Ja, weiß und doch nicht weiß – die Gipsabgusssammlung des Archäologischen Institut Hamburg. Versteckt, in einem Hinterhof der Universität, ein Souterrain, das man nur schwer findet, liegt die kleine Gipsabgusssammlung antiker Skulpturen.
Ein paar Stufen geht es hinab, dann öffnet sich eine schwere stählernde Tür zu einer ehemaligen Backstube. Nichts erinnert mehr daran, dass hier mal gebacken wurde.Vielleicht der geflieste Fussboden.
Erste Eindrücke
In den niedrigen verwinkelten Räumen begrüßen mich lauter alte Bekannte. Da steht Mausolos, groß und kräftig, und gegenüber ein griechischer Philosoph.
Weiter hinten steht die berühmte verwundete Amazone vom Typus „Sciarra“. Diese Statue gibt es in vielen antiken Kopien. Das Original aus Bronze des Polyklet oder Phidias ist nicht erhalten. Gefunden wurde die Marmorstatue 1868 in Rom, Vicolo di S. Nicola di Tolentino, ehem. Gärten des Sallust, erworben 1869 durch W. Helbig und steht heute in Berlin.
Was man nun mit einem Gipsabguss anstellen kann, zeigt diese Website „Hellenica World“
Denn das ist Zweck einer solchen Gipsabgusssammlung: Der Forschende kann die Statue genau untersuchen und auch eine Rekonstruktion der Farben versuchen, ohne dass ein Original beschädigt wird.
Klar, das ist jetzt alles mit der modernen Technologie auch am Computer im Institut oder zuhause möglich. Aber nichts wird das Gefühl ersetzen, das einen überkommt, wenn man der Statue leibhaftig gegenübersteht.
Man darf auch nicht vergessen, dass das alles bis vor ein paar Jahren noch nicht möglich war.
Geschichte der Gibsabgusssammlung
Als im 19. Jahrhundert erstmals großflächig in ganz Europa Museen eingerichtet wurden, die allen Bürgern offen standen, formierte sich auch in der Freien und Hansestadt Hamburg eine breite Initiative zum Aufbau einer Kunstsammlung.
Das Engagement der Hamburger Bürgerschaft und v. a. die Initiative privater Sponsoren ermöglichten die Eröffnung der ersten Kunsthalle im Jahr 1852. Im Laufe von ca. 50 Jahren wurden im Erdgeschoss Gipsabgüsse von Skulpturen aus Antike, Mittelalter und Neuzeit gesammelt, um den Besuchern die Entwicklung der Kunstgeschichte zu veranschaulichen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Erwerb von Abgüssen aufgrund eines neuen Ausstellungskonzepts in der Kunsthalle auf Skulpturen der Antike beschränkt. Nach dem zweiten Weltkrieg verblieben sie jedoch in den Magazinen der Kunsthalle und waren der Öffentlichkeit lange unzugänglich.
Erst Anfang der 1980er Jahre wurden die nun schon historischen Gipsabgüsse aus den Depots gebracht und gingen in den Besitz des Archäologischen Instituts der Universität Hamburg über. Seit 1992 befindet sich die Sammlung in den Räumen einer ehemaligen Backstube an der Grindelallee und steht dort allen Interessierten zur Besichtigung offen.
Universität Hamburg
Weitere Eindrücke
Die Studenten und Forscher können alle möglichen Farben und Techniken ausprobieren.
Das zeigt sehr schön dieses Video: Die Farben der Antike – Dr. Nadine Leisner über das Projektseminar „Polychromie in der Antike“
Beispiele findet man auch in der Gibsabgusssammlung selbst.
Es ist schon ein tolles Gefühl, diesen großartigen Statuen gegenüberzustehen, ohne in das Originalmuseum irgendwo in der Welt reisen zu müssen. Denn die meisten antiken Statuen sind über die Museen weltweit verstreut.
Informationen über die Gipsabgusssammlung Hamburg
Es gibt einige Führungen in diesem Sommer. Die Termine findet Ihr hier.
Die Gipsabguss-Sammlung kann von allen Interessierten jederzeit nach Voranmeldung bei der wissenschaftlichen Leitung Dr. Sabine Huy besucht werden.
Tel. +49 40 42838-9037
E-Mail: sabine.huy@uni-hamburg.de
Gipsabgusssammlungen anderswo
Viele archäologische Institute verfügen über eine Gipsabgusssammlung, die bislang eine unscheinbare Existenz führten und meistens nur Studenten, Archäologen und Historikern zugänglich waren.
Heute zeigen die archäologischen Institute und Museen gerne ihre Abgusssammlungen und machen sie dem interessierten Laien zugänglich.
Ich kenne noch die Kieler Abgusssammlung aus den 1970er Jahren. Damals war die Sammlung nur Studenten und Forschern zugänglich. Seit 1986 ist sie in die Antikensammlung integriert. In der 2020 neukonzipierte Dauerausstellung bietet das Museum in ihrer gleichgewichtigen Präsentation von Abguss-Skulpturen und originalen Werken der antiken Kleinkunst einen reich dokumentierten Gang durch die Kunst- und Kulturgeschichte der Antike.
Weitere Gipsabgusssammlungen gibt u.a. in Berlin, München oder Göttingen.
Göttingen verdient eine besondere Erwähnung. „Das Archäologische Institut der Universität Göttingen verfügt über die älteste universitäre Abguss-Sammlung der Welt. Mit mehr als 2.000 maßgetreuen Reproduktionen antiker Skulpturen aus über 150 Museen zählt sie auch heute noch zu den größten Einrichtungen ihrer Art. Die Exponate entstammen vor allem dem griechischen und römischen Kulturkreis.“ Webseite des Museums
Antike auf dem Bambooblog
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Dieser Beitrag erschien schon vor ein paar Wochen auf dem Blog und ist mit dem Computercrash verschwunden. Deshalb hab ich ihn neu geschrieben. (Juni 2023)
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Sehr interessant, Ulrike.
Von diesem Ort hatte ich noch nie gehört.
Liebe Grüße
Martina