Die Bremer Stadtmusikanten – immer noch von Bedeutung

2022 war ich in Bremen. Natürlich durfte ich mir die Bremer Stadtmusikanten nicht entgehen. Sie sind DAS Wahrzeichen von Bremen und stehen mitten in der Altstadt.

Bremer Stadtmusikanten in der Altstadt von Bremen: Esel - Hund - Katze . Hahn.
Bild von Nicole Pankalla auf Pixabay

Aufgrund ihres Zusammenhalts werden sie vor allem als Symbol für Solidarität gesehen. Meiner Meinung nach kann ich auch Modernes in der Geschichte von den Tieren entdecken.

Nun aber zunächst einmal das Märchen, das die Gebrüder Grimm 1819 in ihr Märchenbuch aufnahmen.

Das Märchen von den Bremer Stadtmusikanten

„Es hatte ein Mann einen Esel, der ihm schon lange Jahre treu gedient, dessen Kräfte aber nun zu Ende gingen, so daß er zur Arbeit immer untauglicher ward. Da wollt ihn der Herr aus dem Futter schaffen, aber der Esel merkte, daß kein guter Wind wehte, lief fort und machte sich auf den Weg nach Bremen; dort, dachte er, kannst du ja Stadtmusikant werden.“

Zoo Dresden - Esel im Regen
Esel im Regen

So ging er nach Bremen. Unterwegs traf er einen Jagdhund, der ziemlich am Ende war. Als der Esel merkte, dass der Hund nicht wusste, was er machen sollte bzw, wovon er lebensollte, machte der Esel ihm den Vorschlag, mit nach Bremen zu kommen. „Ich gehe nach Bremen, dort Stadtmusikant zu werden, geh mit und laß dich auch bei der Musik annehmen.“ Der Hund fand das großartig und ging mit.

Kurz danach trafen sie auf eine Katze, die trübsinnigen Gesicht klagte, dass sie nicht mehr gebraucht werde, weil sie zu alt zum Mäusefangen war. Ja, ihre Hausherrin wollte sie ertränken. Sie war hocherfreut, als der Esel ihr vorschlug, mit nach Bremen zu kommen.

Darauf kamen die Drei an einem Bauernhof vorbei. Auf der Tor saß der Haushahn und schrie aus Leibeskräften. „Da hab ich gut Wetter prophezeit“, sprach der Hahn „Aber weil Morgen zum Sonntag Gäste kommen, so hat die Hausfrau doch kein Erbarmen und will mich in der Suppe essen. Nun schrei ich aus vollem Hals so lang ich noch kann.“

Da sagte der Esel: „Zieh lieber mit uns fort, nach Bremen, etwas besseres, als den Tod findest du überall.“ Dem Hahn gefiel das, und sie gingen alle vier zusammen fort.

Der entscheidene Moment

Sie konnten aber die Stadt Bremen in einem Tag nicht erreichen und kamen Abends in einen Wald, wo sie übernachten wollten. Der Esel und der Hund legten sich unter einem großen Baum und die Katze und der Hahn machten sich hinauf, der Hahn flog bis in die Spitze, wo’s am sichersten für ihn war und sah sich ehe er einschlief, noch einmal nach allen vier Winden um.

Da däuchte ihn, er säh in der Ferne ein Fünkchen brennen und rief seinen Gesellen zu, es müßte nicht gar weit ein Haus seyn, denn es scheine ein Licht. Sprach der Esel: „so müssen wir uns aufmachen und noch hingehen, denn hier ist die Herberge schlecht“ und der Hund sagte: „ja ein paar Knochen und etwas Fleisch daran thäten mir auch gut!“

Hund in Lijiang

Nun machten sie sich auf den Weg nach der Gegend, wo das Licht war und sahen es bald heller schimmern und es ward immer größer, bis sie vor ein hell erleuchtetes Räuberhaus kamen. Der Esel, als der größte, machte sich ans Fenster und schaute hinein. „Was siehst du? Grauschimmel,“ fragtder Hahn. „Was ich sehe? antwortete der Esel, einen gedeckten Tisch mit schönem Essen und Trinken, und Räuber sitzen daran und lassens sich wohl sein.“

„Das wär was für uns“ sprach der Hahn. „Ya, Ya, ach wären wir da!“ sagte der Esel. Da rathschlagten die Thiere, wies anzufangen wäre, um die Räuber fortzubringen, endlich fanden sie ein Mittel.

Stadtmusikanten

Der Esel mußte sich mit den Vorderfüßen auf das Fenster stellen, der Hund auf des Esels Rücken, die Katze auf den Hund klettern, und endlich flog der Hahn hinauf und setzte sich der Katze auf den Kopf.

Wie das geschehen war, fingen sie insgesammt auf ein Zeichen an, ihre Musik zu machen; der Esel schrie, der Hund bellte, die Katze miaute und der Hahn krähte, indem stürzten sie durch das Fenster in die Stube hinein, daß die Scheiben klirrend niederfielen.

Die Räuber, die schon über das entsetzliche Geschrei erschrocken waren, meinten nicht anders als ein Gespenst käm herein und entflohn in größter Furcht in den Wald.

Nun setzten sich die vier Gesellen an den Tisch, nahmen mit dem vorlieb, was übrig geblieben war und aßen, als wenn sie vier Wochen hungern sollten.

Wie die vier Spielleute fertig waren, löschten sie das Licht aus und suchten sich eine Schlafstätte, jeder nach seiner Natur und Bequemlichkeit. Der Esel legte sich auf den Mist, der Hund hinter die Thüre, die Katze auf den Heerd bei die warme Asche und der Hahn setzte sich auf den Hahnenbalken, und weil sie müd waren von ihrem Weg, schliefen sie auch bald ein.

