In meiner wachen Zeit geh ich kurz durch den Zug und schaue mich um. Das Bordrestaurant sieht nett aus. Der Zug ist sauber und komfortabel.

Anyang

Wir erreichen pünktlich nach 2,5 Stunden den Ostbahnhof von Anyang. Es ist schon finster. Ich nehme meinen Koffer und schleppe ihn langsam und vorsichtig die Treppe hinunter. Schon greift eine Dame nach dem Griff und trägt mir den Koffer runter. Ich sähe doch etwas erschöpft aus! Meint sie. Wie nett und hilfsbereit die Leute heute sind!

Der Bahnhofsvorplatz liegt groß, sauber und leer vor mir. Wo hier wohl die Taxis stehen? Oder gar Busse abfahren? Da stürmen 3 junge Männer auf mich zu. Wo ich denn hinwolle? Ibis Hotel? Kein Problem! 70 RMB und man würde mich dorthin bringen. Ich versuche kurz zu handeln. Bestimmt ist das zu viel. Doch sie geben nicht nach. Weit und breit ist kein offizielles Taxi zu sehen. Ok, dann eben so!

Due Taxifahrt

Als wir an einigen wartenden Autos ankommen, will der Sprecher der Männer die 70 RMB sofort haben. Das geht ja gar nicht! Darauf lasse ich mich nicht ein! Große Diskussion bei den Männern. Ich sitze eigentlich schon in einem Wagen, da soll ich umsteigen. Der Sprecher vergewissert sich noch einmal, ob ich wirklich am Ziel die 70 RMB zahlen würde. Jaja! Hauptsache, es geht jetzt los!

Was für eine Fahrerei! Hatte ich zuerst befürchtet, dass wir in 5 Minuten schon am Hotel sind, was wirklich eine große Verar… gewesen wäre, so fahren wir gefühlte Ewigkeiten über mehrspurige Autobahnen und durch endlose Hochhaussiedlungen.

Die riesigen Hochhäuser rechts und links wirken beunruhigend auf mich. Die meisten sind dunkel und schwarze Monster vor dem nächtlichen Himmel, manchmal mit einem Lichterkranz geschmückt. Hier scheint niemand zu wohnen.

Nach einer halben Stunde erreichen wir das Ibis-Hotel. Ich bezahle brav meine 70 RMB an den Fahrer. Dann schleppe ich meinen Koffer die paar Stufen zum Eingang hoch. Eigentlich ist der ja gar nicht so schwer, aber irgendwie unhandlich. Außerdem ist der Griff zum Ziehen kaputt. Schon steht eine junge Hotelangestellte vor mir und nimmt mir den Koffer aus der Hand! Meine weißen Haare wirken Wunder!

Das Restaurant meiner Träume

Gleich darauf mache ich mich auf die Suche nach einem Restaurant. Ich habe einen Bärenhunger! Und ich finde meinen Traum von einem Restaurant!  Eine Art Schnellrestaurant. Der Ablauf ist etwas schwierig zu verstehen. Es gibt eine Speisekarte und auch so ein Buffet wie in dem Malatang-Restaurant in Peking. Als ich die Speisekarte sehe, weiß ich, dass ich in meinem persönlichen Food-Paradies gelandet bin. Es gibt alle meine Lieblingsgerichte: Gong Bao Jiding, Yu Xiang Rou Si, Mapo Doufu. Das sind zwar keine besonderen Gerichte, aber in jedes Einzelne könnte ich mich reinsetzen!

Der Ablauf: Zunächst muss ich eine Art Kaution entrichten. Dafür bekomme ich eine Karte, mit der ich zum Schluss alles abrechnen kann. Aha! Außerdem bekomme ich eine sehr nette Kellnerin zur Seite gestellt, die mir einen Platz zuweist und mir alles geduldig erklärt. Ich beschränke mich auf Gong Bao Jiding (Hühnchen mit Erdnüssen), ein wenig Reis und ein Bier.

Die Kellnerin ist entzückt, fragt nach meinem Woher und Wohin, kommt immer wieder zu mir an den Tisch, um sich mit mir zu unterhalten. Ich errege Aufsehen. Selbst der Koch lässt es sich nicht nehmen, mir persönlich mein Essen zu servieren.

Zum Schluss genieße ich noch ein Bier auf meinem Zimmer und das problemlos funktionierende Internet.

Links

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Ulrike

4 Gedanken zu „Alles kann, nichts muss: Von Peking nach Anyang“

  1. Ich fühle mich sehr wohl mit all den liebenswürdigen Chinesen um mich. Vielleicht liegt es an meinen weißen Haaren. Alle sind sehr, sehr nett und hilsbereit.

  2. So viele hilfsbereite Menschen – von denen könnten wir uns hierzulande schon ein ziemlich dickes Scheibchen abschneiden…
    Danke für das erneute faszinierende Entführen in eine völlig fremde Welt durch deinen guten Text und die Bilder…

Ich freue mich auf Deinen Kommentar!