Zuletzt aktualisiert vor 1 Jahr
Daci Tempel 大慈寺 Foto- und Reisebericht
Bei meinem Besuch in Chengdu 2013 stieß ich auf den Daci Tempel, den Tempel der Barmherzigkeit im Stadtzentrum. Dieser Tempel steht nicht im Focus der Touristen, egal ob Gruppen oder Backpacker. 2013 wurde gerade kräftig renoviert und rundum dominierten die Baukräne.
Trotzdem war der Daci Tempel ein lebhafter und lebendiger Ort des Glaubens. Für die Renovierung wurde fleißig Geld gesammelt.
Ha! Zur allgemeinen Erleichterung konnte die Langnase nicht nur Chinesisch sprechen. Nein, sie konnte sogar ihren Namen in lesbaren Schriftzeichen aufschreiben. Konzentriert malte der Mönch meinen Namen in roter Farbe auf den Ziegel.
So kommt es, dass ein Ziegel in einem buddhistischen Tempel in Chengdu meinen Namen trägt. Warum da nicht „Ulrike“ auf Chinesisch steht, das erfahrt Ihr hier: Barbara und die Acht
Die Verbindung zwischen Kultur, Buddhistischem Tempel und Kommerz erschien mir sehr gewagt. Ich wurde neugierig. Zu gerne hätte ich gewusst, wie der vollendete Komplex aussehen würde. Was würde übrig bleiben von dem altehrwürdigen Tempel? Wie das moderne Drumherum aussehen?
Beim Rausgehen entdeckte ich auf einem Bauzaun die folgende Werbung
Daci Tempel 2016: Kultur und Kommerz
Ich hatte eigentlich nicht damit gerechnet, so schnell wieder nach Chengdu zu kommen. Doch eine Einladung zu einer Tourismus-Messe in Leshan/Emeishan machte es möglich! In dem dicht getakteten Programm gab es nur einen freien Tag: Der Montag gleich nach unserer Ankunft.
Eigentlich hatte ich mir für diesen freien Tag vorgenommen, noch einmal nach Sanxingdui hinauszufahren, zu dieser faszinierenden Ausgrabungsstätte mit überwältigenden Funden vor den Toren Chengdus. Doch ich war ein wenig müde von dem langen Flug und es regnete. Das dämpfte meine Unternehmungslust sehr. Also entschied ich mich, mit der U-Bahn zum Daci Tempel zu fahren. Schließlich waren da diese besondere Verbundenheit durch den Ziegel und meine Neugier.
Die nächste U-Bahn-Haltestelle ist Chunxi. Dies ist ein lebhaftes Einkaufsviertel mit einer ausgedehnten Fussgängerzone nicht weit vom zentralen Tianfu-Platz (da steht die bekannte Mao-Statue). Die Haltestelle liegt im Untergeschoss eines Einkaufscenters. Es ist nicht ganz einfach, sich durch die engen Gänge vorbei an all den kleinen Läden zu bewegen und den richtigen Weg zu finden.
Als ich endlich das trübe Tageslicht wiedersah, hielt ich dem nächsten Menschen meine Karte von Chengdu unter die Nase und deutete auf den Tempel. Und nach wenigen Metern stand ich vor diesem Shopping-Komplex:
Ein interessanter Anblick! Moderne Häuser im traditionellen Stil, viel Glas und Luxusläden überall. Neugierig ging ich näher, guckte in die Schaufenster mit ihren luxuriösen Auslagen. Gold und Glitzer wohin ich auch sah! Dazwischen Cafés und noble Restaurants.
Dann brauchte ich eine Pause. Irgendwie war das wie ein Kulturschock. Aber schön, sehr edel. So traute ich mich und bestellte in einem Café einen Cappuccino. Noch vor wenigen Jahren gab es in China keine für das Aufschäumen geeignete Milch. Doch dieser Cappuccino hier war sehr, sehr gut. Ich setzte mich nach draußen, wo die 100% Luftfeuchtigkeit in dicken Tropfen von dem Sonnen-/Regenschirm tropfte.
Von meinem Platz aus konnte ich direkt auf eine Mauer sehen, hinter der sich der Daci Tempel verbarg. Manchmal klang das Singen und Rezitieren der Mönche über den Platz. Unüberhörbar vom Band.
Daci Tempel
Ich war ein wenig unsicher: Was würde mich erwarten? Kultur oder Kommerz? Alt oder neu? Lebendiger Tempel oder Touristenattraktion? Gestärkt durch den Kaffee ging ich entschlossen durch das Tor und betrat eine andere Welt. Dies war ein lebendiger, alter Tempel! Voller Gläubigen, dem Duft der Räucherstäbchen und dem Klang der Gongs.
