Hamburger Stadtspaziergang. Eigentlich wollte ich das Restaurant Mala Kitchen in der Alsterdorfer Straße suchen. Eigentlich. Aber schon beim Blick in den Stadtplan fiel mir auf, dass ich viel zu sehen bekomme, wenn ich einen Spaziergang dorthin mache. Nach einigem Überlegen fiel meine Wahl auf die kurze Strecke vom Klosterstern Ubahn-Haltestelle zur Ubahn-Haltestelle Hudtwalkerstraße. Ich war nach meiner Erkältung noch nicht wieder fit, also genügte mir das. Doch ich hatte mir gar nicht vorgestellt, wie viel ich auf dieser kurzen Strecke zu sehen bekam! Ich werde jetzt nur einiges schildern, um Euch dafür zu interessieren. Den Rest werde ich noch mal besuchen.
Auf diesem kurzen Weg (2,2 km) kam ich durch 3 Stadtteile: Harvestehude, Eppendorf und Winterhude.
Ich stieg also am Klosterstern aus der Ubahn U1, ging den Wegweisern nach und trat kurz darauf an die Oberfläche. Es war Samstag, die Sonne schien und es waren viele Menschen in feierlicher Kleidung unterwegs.
Klosterstern
Schon lange hatte ich mich über den Namen gewundert. Hier stand einmal das Harvestehuder Nonnenkloster. Jetzt ist der Klosterstern ein großer Kreiverkehr mit 100 m Durchmesser. Ringsum herrliche Villen und Häuser vom Anfang des 20. Jahrhunderts und in der Mitte ein großer Platz mit alten Bäumen und ein paar Bänken.
Doch zunächst zu der U-Bahn-Haltestelle Klosterstern, die durchaus einen eigenen Artikel wert wäre. Den gibt es übrigens hier mit vielen Fotos. Die Station wurde 1929 eröffnet. Damit fällt dieser Bau noch in die Zeit des Art Deco. Die Haltestelle befindet sich heute noch architektonisch weitgehend im Originalzustand. In den 1980er Jahren wurde die Anlage originalgetreu renoviert.
Als ich hinauf ans Tageslicht steige, stehe ich vor dem großen Kreisverkehr des Klosterstern. Im Zentrum liegt der bereits erwähnte Platz, der vor allem durch seine alten Bäume glänzt.
In der Mitte befindet sich eine merkwürdige Mauer aus mit einem Drahtgitter befestigten dunkelgrauen Pflastersteinen. Eine Erklärung habe ich nicht gefunden. Wenn Ihr mehr wisst, schreibt es mir in den Kommentaren!
Kirche St. Nikolai am Klosterstern
Jetzt sind es nur ein paar Schritte bis zur Kirche St. Nikolai. Sie stammt aus 1960er Jahren. Ich konnte sie leider nicht von Innen sehen, da – man denke an die oben erwähnten festlich gekleideten Menschen – gerade eine Konfirmation stattfand.
Die Geschichte der Kirche reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück. Doch das gotische Gebäude wurde mehrfach in Feuersbrünsten beschädigt und zuletzt beim Großen Brand von Hamburg vollständig vernichtet. Damals wurde sie am Hopfenmarkt noch einmal wieder aufgebaut.
Als dieser neugotische Bau in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs 1943 zerstört wurde, hatte man genug von dem Standort. Was von der Ruine noch übrig blieb, vor allem der Kirchturm, blieb als Mahnmal und Erinnerung des Weltkrieges am Hopfenmarkt stehen. Die Hauptkirche St. Nikolai-Kirche wurde dann am Klosterstern neu gebaut.
St. Benedictstraße und Heilwigstraße
Ich biege in die St. Benedictstraße ein. Rechts und links stehen leuchtend weisse Villen aus der Zeit zwischen 1880 bis 1930, also Gründerzeit, dem Historismus und der Zeit des Jugendstils. Havestehude blieb von den Bombardierungen des Zweiten Weltkriegs weitgehend verschont. Dementsprechend viel alte Bausubstanz gibt es hier auch.
