Starke Frauen haben es nicht nötig zu gendern

Zuletzt aktualisiert vor 9 Monaten

„Wir treffen uns zur Besprechung im Mitarbeiter*innenraum!“, sagt ein Kollege. Ich stutze. Irgendwie hörte sich das merkwürdig an. So nach „Mitarbeiterinnenraum“. Hatten wir ein neues Zimmer? Dann dämmerte es mir: „Du hast doch eben nicht etwa gegendert?!“

Starke Frauen haben es nicht nötig zu gendern.

Gendern – was bedeutet das?

So, jetzt muss ich mich mal auslassen und mich über das populär gewordene Gendern aufregen.

Vorab: Ich finde es scheußlich, vor allem in der gesprochenen Sprache. Meistens hört man das gestotterte Sternchen gar nicht. So entsteht ein generisches Femininum, das gar nicht gewollt ist.

Bedeutung „Gendern“
Geschlechtsidentität des Menschen als soziale Kategorie (z. B. im Hinblick auf seine Selbstwahrnehmung, sein Selbstwertgefühl oder sein Rollenverhalten) Duden

„Der Online-Duden wird umgeschrieben. Zu 12.000 Artikeln über Personen- und Berufsbezeichnungen soll jeweils ein zweiter hinzukommen. So stellt das Wörterbuch künftig den „Mieter“ nicht mehr als „jemand, der etwas gemietet hat“ vor. Vielmehr gilt er nun als „männliche Person, die etwas gemietet hat“. Entsprechend lautet die Bedeutung von „Mieterin“ in Zukunft „weibliche Person, die etwas gemietet hat“. Deutschlandfunk

Bisher wurde unter „Mietern“ auf die männliche Form verwiesen. Das Wort „Mieter“ stand für das generische Maskulinum, das alle Geschlechter umfasst. Jetzt aber schafft die Duden-Redaktion – zumindest in der Online-Ausgabe ihres Wörterbuchs – das generische Maskulinum faktisch ab, also die maskuline Form, die traditionell als geschlechtsneutral verwendet wird.

„In der deutschen Sprache gibt es ein natürliches Geschlecht (Sexus) und ein grammatisches Geschlecht (Genus). Beides wird von feministischen Linguistinnen gerne verwechselt, um nicht zu sagen: wild durcheinandergeworfen. Dabei können auch sprachwissenschaftliche Laien, wenn ihr Blick nicht ideologisch getrübt ist, den Unterschied leicht erkennen. Erstens nämlich gibt es drei Genusformen (maskulin, feminin, neutrum), aber nur zwei biologische Geschlechter (männlich und weiblich).

Zweitens wird das Genus auch für Objekte ohne jede erkennbare Parallele zum natürlichen Geschlecht verwendet: der Herd, die Straße oder das Buch. Auch dass der Busen maskulin, die Eichel feminin und das Glied neutrum sind, beruht ganz offensichtlich nicht auf irgendwelchen biologischen Hintergründen.“ Christof T. Zeller-Zellenberg

Dass das Gendern gar nicht schon im Ursprung unserer germanischen Sprache angelegt war, zeigt nun eine wissenschaftliche Untersuchung. Die Sprachwissenschaftlerin Ewa Trutkowski stellt fest:

„Es gibt keine linguistisch fundierte Begründung, anzunehmen, dass mit dem generischen Maskulinum eine Benachteiligung von Frauen oder nichtbinären Personen vorliegt. Weder sprachhistorisch noch sprachsystematisch lässt sich eine Diskriminierung nachweisen.“

Also „Lehrer“, „Freunde“ oder „Richter“ waren ursprünglich für beide Geschlechter gemeint. Eine Diskriminierung hat nie stattgefunden und war auch nie gemeint. Nachzulesen in der Berliner Zeitung.

Was soll Gendern bewirken?

  • Gleichberechtigung
  • Das andere Geschlecht sichtbar machen
  • Respekt für das andere Geschlecht zeigen
  • Sonstige (LGBT) mit einbeziehen (?)

