Blogparaden bieten immer wieder nette Gelegenheiten, Erinnerungen an fast vergessene Reiseerlebnisse hervorzukramen. Nun fragt Kathleen vom Blog „Immer auf Reisen“ nach der „verrücktesten Reise„.
Dazu könnte ich von meinem Trip nach Rom schreiben, als ich 2015 für ein Wochenende dorthin bin, einzig und alleine, weil ich mir eine ganz besondere Ausstellung aus China im Palazzo Venezia angucken wollte: „Der Zauber von Mawangdui„. Ziemlich verrückt, oder?
Eine andere verrückte Reisegeschichte ist die von dem unheimlichen Typen im Schlafsaal in Kunming. Da teilte ich mir das Zimmer mit einigen Backpackern und einem jungen Japaner (?), der in seinem Nachttisch eine lebendige Krähe hielt und hin und wieder bedrohlich mit einer riesigen Machete rumfuchtelte.
Diese und noch andere Geschichten hätten gut zu der Blogparade gepasst. Das wäre auch ziemlich einfach gewesen, denn die Artikel stehen fix und fertig im Blog.
Doch dann kam mir die folgende Reisegeschichte in den Sinn, ein Erlebnis aus den Frühzeiten meiner Reiseerfahrungen, an das ich immer noch gerne aber auch mit einem seltsamen Gefühl zurückdenke. Denn bis heute ist mir nicht ganz klar, was da passiert ist.
Im Basar von Tunis
Es muss so 1980 gewesen sein, als ich einer Einladung folgte, zusammen mit anderen Reisebüroleuten nach Tunesien zu reisen. Ein Reiseveranstalter hatte eingeladen und ich hab gerne zugesagt! Das Programm bot viele Besichtigungen auf Djerba, in Hammamet und Sousse. Nicht nur Hotels haben wir gesehen, auch die wichtigsten Sehenswürdigkeiten.
Am Ende kamen wir in Tunis an. Natürlich stand der große orientalische Basar dort auf dem Programm! Alle freuten sich über die Gelegenheit zum Shopping. Dafür gab es am Eingang einen speziellen Bereich für die Touristen. Schön orientalisch bunt, aber überwiegend Souvenirs und Touristenware.
Und ich? Mich langweilten die Souvenirstände. Zum leichten Entsetzen unseres tunesischen Reiseleiters fragte ich nur kurz nach Treffpunkt und Zeit für die Rückfahrt zum Hotel und verschwand in den Tiefen des eigentlichen, authentischen Basars.
Sofort umhüllte mich eine Geräuschkulisse von arabischen Wortfetzen, klingelnden Glöckchen, laute Rufe, das Hämmern der Handwerker,
Kleine bunte Läden, in denen die Schätze des Orients angeboten wurden. Golden leuchtende Messing-Tabletts, glitzernde Tee-Gläser, funkelnder Schmuck, bunte Stoffe und Teppiche. Mit großen, begeisterten Augen ging ich durch die mit Segeltuch überspannten Gänge.
Über allem lag der Duft exotischer Gewürze. Anis, Zimt, Koriander. Hmm, aufregend!
Immer tiefer im Basar
Immer tiefer zog es mich hinein in das Gewirr aus Gassen und Geschäften. Dabei war mir immer bewusst, dass ich auch wieder zurück finden musste – rechtzeitig.
Viele Shopinhaber und Verkäufer schauten mich erstaunt an. Was will die fremde Frau hier? Manch einer versuchte freundlich, mir etwas zu verkaufen. Keiner sprach Englisch. Einer probierte es mit Französisch. Das konnte ich nicht.
Mir wurde immer bewusster, dass ich anscheinend die einzige Frau weit und breit war. Der Bazar war eine reine Männerdomaine. Auch einheimischen Frauen begegnete ich nicht.
Ein Mann fiel mir auf. Hochgewachsen, mit einem weißen Tuch um den Kopf geschlungen, in einem dunklen Anzug. Er schien mich zu beobachten. Jedes Mal, wenn ich mich umdreht, stand er da. Ruhig, mit einem leisen Lächeln um den Mund. Immer ein wenig entfernt, Distanz wahrend. Folgte er mir?
Höchste Zeit, zurück zur Gruppe zu finden! Ich beschleunigte meine Schritte. Sah mich um. Der Mann war hinter mir, ein paar Meter entfernt stand er bei einem Teppichhändler und schien sich freundlich zu unterhalten.
