Wanderung am Emeishan
Zugegeben, ich habe vom Emeishan und seiner Natur nur einen Bruchteil gesehen. Trotzdem habe ich die Zeit für eine kurze Wanderung genutzt. Wenn man sich die Karte anguckt, kann man sich einen Eindruck davon machen, wie viele Möglichkeiten es noch gegeben hätte. Mein Weg führte mich vom Baoguo-Tempel die Straße entlang zum Fuhu-Tempel und weiter zur Luofeng Nunnery, die ich dann aber nicht fand.
Warum nicht zum Gipfel des Emeishans?
Kurze Zeit hatte ich überlegt, ob ich mit einer Kollegin versuche, bis zum berühmten Gipfel zu kommen. Aber ich verwarf den Gedanken daran wieder. Es wäre durchaus zu schaffen gewesen: Fahrt mit dem Bus (ca. 2 Stunden) zur Seilbahn, mit der Seilbahn rauf und eine kurze Wanderung zum Gipfel. Seilbahn runter, Bus zurück. Das hat meine Kollegin auch geschafft.
Was sprach für mich dagegen? Zum Einen ging es mir nicht wirklich gut. Was genau los war, weiß ich nicht. Aber ich vermute die Kombination von hoher Luftfeuchtigkeit und hohem Blutdruck war nicht die beste. Mein größtes Hindernis war der Gedanke an die Seilbahn. Ich habe meine Höhenangst zwar einigermaßen im Griff, aber Seilbahnen sind eine ganz besondere Herausforderung, die ich gerne vermeide.
Tempel unterwegs
Also machte ich mich nach dem Besuch des wunderschönen Baoguo-Tempels auf, entlang der Straße bergauf zu gehen. Der Vorteil liegt auf der Hand: keine endlosen Treppenstufen! Hinter dem Baoguo-Tempel fängt die Wildnis an! Das ist nicht so spannend für chinesische Touristen. Deshalb waren nicht viele Leute unterwegs, auch keine Autos.
Nach ein paar Schritten überholte mich eine Gruppe junger Leute. Sie sahen mich erstaunt an. Eines der Mädchen stoppte, drehte um und kam auf mich zu: Ob sie mir ihren Wanderstock geben dürfte. Huch, sah ich schon so geschafft aus? Mein ganzer Stolz wehrte sich dagegen, für diese bequeme Straße einen Stock beim Wandern zu benutzen. Mit einem Lächeln sagte ich “Nein, danke!”. Die jungen Wanderer gingen weiter und waren schnell aus meinem Blickfeld verschwunden.
An einer Stelle zweigte ein schmaler Weg ab, der zum Shanjue-Tempel führen sollte. Ich blieb stehen. denn die Versuchung war groß. Bestimmt war der Tempel nicht sehr besucht, ruhig, völlig abseits der Touristenroute. Doch die gebrochenen Treppenstufen wirkten wenig sicher.
Da war nach dem großen Erdbeben von 2008 noch nichts renoviert worden. Kein Geländer, an dem ich mich im Notfall fest halten konnte. Die Stufen wirkten feucht und glatt. Mit einem Seufzer verzichtete ich schweren Herzens und ging auf der Straße weiter.
Mit jedem Schritt traf ich auf weniger Menschen. Von den Blättern der Bäume tropfte mit leisem Plingpling das Wasser in schweren Tropfen. Kein Windhauch. Vögel sangen. Die Luft war schwer von der Feuchtigkeit, aber frisch und angenehm. Es war nicht sehr heiß, aber auch nicht kalt. Ich ging mit festen Schritten, nicht zu schnell nicht zu langsam.
Schmetterlinge und Blüten
Dass ich öfters mal stehen blieb, lag nicht so sehr an meiner mangelnden Kondition sondern an der wunderbaren Natur um mich herum. Einem bunten Schmetterling nachschauen, einem Vogel lauschen, eine Blüte fotografieren – es gab so viele Gelegenheiten, den Wald, die Landschaft, den Augenblick zu genießen!
An einer Biegung der Straße fand ich ein kleines Dorf, wohl für und durch den Tourismus entstanden. Restaurants, Hotels, Haltestelle für die Elektro-Shuttlebusse. In einer kleinen eingezäunten Ecke kuschelten sich auf der Straße junge, noch ganz flauschige Enten aneinander.
Hinter dem Dorf wurde der Verkehr noch weniger. Die Straße führte weiter bis zum Fuhu-Tempel. Dahinter ist Schluss, dann gibt es nur noch Fußwege mit den üblichen Treppen.
Begegnung am Fuhu-Tempel
Im Fuhu-Tempel sprach mich eine Frau an: “Du bist Deutsche, nicht wahr?” Erstaunt nickte ich. Woran sie das denn erkannt habe? “Na, die Deutschen haben immer so rote Gesichter!”, meinte sie lachend. Herrlich!