Als Mitternacht vorbei war, und die Räuber von weitem sahen, daß kein Licht mehr im Haus war, auch alles ruhig schien, sprach der Hauptmann: „wir hätten uns doch nicht sollen ins Bockshorn jagen lassen“ und hieß einen hingehen und das Haus untersuchen.

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Der Abgeschickte fand alles still, ging in die Küche wollte ein Licht anzünden und nahm ein Schwefelhölzchen, und weil er die glühenden, feurigen Augen der Katze für lebendige Kohlen ansah, hielt er es daran, daß es Feuer fangen sollte. Aber die Katze verstand keinen Spaß, sprang ihm ins Gesicht, spie und kratzte.

Da erschrak er gewaltig, lief und wollte zur Hinterthüre hinaus, aber der Hund, der da lag, sprang auf und biß ihm ins Bein, und als er über den Hof an der Miste vorbei rennte, gab ihm der Esel noch einen tüchtigen Schlag mit dem Hinterfuß, der Hahn aber, der vom Lärmen aus dem Schlaf geweckt und munter geworden war, rief vom Balken herab: „kikeriki!“

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Da lief der Räuber, was er konnte, zu seinem Hauptmann zurück und sprach: „ach, in dem Haus sitzt eine gräuliche Hexe, die hat mich angehaucht und mit ihren langen Fingern mir das Gesicht zerkratzt, und vor der Thüre steht ein Mann mit einem Messer, der hat mich ins Bein gestochen, und auf dem Hof liegt ein schwarzes Ungethüm, das hat mit einer Holzkeule auf mich los geschlagen, und oben auf dem Dache, da sitzt der Richter, der rief: „bringt mir den Schelm her!“ Da machte ich, daß ich fortkam.

Von nun an getrauten sich die Räuber nicht weiter in das Haus, den vier Bremer Musikanten gefiels aber so wohl darin, daß sie nicht wieder heraus wollten und der das zuletzt erzählt hat, dem ist der Mund noch warm.

Die Bremer Stadtmusikanten. In: Grimm, Jacob u. Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Berlin:
Reimer 1819. Bd. 1, S. 141-145.

Bedeutung des Märchens

Die Geschichte soll schon über 2.000 Jahre alt sein. Bereits Aesop (im 6. Jh. v. Chr.) gebrauchte in seinen Fabeln Tiere als Botschafter für seine Ideen. Aber auch von den Sumerern und dem alten Indien sind Geschichten mit Tieren als Hauptpersonen bekannt.

Die Bremer Stadtmusikanten gelten als Bilder für Mägde und Knechte, die mit zunehmendem Alter und Nutzlosigkeit „entsorgt“ wurden. Dabei bringt die Aussicht auf eine Beschäftigung als Musikanten Hoffnung. Es ist die Rechtlosigkeit des Gesindes, die hier unterschwellig angeklagt wird.

Auch im 19. Jahrhundert war es üblich, Alte und Schwache, wenn sie zu nichts mehr nützlich waren, davon zu jagen. Kranken- und Rentenversicherung gab es nicht. Altersarmut war eine große Bedrohung, die wir uns hier in Deutschland gar nicht mehr in diesem Ausmaß vorstellen konnen.

Ausserdem wird das gemeinschaftliche Überlisten und Verscheuchen der Räuber als Solidarität gesehen. Auch wenn der Einzelne schwach und alt ist, so können sie gemeinsam die Räuber überwinden.

Dass das Ziel Bremen war, ist damals übrigens kein Zufall. Bremen war Freie Hansestadt und bot den Mägden und Knechten eine Regelung, die sehr begehrenswert war. Wer dort länger als ein Jahr und einen Tag lebte, war frei von seinem Lehensherren.

Doch sie erreichen Bremen nie. Bremen bleibt eine Wunschvorstellung, ein utopischer Ort. Aber sie finden trotzdem einen Platz, an dem sie ohne Sorgen leben können.

C. Arendt schreibt 1891 über Fabeln in China:

„China besitzt keine Fabel-Litteratur, und besonders die Tierfabel ist in der chinesischen Litteratur als Gattung gar nicht vertreten. Jedoch finden sich in chinesischen philosophischen und historischen Werken aus alter Zeit einige hierher gehörige Stücke, welche ich im 12. und 13. Bande der in Hongkong erscheinenden Zeitschrift China Review ausführlich behandelt habe. Jedoch ist es mir mit der grössten Mühe nur gelungen, fünf dergleichen Tierfabeln zusammenzubringen. Sie gehören der Kunstlitteratur an, und wir haben daher nichts mit ihnen zu thun.

Auch in der modernen chinesischen Volkslitteratur spielt die Tierfabel nur. eine kleine Rolle, so dass es mir merkwürdigerweise erst hier in Berlin, und zwar ganz zufällig, geglückt ist, einige derartige Erzeugnisse des chinesischen Volksgeistes zu entdecken.“

Ein moderner Aspekt

Die Geschichte von den Bremer Stadtmusikanten erinnert mich an die vielen jungen Leute (oder auch ältere), die heute in die Städte ziehen, um sich ein wenig Geld zu verdienen. Das war sogar schon im Mittelalter der Fall.

Reisen, wandern und musizieren sind heute nicht nur aus Not geboren. Es ist zum Lebenstil für einige geworden. Doch es gibt auch diejenigen, die das in Verruf gebracht haben: Die Begpacker.

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