Zuletzt aktualisiert vor 2 Jahren
Feinstaub ist in aller Munde bzw. Lunge. Klimaschutz ist das Thema. Dabei spielen die Feinstaubwerte eine große Rolle. Nach all den erschreckenden Meldungen über ausufernde Feinstaubwerte in Peking fragen sich viele Menschen, ob sie überhaupt nach China reisen sollen. Ich möchte da ein wenig die Hitze aus der Diskussion nehmen, klären, was Feinstaub überhaupt ist und über meine Erfahrungen aus 30 Jahren China Reisen berichten.
Smog in Peking und mehr
Smog in China 1987
Schon 1987 machte ich meine ersten Erfahrungen mit Smog in China. Der Begriff „Feinstaubwerte“ war damals noch nicht bekannt. In Chengdu, der Hauptstadt von Sichuan, kämpfte ich trotzdem mit den Auswirkungen. Dichter gelber Smog erschwerte die Sicht und die Atmung, verursachte Kopfschmerzen. Die Luft schien dicht, fest, „zum Schneiden“. Die Verursacher waren auch sofort ausgemacht: Endlose LKWs verstopften die Straßen. In China gab es damals noch nicht viele Privatautos.
1988 Peking im Smog
in Peking schien es noch schlimmer. Ich roch förmlich die Gase der unendlich vielen Kohleöfen. An manchen Tagen war die Luft gelb und schwer. Aber es gab auch die guten Tage, an denen die Sonne von einem strahlend blauen Himmel leuchtete.
Was ist Feinstaub?
Man bezieht sich dabei vor allem auf feine Partikel, die von den Schleimhäuten und Härchen in Mund und Nase nicht zurückgehalten werden und damit in die Lunge und die Atemwege geraten.
Das Bundesumweltamt unterscheidet wie folgt: Feinstaub besteht aus einem komplexen Gemisch fester und flüssiger Partikel und wird abhängig von deren Größe in unterschiedliche Fraktionen eingeteilt. Unterschieden werden PM10 (PM, particulate matter) mit einem maximalen Durchmesser von 10 Mikrometer (µm), PM2,5 und ultrafeine Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 0,1 µm. Quelle: Wikipedia
Wie gesagt: 1988 hatte ich davon noch nie etwas gehört. Diese Definitionen gibt es auch erst seit ca. 2005. Sicherlich habe ich die ganz kleinen Partikel PM2,5 nicht wahrgenommen. Aber die größeren waren mir durchaus bewusst. Bei der eiskalten trockenen Luft fraß sich der schwarze Staub tief in jede Hautfalte.
Waschen war nicht wirklich eine Freude damals: Heißes Wasser zum Duschen gab es immer erst abends. Das Wasser war so hart, dass sich der Schmerz in den Hautfalten verstärkte. Da half auch emsiges Eincremen nur wenig. Smog gab es fast täglich in Peking. Ich bin sehr froh, dass sich das mittlerweile etwas gebessert hat.
Verursacher des Feinstaubs und Smog in Peking 1988 waren die von den wirklich ungesunden Kohlestaubbriketts befeuerten Öfen. Noch bis in die 1990er Jahre gehörte ein Vorrat an Kohlestaubbriketts zur Bezahlung (Deputat) zum Beispiel der Lehrer am Beijing Language Institute. Ja, auch 2009 habe ich die Kohlestaubbriketts noch überall gesehen.
Nicht jeder Dunst ist Smog!
Sandstürme
Immer wieder erreichen vor allem im Winter heftige Sandstürme Peking. Sie kommen aus der trockenen Wüste Gobi nordwestlich von Peking. Dann färbt sich der Himmel gelb. Alles wird von einer dünnen Schicht feinen gelben Sandes bedeckt. Die Sicht ist eingeschränkt.
Meistens warnen die Behörden davor, das Haus zu verlassen. Das ist sicherlich auch eine Feinstaubbelastung. Aber sie wird nicht verursacht von Abgasen und Kohlestaub. Allenfalls trägt die Abholzung der Wälder zwischen Peking und der Wüste dazu bei.
In China ist man sich der Situation bewusst und hat umfangreiche Aufforstungsprogramme schon vor Jahrzehnten gestartet. Stichwort „Grüne Große Mauer“.