Eine klasse Gelegenheit für ein Gespräch – auf Chinesisch! Sie käme mit ihrem Mann aus Urumqi in Xinjiang, erklärte sie. Ihr Mann stand ein paar Schritte abseits. Große Freude, als ich erklärte, dass ich schon in Urumqi gewesen sei. Sie waren für ihren Urlaub hierher gereist und hatten ein paar Tage Zeit, den Emeishan zu erkunden.
Alleine unterwegs am Emeishan
Dann trennten sich unsere Wege. Sie eilten weiter, während ich mich schon wieder im Anblick des dichten Waldes, des grünen Bambus verlor. Der Weg war gut, die Treppen neu und sicher.
Doch dann kam mir das Ehepaar etwas aufgeregt entgegen. “Geh nicht weiter! Der Weg ist in einem schrecklichen Zustand, gar nicht sicher!” rief mir die Frau mit Panik in der Stimme zu.
Ich ging trotzdem weiter. So lange der Weg gut war, fühlte ich mich sicher. Ich war nun fast allein unterwegs. Stille herrschte. Manchmal drang noch das Motorengeräusch eines Autos aus dem Tal hoch. Weit entfernt. Herrlich!
Um mich herum nur die Geräusche des Waldes, ein Vogel zwitscherte aufgeregt, Schmetterlinge flatterten um mich herum. Die Luft war schwer und feucht vom Regen der letzten Nacht.
Ich war völlig hingerissen: “Es ist Samstag, ich bin an einer der größten Touristenattraktionen in China und ich bin ganz alleine in einem üppigen Wald. Keine Menschenstimme, kein ferner Motorenlärm!”, jubelte ich innerlich.
Was für ein verzauberter Moment! Immer wieder blieb ich stehen und schaute mich um. Entzückt entdeckte ich zwischen den Steinen kleine, wunderschöne Schnecken, die aussahen wie Kauri-Muscheln.
Eine einsame Grabespagode kündigte menschliches Dasein an. Ein kleines Feld, über das mein Blick ins Tal geht. Dann stand ich vor einem Gebäude. Neugierig kam ein Mann aus dem Haus, schaute mich kurz an und verschwand wieder. Zwei Menschen redeten miteinander, unsichtbar für mich.
Wo war ich hier? Das kann nicht das Nonnenkloster sein. Aber was war es dann? Wenige Schritte weiter stand ich vor einer Wand mit kleinen Fächern. Offenbar ein Kolumbarium, wo in den zugemauerten Nischen die Urnen besonderer Menschen beigesetzt wurden.
Der Friedhof
Hinter einem kleinen Gebäude stieß ich auf zwei Reihen mit Grabpagoden. Auf den einzelnen Monumenten konnte ich Fotos erkennen, Inschriften. Hier scheint ein Friedhof für verdiente Mönche und Äbte des Emeishans zu sein. Hoch über dem Tal mit einem fantastischen Blick über die Berge und Wälder des heiligen Emeishan wurden sie hier zur letzten Ruhe gebettet. Ein heiliger Platz.
Ehrfürchtig ging ich durch die Reihen von großen und kleinen Pagoden. Hielt für einen Moment inne, versuchte, die Inschriften zu entziffern. Was für ein Ort! Ich fand einen kleinen Pavillon mit Bank, wo ich mich ein wenig ausruhte und die feierliche Stimmung auf mich wirken ließ.
Das war einfach toll! Hinter dieser Stätte sah der Weg dann ein wenig so aus wie der zum Shanjue-Tempel: Wenig sicher, unrenoviert… Aber so weit konnten die Leute aus Urumqi nicht gekommen sein. Was also hatte sie so in Panik versetzt?
Durch meine Eindrücke fühlte ich mich bestätigt in meiner Überzeugung, dass Chinesen mit der “wilden” Natur wenig anfangen können. Ich hatte schon öfters die Erfahrung gemacht, dass man in China mit wenigen Schritten abseits der Touristenrouten ganz alleine sein kann, vor allem im Wald.
Rückkehr
Schließlich ging ich bedächtig zurück. Irgendwie merkte ich nun auch, dass ich schon seit 4 oder 5 Stunden unterwegs war. Jetzt ein Shuttlebus! Ne, gab es nicht! Das Restaurant in dem Dorf war geschlossen. Jaja, Hunger hatte ich auch langsam.
Doch es gab noch ein wunderbares Naturerlebnis, das mich aufhielt. An einer Stelle lag ein wenig Mist auf der Straße. Schmetterlinge lieben Mist, enthält der doch viele leckere Mineralien! Geniale Gelegenheit für mich, die flatterhaften Gesellen mal vor die Linse zu bekommen!
Weiter ging’s! Als ich dann schon fast wieder ganz unten war, überkam mich ein dringendes Bedürfnis, das ich nicht mehr länger ignorieren konnte. Es musste eine Toilette her und zwar schnell! Also bin ich noch mal zum Baoguo-Tempel. Ich konnte den Mann, der die Eintrittskarten kontrollierte, überreden, mich schnell mal rein zu lassen, ohne erneut zu zahlen. Hach, waren die Leute hier alle nett!