Das ist, wenn man sich so umguckt, einfach Blödsinn. Wem ist denn geholfen, wenn der Vermieter an die Mieter schreibt: „Sehr geehrte Mieter*innen“? Das empfinde ich sogar als grobe Unhöflichkeit. Meiner Meinung nach sollte in der direkten Anrede aber auch sonst Mieterinnen und Mieter angesprochen werden.

Der Sprachkritiker und Journalistenausbilder Wolf Schneider ( „Deutsch für Profis“) sagte über das Gendern, es sei eine „Wichtigtuerei von Leuten, die von Sprache keine Ahnung haben“.

Dunya Hayali
„Nun aber geht es darum, eine Sprachveränderung zu finden, die eine wachsende Gleichberechtigung zwischen allen Geschlechtern auch in der Kommunikation durch allumfassende Formulierung fördert. Nicht mehr und nicht weniger. Also entwickelten sich Möglichkeiten dazu wie das „Binnen-I“, Sternchen, Doppelpunkte und weitere. Und der „stimmlose glottale Plosiv“, wenn es um die Aussprache davon geht. Also die klitzekleine Pause, die statt des z.B. geschriebenen „*“ gesprochen wird.“

Achja, die Dunja Hayali verehre ich sehr, aber da kann ich ihr nicht zustimmen.

Was bringt es?

Sind in einem Land, dessen Sprache zunächst nicht nach Geschlecht der Wörter unterscheidet, die Frauen gleichberechtigter?

Viele Sprachen sind nicht geschlechterneutral. Man kümmert sich auch nicht großartig ums gendern. Sind die Frauen dort emanzipierter? Oder nicht?

Wieder muss Deutschland in seiner Überkorrektheit Vorreiter sein. Aber gibt es nicht wichtigere Baustellen als das Gendern?

Ist es nicht wichtiger, dass Frauen gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit erhalten? Ist es nicht wichtiger, dass sie gleiche Chancen haben bei der Arbeit?

Was ist mit den Übrigen?

LGBT(Q) oder Gendersternchen? Ist mit solchen Konstrukten den Menschen wirklich geholfen? Ich wage das zu bezweifeln. Aber das sollen sie selbst entscheiden. Ich finde das respektlos, vor allem das Gendersternchen oder ähnliche „Pausen“, die mitgesprochen werden, die man aber meistens gar nicht hört. Da werden alle zu Mitarbeiterinnen. Doof, nicht wahr?

Ich begegne in meiner ehrenamtlichen Arbeit manchmal Transgender-Menschen. Ich bin so verunsichert, dass ich sie häufig gar nicht direkt anspreche. Auch nicht gut. Leider sind sie nicht immer selbstbewusst genug, dass sie mich bei falscher Ansprache einfach drauf hinweisen. Schließlich kann man ihnen nicht unbedingt ansehen, welchem Geschlecht sie angehören oder auch nicht.

Es wird sich durch das Gendern nichts grundlegendes ändern

So lange eine Frau ein Gespräch mit den Worten „Ich muss jetzt für meinen Mann das Mittagessen kochen!“ beendet, wird es keine Emanzipation geben.

Oder

„Ich wollte das ja nicht. Mein Mann hat das entschieden, Wir machen das jetzt so.“

Das sind die Kleinigkeiten, wo man anfangen könnte. Oder mit den geschlechtsspezifischen Spielzeug. Ich hab übrigens schon beim Indianer Spielen nicht die brave Squaw gespielt, sondern bin mit dem Gewehr auf die Jagd gegangen.

Ich habe dadurch. dass ich älter als 60 bin, einiges als ungerecht mitbekommen. Am krassesten fand ich die Begegnung mit einem Neuseeländer in Xi’an. Solange ich allein mit ihm war, habe ich mich glänzend mit ihm unterhalten. Nachdem sich dann zwei weitere Männer zu uns setzten, war ich nicht mehr existent, einfach nicht vorhanden.

Deshalb sage ich mit Nachdruck: Es gibt dringendere Baustellen auf dem Weg der Emanzipation. Mit dem Gendern wird nur davon abgelenkt.

Ich habe das für mich bekloppteste gegenderte Wort gelesen: Meister:innenwerke (in deutschsprachigen Nachrichten). Geht’s noch?!

Eine gute Nachricht zum Schluss: Rund 75% der Deutschen gendern nicht (Juli 2022).