Nebel
Manchmal hüllt dichter Nebel Peking ein. Das ist ein ganz normaler Vorgang vor allem, wenn es zu den seltenen Schneefällen gekommen ist. Dann verdunstet das Wasser aus dem Schnee und bildet eine dicke Nebelwolke. Ein Problem dabei ist auch die Kessellage der Metropole, die manchmal dem Abzug der Wolken im Weg steht.
Feinstaub kann man nicht immer sehen!
Lasst Euch von Sonnenschein nicht täuschen! Auch wenn die Sonne vom blauen Himmel strahlt, können die Feinstaubwerte in Peking hoch sein. Das gilt vor allem für PM2,5.
BEIJING, 2022 Jan 4 (Reuters) – The Chinese capital Beijing met state air quality standards for the first time last year, officials said on Tuesday, a milestone lauded by experts, who also warned that pollution remained high in one of the world’s most populous cities.
…
The annual average of small, hazardous airborne particles known as PM2.5 was 33 micrograms per cubic meter, nearly seven times higher than the recommended World Health Organization level of 5 micrograms.
But this was down 13% compared to a year earlier and met China’s interim standard of 35 micrograms for the first time on record, officials said during a briefing on Tuesday.
Vollständiger Artikel Reuters
Das hört sich erfreulich an, vor allem wenn man bedenkt, dass vor ein oder zwei Jahren an einigen Tagen Werte von bis zu 900 Mikrogramm gemessen wurden.
Die Feinstaubwerte sind in der Regel im Winter höher als im Sommer, wenn es häufiger regnet.
Wie sehr die Feinstaubwerte in Peking auch der Bevölkerung ins Bewusstsein gerückt sind, zeigt die folgende Episode: Als ich im November 2017 vom Flughafen Peking abgeholt wurde, begrüßte mich der Fahrer mit einem strahlenden: „Du hast Glück heute! Das Wetter ist sehr schön und die Feinstaubwerte sind niedrig!“ Über’s Wetter zu reden lernt man als erstes, wenn man Chinesisch lernt. Ganz einfach! Aber nun verstand ich sofort, dass er auch über die Luftverschmutzung sprach.
Man hat wesentliche Maßnahmen ergriffen. Kohlestaubbriketts soll es nicht mehr geben. Zahlreiche Fabriken in und um Peking wurden geschlossen oder mussten Filter einbauen. Auch der Verkehr wird eingeschränkt. Nicht jeder darf jeden Tag fahren.
China verstärkt den Bau von Elektro-Autos. In den Städten dürfen meistens nur noch mit Elektromotoren angetriebene Motorräder fahren.
Fahrverbote sollen den Smog in Peking reduzieren
We hereby announce that,
According to Circular of the Beijing Municipal People’s Government on Implementing Traffic Management Measures to Restrict Regional Traffic in Rush Hour on Working Days, with approval of Beijing Municipal Government, it is decided to divide all the tail plate numbers of no-driving vehicles in regional rush hours on working days from April the 11th, 2015 … (gekürzt)
IV. From January the 10th, 2016 to April the 10th, 2016, the tail plate numbers of no-driving vehicles from Monday to Friday are 3 and 8, 4 and 9, 5 and 0, 1 and 6, 2 and 7 respectively.
According to Circular of Beijing Municipal Public Security Bureau on Traffic Control of Non-Local Passenger Vehicles to Enter the Capital, the rotation of tail plate number for no-driving vehicles stipulated above also applies to non-local passenger vehicles to enter the capital from 09:00 to 17:00 hours on working days.
(The circular is authentic in Chinese. English is provided for reference only. ) Quelle: Goverment Bulletin
Verstöße sollen die zahlreichen Überwachungskameras, die überall auf Pekings Autobahnen und Straßen verteilt sind, aufdecken. Die gerade mit Fahrverbot zur Smog-Bekämpfung belegten Nummern werden übrigens auch auf vielen Schildern an den Autobahnen angezeigt. Es kann also niemand behaupten, dass er nicht Bescheid wusste.
Und schon sind manche Pekinger kreativ geworden, wie man auf diesem Foto erkennen kann:
2015 gab es außerdem Fahrverbote für knapp eine halbe Million älterer Autos. Auch anlässlich hoher Feiertage oder großer Militärparaden werden Fabriken und Autos vorübergehend still gelegt.