Schließlich erreichte ich nach meiner Wanderung am Emeishan wieder den Touristenbezirk mit seinen Hotels und Restaurants. Das Emeishan-Museum hatte ich ausgelassen. Ich war nun wirklich ein wenig erschöpft und hungrig. Doch nachmittags um 15:30 Uhr ist keine Essenszeit in China. Die Restaurants sahen leer und wenig einladend aus. Ich dachte an das Teddybär-Hotel und ging dorthin zum Essen. Das war zwar auch gerade ziemlich ruhig. Aber hier konnte ich in Ruhe ein wenig lesen und auf die Straße schauen. Was für ein toller Tag!
Im Nachhinein fällt mir auf, wie ruhig und wenig frequentiert die Gegend wirkte. Eigentlich hätte ich mehr Betrieb erwartet. Der September ist Hochsaison in China. Auch war dies das Wochenende vor dem Nationalfeiertag. Aber außer im Baoguo-Tempel habe ich nicht viele Touristen gesehen. Einige chinesische Gruppen, ja, aber nicht wirklich die Massen. Westler fand ich kaum. Wahrscheinlich machen sich die meisten auf die Strecke zum Gipfel, ob wandernd, pilgernd oder mit der Seilbahn. Übrigens kostet diese Strecke Eintritt: RMB 160,- pro Person. Die Seilbahn extra.
Emeishan Infos Stand 01-2020
Eintrittspreise
High Season (Jan.16 – Dec.14) | Low Season (Dec.15 – Jan.15) | |||
Mount Emei | CNY 160 | CNY 110 | ||
Baoguo Temple | CNY 8 | |||
Fuhu Temple | CNY 10 | |||
Wannian Temple | CNY 10 |
Öffnungszeiten
Jan.16 – Dec.14: 6:00 – 18:30
Dec.15 – Jan.15: 7:00 – 17:50
Zum Emeishan kommt man bequem von Chengdu aus mit dem Hochgeschwindigkeitszug. Weitere Verbindungen gibt es u.a. nach Leshan, wo der Große Buddha über dem Fluss wacht.
Links
- Meine Chengdu-Reise 2016
- Baoguo Tempel
- Fuhu Si, der Tempel, wo man den Tiger bezwingt
- Schmetterlinge in China
- Das Teddybär-Hotel
- Wandertouren in China
Dieser Artikel erschien zuerst 2017 und wurde im August 2019 überarbeitet und aktualisiert.
- Archäologie in China – China Nachrichten - 30. Oktober 2024
- Spannende Tiere auf dem Bambooblog – Übersicht - 29. Oktober 2024
- Fledermäuse, weltweit geliebt, gefürchtet oder verabscheut - 27. Oktober 2024
Ich erinnere mich. Schade, dass es zur Zeit nicht möglich ist nach China zu reisen. Hast Du über Deine Reise geschrieben? Liebe Grüße, Ulrike
Ich bin heute durch Zufall hier auf deine Seite gekommen.
Vielleicht erinnerst du dich noch an mich??
2019 bin ich mit meinem Fahrrad von Deutschland bis nach China gefahren und war auch mit einer Genehmigung mit meinem Fahrrad hier oben auf dem heiligen Berg. Es war ein fantastische Reise in China durch Xinjiang, Aksu und Sichuan.
ich habe so viel gesehen, erlebt und auch über China gelernt.
Viele Grüße Jürgen
Danke für die Antwort! Ich arbeite mich langsam noch durch meine alten Reisen dort und wollte den Trip damals durch Sichuan, Yunnan und Guanxi noch in meinem Blog nachliefern. Freut mich jedenfalls, dass du dort unterwegs bist, China ist als Reiseland wirklich großartig (und unterbewertet)!
Das hört sich total spannend an! Hast du einen Reisebericht dazu?
Danke für den tollen Bericht! Ich war 2014 dort (auch im Teddybear Hostel), bin mit der unteren Seilbahn ein Stück den Berg hoch gefahren und dann komplett aufgestiegen zum Gipfel. Die Natur ist ganz großartig auf dem Weg und gerade morgens sind die Täler in Nebel gehüllt. Ich hatte auf halber Strecke mitten auf dem Berg in einem kleinen Tempel übernachtet. Emei Shan war für mich eines der eindrücklichsten China Erlebnisse!
Ich liebe dieses gelbgrüne Licht, das in den Bambuswäldern vorherrscht. Und Schmetterlinge sind immer wieder ein erlebnis in China. Danke für Deinen Kommentar!
Es gibt gerade in Sichuan unglaublich tolle Möglichkeiten zum Wandern. Ich überlege shcon, ob ich da nicht noch mehr drüber schreiben soll, auch wenn ich selbst noch nicht viel dort gewandert bin.
Auf jeden Fall ist es richtig schön dort.
Traumhaft, diese Bambuswälder – und erst der Schmetterling!
Da scheint es ja ungemein viele Möglichkeiten zum Wandern zu geben! Da würde ich gerne mal eine Woche verbringen, um überall herum zu stiefeln…
Danke für’s Mitnehmen auf deine wunderschöne Tour.
Herzliche Grüße!