Unheimlich! Ich eilte weiter. Dann sah ich mich um, er war immer noch da! Was wollte er? Wollte er wirklich was von mir? Jetzt aber flott zurück zu meinen Leuten! Ich sah mich schon hilflos im dunklen Basar verschwinden. Verschleppt in einem fremden Land!
Sichere Rückkehr
Da erreichte ich eine Kreuzung. Etwas unsicher blieb ich stehen: Nach rechts oder nach links? Das Gewusel, die Händler, die Läden – alles sah ähnlich aus. Ich tendierte dazu, mich nach links zu wenden.
Zögernd sah ich mich um. Da stand der große Tunesier und schaute mich mit einem nachdenklichen Blick an. Ohje, er hatte meine Unsicherheit bemerkt! Was sollte ich nur machen!
Da drehte er seinen Kopf nach links und nickte leicht. Mit einem Ruck entschloss ich mich, ihm zu vertrauen und ging nach links. Ich verließ mich auf mein gutes Bauchgefühl und meinen Orientierungssinn, der mich ja auch nach links geschickt hatte!
Was soll ich sagen! Nach wenigen Schritten traf ich die ersten Leute aus meiner Gruppe! Als ich mich umdrehte, um dem fremden Mann zu danken, war er verschwunden.
Unser Reiseleiter meinte dazu, dass es im Basar Polizisten und Aufpasser in Zivil gäbe, die im Notfall zur Stelle sind. Aber hätte so jemand mich nicht angesprochen?
Auf jeden Fall war das ein ganz besonderes und tolles Erlebnis!
Links
- Vertrauen unterwegs – Ägypten
- Der Basar von Osh, Kirgistan
- Sonntagsmarkt in Kashgar, China
- Als Frau alleine reisen
- Kaffee in China – eine erstaunliche Entwicklung - 6. Oktober 2024
- Der Orient: Länder der Seidenstraße - 29. September 2024
- Shanghai Pass für ganz China! - 22. September 2024
Das waren noch Zeiten!
LG
Ulrike
Wenn ich an die Anfang der 60 Jahre denke, wo „trampen“ ganz natürlich war, beglückwünsche ich mich, dass es immer gut bis sehr gut ausging.(Europa + Marokko)
Lilli Zilz
Ja, da hast du wohl recht. Obwohl ich mittlerweile mich recht sicher fühle, auch in dunklen Basaren.
Dieses Gefühl der Unsicherheit in fernen Ländern hinterlässt Spuren (wie deutlich an deiner Geschichte zu erkennen) , auch wenn zwischenzeitlich schon viele Jahre vergangen sind. Ich selbst habe anfangs der 80ziger Ähnliches erlebt bei einem mehrmonatigen Arbeitseinsatz in Touggourt, Algerien. Erlebtes bleibt…manchmal sind“s auch bloss Fragmente die wieder hochkommen. Ich denke oftmals zurück an Reise-Erlebtes.
Wie aufregend. Eine tolle Geschichte.
Liebe Grüße
Liane
Aus eigener Erfahrung würde ich sagen, dass der Reiseleiter recht hatte. Polizei und Geheimdienst sind nicht nur auf dem Basar sondern auch sonst unterwegs und haben ein Auge auf Touristen. Nicht immer zum Schutz der Touristen, sondern auch zum Schutz vor Touristen. Diese Leute sprechen einen nicht an. Sie sollen bemerkt werden- als Warnung- und dennoch so tun, als wären sie harmlose Passanten.
Auf die Idee mit dem Reiseleiter bin ich noch gar nicht gekommen! Interessante Idee!
LG
Ulrike
Hallo liebe Ulrike!
Ich vermute mal, ohne es genau zu wissen, dass es so gewesen sein könnte, wie dein Reiseleiter gesagt hatte. In manchen Ländern gibt es Polizisten in Zivil oder sonstige Arten von Sicherheitspersonal, die ein besonderes Auge auf die Touristen haben, um deren Sicherheit zu gewährleisten. In Pakistan kannst du davon ausgehen, dass man ein Auge auf dich hat, damit du dich nicht in Gegenden vorwagst, wo es gefährlich für dich werden könnte. Das gäbe schlechte Presse, man möchte schließlich, dass das eigene Land als sicher für Reisende gilt.
Naheliegender finde ich aber, dass der Reiseleiter selbst jemand bekannten abkommandiert haben könnte, auf dich aufzupassen, bevor du verloren gehst oder dir etwas passiert. Als „Schutzengel“… 😉
Liebe Grüße
Kasia
Ja, wirklich! Damals war ich auch erst 25 und noch nicht so reiseerfahren wie heute.
Eine merkwürdige Geschichte.