Nach einem kurzen erstaunten Blick nahm mich eine Dame mit einem großen Lächeln in Empfang, drückte mir ein paar Lotos-Knospen in die Hände und forderte mich auf, diese Buddha zu spenden. Als ich nach meinem Portemonnaie griff, wehrte sie ab: Heute nicht!
Fasziniert schritt ich von Hof zu Hof, machte meine Verbeugungen vor den Buddha-Statuen, bewunderte ehrfürchtig die schönen Statuen. Überall war der Tempel bunt geschmückt. In den schmalen Höfen und Gängen saßen Menschen und unterhielten sich.
In einem Hof waren viele Menschen versammelt, die zusammen saßen, Reis mit Gemüse aßen und sich lebhaft unterhielten. Als sie mich sahen, stockten sie kurz und lachten mich freundlich an. Eine Frau griff mich am Ärmel, drückte mir eine Schale mit Reis in die Hände, eine andere goss eine große Kelle Gemüse drüber. Ich bekam Stäbchen und wurde aufgefordert, mich an einen der Tische zu setzen. Gleich hatte ich einige Schülerinnen um mich, die begeistert ihr Englisch mit mir übten.
Geld? Neinnein! Heute sei Tag der Großzügigkeit. Da sei alles frei, wurde mir gesagt. Aber als ich doch einen Schein in die Spendenbox stopfte, gab es anerkennende Blicke.
Als ich dann mit meiner leeren Schale weiterging, hätte ich noch ein paar Mal Nachschlag bekommen können. Doch ich war satt. Das perfekte Mittagessen! Lecker, vegetarisch, reichlich! Auch Spülen brauchte ich nicht. Alles wurde mir freundlich aus der Hand genommen.
Natürlich gab es auch ein lebhaftes Teehaus im Tempel. Das darf vor allem in Chengdu nicht fehlen.
Schließlich trat ich an dem Tor, wo ich 2013 in den Tempel gekommen war, wieder in die brausende moderne Welt zurück.
Der Daci Tempel – Geschichte
Der Tempel der Barmherzigkeit ist der älteste buddhistische Tempel Chengdus. Erste Erwähnungen stammen aus dem 6. Jahrhundert. Einer Legende zufolge soll er sogar aus der östlichen Han-Dynastie stammen (25 – 200 n. Chr.). Besondere Bedeutung hat der Tempel dadurch, dass der berühmte Mönch Xuanzang (600 – 664) hier einige Zeit verbrachte.
Xuanzang wird in China von den Buddhisten sehr verehrt, weil er nach einer Reise nach Indien, wo er den Buddhismus studierte, in China sehr zur Ausbreitung des Buddhismus beitrug.
Man begegnet ihm an vielen wichtigen buddhistischen Stätten und Tempeln, so u.a. bei den Yungang-Grotten von Datong oder bei der Großen Wildganspagode in Xi’an. Auch in den Mogao-Grotten bei Dunhuang gibt es ein Bildnis von ihm.
Der Tempel wurde einige Male renoviert, vor allem in der Qing-Zeit, und eben zuletzt zwischen 2013 und 2015. Er wirkt dabei aber nicht neu, sondern hat sich den Charme eines alten und vor allem lebendigen Tempels erhalten.
Infos
Öffnungszeiten: 8:00 – 22:00 Uhr
Eintritt: RMB 3,-
U-Bahn Haltestelle Chunxi
Links
Tipp: Nicht weit ist es zur Chunxi Road, einer lebhaften Fußgängerzone mit vielen schönen Geschäften.
Fotos
- Die Taklamakan-Wüste, geheimnisvoll und abenteuerlich - 1. Dezember 2024
- Deutsches Zollmuseum Hamburg - 26. November 2024
- China Visum – ein Rückblick - 22. November 2024
Danke für die wunderbaren Eindrücke! Scheint so, als sei die „Verschmelzung“ von Kunst, Tradition und Kommerz in diesem Falle durchaus geglückt.
Zuerst war ich ja sehr skeptisch und schon beinah sicher, daß der Kommerz die Oberhand gewonnen hatte. Umso schöner, daß ich mich da getäuscht habe. Vielen Dank für den Bericht und die schönen Fotos (wieder einmal 😉 ).
LG und ein schönes Wochenende,
Rabin
welche unterirdische Einkaufspassage? Ich fand die bei der U-Bahnstation Chunxi ziemlich chaotisch. Hast du den Daci-Tempel auch gesehen?
Hallo,
nach unserem Hotel in der Jinli Strasse hatten wir hier noch eine Wohnung mit Blick über Chengdu. Durch die (unterirdische) Einkaufspassage bin ich ein paar Mal gegangen und fand diese wirklich sehr schön.
Lg Thomas