China?

In China wird nicht viel nachgedacht über die Emanzipation, schon gar nicht über das Gendern. Theoretisch sind die Frauen sehr emanzipiert. Doch mit dem zunehmenden Wohlstand gibt es auch wieder mehr Konkubinen oder Hausfrauen. Aber Gendern ist kein Thema. Es gibt auch kein generisches Maskulinum.

Substantive werden generell nicht nach grammatischen Geschlecht unterschieden. Jedoch lauern auch im Chinesischen Gendertücken! Zwar sind im Gesprochenen die Personalpronomen genderneutral. Doch im Schriftbild findet eine eindeutige Unterscheidung statt.

他 – 她 – 它 • tā = er – sie – es

In Chinas Internet und Werbesprache hat man eine Lösung gefunden. In Überschriften findet man nicht selten einfach die lateinischen Großbuchstaben TA- davon kann sich jeder angesprochen fühlen.

Der Artikel erschien zuerst im Juni 2021 und wurde im August 2022 komplett überarbeitet.

Ulrike
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5 Gedanken zu „Starke Frauen haben es nicht nötig zu gendern“

  1. Meine Perspektive als Sprachwissenschaftler: Wenn es sinnvoll ist, setzt es sich durch und wir reden in 20 Jahre nicht mehr drüber. Wenn nicht, dann nicht. Grund zur Aufregung sehe ich daher kaum.

  2. Also bei uns ist das ganz klar geregelt, für die großen Entscheidungen bin ich zuständig, z.B.
    – ob die Türkei in die EU aufgenommen werden soll
    – ob Annalena sich zur Bundeskanzlerin eignet
    – usw.
    die kleinen Entscheidungen darf meine Frau treffen:
    – wie das Haushaltsgeld verwendet wird
    – ob wir in den Urlaub fahren (und wenn ja, wohin)
    – wem ich bei der Bundestagswahl meine Stimme zu geben habe
    – usw.

  3. Liebe Kasia,
    ich stimme dir zu. Ich hätte gerne auch noch länger geschrieben. Doch das lässt mein geschwächter Zustande noch nicht zu. Mit dem Motorrad Fahren kenne ich mich nicht so aus. Aber ich kann mir das gut vorstellen,
    LG
    Ulrike

  4. Liebe Ulrike,

    ich finde es schade, dass niemand sonst etwas dazu geschrieben hat, aber wahrscheinlich will man sich bei diesem so allgegenwärtigen Thema nicht in die Nesseln setzen vor der www-Öffentlichkeit. Ich sehe es ähnlich wie du, wobei ich da noch am Schwanken bin. Einerseits sollte es Veränderungen geben und der Ansatz ist schon mal da. Was gut ist. Andererseits jedoch bedeutet eine geänderte Sprache noch lange keine Gleichberechtigung. Und überhaupt, warum hängt man sich an solchen Dingen auf, anstatt beispielsweise gleiche Löhne und ähnliches zu fordern? Die Veränderung muss in Handlungen sichtbar sein, nicht nur in der Sprache. Mir persönlich ist es egal, ob ich als „Pharmazeutin“ oder „Pharmazeut“ bezeichnet werde, solange ich als „Pharmazeut/Pharmazeutin“ die gleichen Rechte habe, das gleiche verdiene, nicht benachteilig werde. Gleichberechtigung fängt eben damit an, dass sich der Ehemann selbst sein Mittagessen kocht, oder gar (Sakrileg!) für mich mitkocht. Gleichberechtigung ist, wenn ich nicht von der Biker-Community, die ja so frei sein will („born to be wild“ und so), aber spießiger ist als sonst irgendwas, gefragt werde: „Was sagt denn dein Mann dazu, dass du Motorrad fährst?“ Gleichberechtigung ist, wenn man mir nicht sagt: „Also, sowas zu tun, als Frau…“ Aber nein, wir hängen uns an der Sprache auf. Denn alles andere zu ändern ist wohl schwieriger, langwieriger… und wir wollen doch Effekte sehen, wir wollen „gendern“, um dann… ja was? Um dann zu sagen, wir hätten etwas bewegt?

    Liebe Grüße
    Kasia

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