Der Straßenname verweist wie auch die Heilwigstraße auf das frühere Kloster. Dieses Kloster, benannt nach dem vorherigen Kloster-Sitz, dem Dorf „Herwardeshuthe“, gab dem Stadtteil Harvestehude seinen Namen. Auch die Benennung des benachbarten Klostersterns oder des Nonnenstiegs gehen auf das klösterliche Erbe zurück.
Bedauerlicherweise sehe ich viele Stolpersteine, die an die Hausbewohner erinnern, die von den Nazis verfolgt und ermordet wurden. Allein in der St. Benedictstraße sind 12 Stück. 12 traurige und schreckliche Schicksale stehen für sicherlich noch mehr betroffene Menschen, die einst in diesen Straßen gelacht, geweint, gelebt haben.
Die Straße ist gesäumt von alten Bäumen und gepflegten Vorgärten. So gehe ich im angenehmen Schatten der Bäume und erfreue mich am vielfältigen Gesang der Vögel.
Nach wenigen 100 Metern erreiche ich kurz vor der Alster die Heilwigstraße, wo ich mich nach links wende. Hier ist die Bebauung nicht mehr ganz so dicht, dass ich immer wieder auf die Alster blicke. Auf dem Fluss, der hier wie ein Kanal wirkt, ist an diesem sonnigen Tag viel los. Sportliche Ruderboote, Tretboote und Standup-Paddler sind unterwegs. Sogar eine Mannschaft in einem Drachenboot kann ich beobachten. Ihr rhythmisches Trommeln begleitet mich noch eine Weile.
Warburg Haus
Auch hier viele Villen aus der Vorkriegszeit. Ein Gebäude sticht heraus: Das Warburg Haus entstand zwischen 1925 und 1926 als repräsentative Räumlichkeit für die immer größer werdende Bibliothek des Aby Warburg, deutscher Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler und der Begründer der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg. Gegenstand seiner Forschung war das Nachleben der Antike in den unterschiedlichsten Bereichen der abendländischen Kultur bis in die Renaissance. Von ihm wurde die Ikonografie als eigenständige Disziplin der Kunstwissenschaft etabliert.
Seit der Nazi-Zeit hat das Haus eine bewegende Geschichte hinter sich gebracht, bis es 1995 der Aby-Warburg-Stiftung übergeben wurde. Seitdem ist es ein interdisziplinäres Forum für Kunst- und Kulturwissenschaften der Uni Hamburg und der Stiftung. Es widmet sich geistes- und kulturgeschichtlicher Spitzenforschung und sieht sich seiner Geschichte und der Tradition von Forscherpersönlichkeiten wie Aby Warburg, Erwin Panofsky und Ernst Cassirer verpflichtet.
Die wechselhafte Geschichte des Kloster St. Johannis
Dann erreichte ich das Kloster St. Johannis, das mich schon längere Zeit interessierte. Schließlich schaute ich oft von der U1, die hier die Alster quert, auf einen ruhigen Garten und dahinter ein altes Gebäude, das imposant wirkt und auch eine gewisse Ruhe und Würde ausstrahlt.
Nun stand ich also davor und gab mich ganz der Würde des Hauses hin: Nachfolgebau des Kloster St. Johannis von 1914.
Das Nonnenkloster wurde 1246 von der Gräfin Heilwig, der Gemahlin des in den Franziskanerorden eingetretenen Grafen Adolfs IV. von Schauenburg, gegründet. Es lag außerhalb des damaligen Gebietes der Stadt Hamburg auf einer Anhöhe über der Elbe bei dem Dorfe Herwardeshude.
Das Kloster war bis zur Reformation ein ruhiges Zisterzenserinnen-Kloster. 1530 zogen die Nonnen in die Gebäude des zuvor aufgehobenen Dominikanerklosters St. Johannis in der Hamburger Innenstadt. Die Nonnen, die zum Protestantismus übertraten und weiter in Ruhe und Gebet leben wollten, gründeten 1536 das Evangelische Conventualinnenstift für unverheiratete Hamburger Patrizier- und Bürgertöchter.