Corona und der Feinstaub
Mit dem Lockdown nach Ausbruch der Covid-19-Epidemie Ende Januar 2020 wurden umfangreiche Fahrverbote erlassen. In vielen Städten Chinas gab es praktisch keinen Verkehr mehr. Dies hat natürlich zu einer Verbesserung der Luftqualität geführt. Anfang März jubelten die Medien „Coronavirus sorgt in China für bessere Luftqualität“. Das war tatsächlich so.
Doch schon Anfang Mai lauteten die Meldungen „Der Smog ist zurück!“ Kurze Zeit nach dem Wiederhochfahren der Wirtschaft in chinesischen Millionenmetropolen hat sich die Luftqualität offenbar wieder deutlich verschlechtert. Nach Angaben der Umweltschutzorganisation Greenpeace lagen die Stickstoffdioxidwerte und die Konzentration von PM2,5-Feinstaubpartikeln der Luft im April sogar höher als im Vorjahresmonat. Quelle: aerzteblatt.de
Wie kann man sich schützen?
An den belasteten Tagen mit hoher Luftverschmutzung oder wenn man sich in den dichten Verkehr stürzt, sollte man sich überlegen, ob man es wie die Einheimischen macht und sich an das Tragen eines Mundschutzes gewöhnt. Da gibt es in China eine große und fantasievolle Auswahl.
Aktuell
06.01.2023 Xinhua
Feinstaubbelastung in Beijing in den letzten zehn Jahren gesunken
Die durchschnittliche Konzentration von PM2,5-Feinstaubpartikeln in Beijing ist im Jahr 2022 auf 30 Mikrogramm pro Kubikmeter gesunken und liegt damit um 66,5 Prozent niedriger als im Jahr 2013, als die Stadt erstmals PM2,5-Messungen in die Überwachung und Kontrolle der Luftverschmutzung einbezog, teilte das städtische Büro für Ökologie und Umwelt am Mittwoch mit. mehr
Feinstaubwerte in China
Natürlich gilt das, was ich hier über Peking geschrieben habe, auch mehr oder weniger für andere chinesische Metropolen. Aber in Peking kenne ich mich am besten aus.
Feinstaubwerte auf Reisen
Eine Reise durch China dauert in der Regel zwei bis drei Wochen. Wenn man bedenkt, dass an den meisten Tagen die Feinstaubwerte im Bereich des erträglichen liegen, sollte man sich da nicht allzu viel Sorgen machen.
Ich reise seit 30 Jahren regelmäßig nach China und habe auch schon ein Jahr in Peking gelebt. Es geht mir immer noch gut. Ich habe keinerlei Lungenerkrankung entwickelt. Doch möchte ich Menschen, die schon mit einer Krankheit wie z.B. Asthma belastet sind, zur Vorsicht raten. Sprecht mit Eurem Arzt darüber!
Feinstaub auf Chinesisch
Zu guter Letzt zeige ich Euch noch die entsprechenden Schriftzeichen:
空气悬浮粒子 • kōngqì xuánfú lìzǐ • Luft – schweben – Teilchen = Feinstaub
Links
- Mehr zu den Kohlestaubbriketts: Die Heizungsgrenze
- Umweltverträglich reisen in China
- Die Kreativität der Chinesen im Umgang mit Vorschriften
- Tier- und Umweltschutz – China Nachrichten
- Xian, das alte Chang’an - 15. September 2024
- LieblingsChinesisch: Der Reiseführer - 8. September 2024
- Jetenburger Kirche, eine weitere Sehenswürdigkeit in Bückeburg - 4. September 2024
Vorurteile abzubauen, ist ein Hauptzweck, warum ich de Blog schreibe. China ist nicht einfach auf den ersten Blick. Und wenn Du noch einmal nach Peking kommst, dann helf ich dir gerne, diese Stadt zu mögen.
LG
Ulrike
Hallo Ulrike,
danke für den gut geschriebenen und informativen Beitrag über Smog und Feinstaubwerte in Peking. Ich habe einiges daraus gelernt. Peking ist eine großartige Stadt (bei meinem ersten Besuch mit Gruppe fand ich sie furchtbar), vielleicht baut Dein Beitrag einige Vorurteile ab.
Beste Grüße
Rosemarie