1837 wurde das Kloster an den Schützenwall, den späteren Klosterwall, verlegt. 1914 erfolgte der weitere Umzug zum heutigen Standort an der Heilwigstraße. Diese Straße wurde bereits 1870 nach der Klostergründerin benannt.
Am 11. Juli 1914 wurde die jetzige Klosteranlage in der Heilwigstraße gegründet und den Damen übergeben. Stiftungszweck des Hauses ist eine Wohnstift für ledige Hamburger Bürgertöchter.
„Je nach Leerstand werden neue Bewohnerinnen aufgenommen und zahlen eine angemessene Miete. Jede Dame verfügt über eine abgeschlossene Wohnung (verschiedene Größen) und versorgt sich selbst. Die Nachbarschaftshilfe ist vorbildlich. Wir fühlen uns einer christlich humanistischen Lebensordnung verpflichtet. […] Eingedenk der klösterlichen Wurzeln, bemühen wir uns, um eine in die Zukunft weisende lebendige Orientierung in der Gegenwart.“ Kloster St. Johannis Homepage
Das Damenstift ist für alleinstehende Damen ab dem 60. Lebensjahr bestimmt. Es existiert keine Alters- oder Pflegeeinrichtung. Das Kloster beherbergt 72 Damen.
Kirche St. Johannis, eine Fachwerkkirche
Ein wenig weiter liegt die Fachwerkkirche St. Johannis, da wo die Hudtwalkerstraße über die Alster führt. Sie nennt sich „die Dorfkirche in der Stadt“. Ja, sie bietet wirklich einen überraschenden Anblick, vor allem wenn man sich von der Heilwigstraße nähert.
Sie geht auf einen ersten Kirchenbau 840 zurück. Doch erstmal erwähnt wird sie 1267. 1530 wird sie lutherisch. Im Dreißigjährigen Krieg plünderten die kaiserlichen Truppen unter Tilly die Kirche. 1814 wurden Hunderte von Kranken im Gotteshaus einquartiert, als der sogenannte Pesthof am Millerntor zerstört war.
Unter den Turm der Kirche findet man die ältesten Mauern, einen Rundturm aus Findlingen, der allein den Brand im Jahre 1314 (oder 1341?) überdauerte. Schon 1622 wurde das Kirchenschiff mit Fachwerk gestaltet, das nach einigen baulichen Veränderungen 1961 originaltgetreu wiederhergestellt wurde.
U-Bahn-Station Hudtwalcker Straße
Nun könnte ich noch vom Winterhuder Fährhaus und dem Alma Hoppe Lustspielhaus berichten, die an der Brücke über die Alster liegen, aber die habe ich nur von außen gesehen. Deshalb davon später!
Ich überquerte also die Alster, genieße den Blick über den Fluss bei immer noch schönstem Sonnenschein. Das Mala Kitchen ist ganz in der Nähe.
Dann fuhr ich wieder mit der U-Bahn zurück. Die Station Hudtwalcker Straße existiert seit 1914. Sie wurde zeitweilig geschlossen, weil es damals noch zu wenig Nachfrage gab.
Der Name über den Zugangstüren der Station wurde falsch, ohne ck, geschrieben und wegen des unverhältnismäßigen Aufwandes nie korrigiert.
Die Familie Hudtwalcker nimmt das mit Humor. Sie ist eine erfolgreiche Kaufmannsfamilie. Das Handelsunternehmen für Fischöl (angeblich fließt in den Adern der Angehörigen der Familie Hudtwalcker kein Blut, sondern Tran) begann am 18. April 1743 als Hudtwalcker & Co in Hamburg-Hammerbrook mit dem Handel von Lebertran und Heringsölen.
Das war das Ende meines kurzen Stadtspazierganges vom Klosterster bis zur Hudtwalkerstraße. Ich bin immerhin auf 13.000 Schritte gekommen!
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Danke für Hinweis! Habe den Artikel gleich ergänzt.
Danke Ulrike, ein sehr schöner Bericht, manchmal liegt spannendes so nah in der Umgebung. Es hat zugegebenermaßen etwas gedauert, bis auch ich verstanden hab, dass es um Hamburg geht. Ich werde bei meinem nächsten Besuch dort die Augen offen halten.