Zuletzt aktualisiert vor 10 Monaten
Staubige Winde stürmen über die fruchtbare Ebene des Flusses Sanggan He, als wir uns dem Heiligen Hengshan Gebirge nähern. Wie eine Mauer scheint der Gebirgszug, der bis zu 2.000 Meter hoch aufragt, sich uns in den Weg zu stellen. Eine enge Schlucht tut sich vor uns auf und wir fahren hinein.
Hängendes Kloster am Hengshan
悬空寺 • Xuánkōng Sì
Die Felswände ragen steil rechts und links in den Himmel. Einst soll ein alter Handels- und Pilgerweg hier entlang eines schmalen Flüssleins das Gebirge überquert haben. Dann weitet sich die Schlucht noch einmal. Ein riesiger Parkplatz, eine Mauer am Ende des Tales.
Hoch über uns wird der kleine Fluss gestaut. Wichtigste Aufgabe der Staumauer ist es, die früher so häufigen Fluten zu zähmen. Denn das kleine Flüsslein kann nach schweren Regenfällen im Sommer das gesamte Tal füllen. Dann war früher tage- und wochenlang kein Durchkommen.
War dies der Grund, an dieser engen Stelle der Schlucht ein kleines Kloster einzurichten? Wurde das Hängende Kloster am Hengshan in die 100 Meter hohe Felswand getrieben, damit es nicht von den Fluten erfasst werden konnte?
Einer alten Legende zufolge wohnt in diesem Tal ein goldener Drache, der regelmäßig für Überschwemmungen sorgt. Das Kloster mit seinen Pagoden und Statuen sollte den Drachen zähmen.
Ich kann mir kaum vorstellen, wie es gewesen sein muss, dies Kloster zu bauen und dort gelebt zu haben. Sicherlich war es auch der Wunsch nach Ruhe und Abgeschiedenheit von der Welt, der die Mönche und Priester hierher geführt hat. Man sagt, dass man nicht einmal das Krähen der Hähne aus dem Tal im Kloster hören kann.
Geschichte
Die Ursprünge des Hängenden Klosters führen zurück ins 6. Jahrhundert. Wer auf die Idee gekommen ist, ausgerechnet hier ein Kloster zu errichten, weiß man nicht mehr. Auch den Menschen damals schien es fast unmöglich. Doch man weiß den Namen des ersten Baumeisters: Zhang. Er wird in China sehr bewundert für sein Können. Die Architektur des Klosters ist auch heute noch Anlass für Architekten aus aller Welt, das Hängende Kloster zu studieren.
An der Felswand neben dem Tempel stehen vier große chinesische Schriftzeichen:“Gongshu hat die beste Bautechnik“. Gongshu Ban (公輸班) war ein Holzarchitekt, der vor rund 2.000 Jahren spezielle Bautechniken entwickelte. Ihm werden verschiedene Erfindungen zugeschrieben: Zum Beispiel eine bewegliche Leiter.
Gongshu Ban, besser bekannt unter seinem Namen Lu Ban, gilt in Augen chinesischer Bauarbeiter als Gründer der Bautechnik. Diese vier Schriftzeichen bedeuten, dass man nur mit der Technik von Gongshu Ban so einen Baukomplex fertig errichten kann.
Die sichtbaren Balken und Pfähle sollen noch die originalen aus dem 6. Jahrhundert sein. In der Ming- und Qing-Dynastie wurde der Tempel aber einige Male renoviert.



Um die einzelnen Hallen (es gibt 40 kleine Pavillons und Hallen) in 50 Meter sozusagen aufzuhängen, schlug man starke Stämme der Hemlocktanne (Tsuga). Diese beförderte man auf den oberen Rand der Felsen. Bauarbeiter, die mit Seilen an Füßen und Hüften gesichert waren, trieben Löcher in die Felswand und bauten die Stämme hinein. Die einzelnen Hallen werden von den sichtbaren Pfählen nur gestützt. Getragen werden die Treppen und Gebäude von den Balken im Felsen.
Beim Bau wurden einige Aspekte beachtet, die den Menschen, die hier lebten, das Leben erleichterten: Die Felsen schützen die Hallen vor Sonne, Schnee und Regen. Das Holz der Balken wurde mit einem speziellen Öl behandelt, das das Holz vor dem Verfaulen schützt.
Kloster dreier Religionen
Die einzelnen Räume wurden tief in den Felsen geschlagen und boten so Raum für die Altäre und Statuen. Interessanterweise begegnet man im Kloster den Statuen aller großen chinesischen Religionen: Konfuzius steht da neben Laozi aus dem Daoismus. Natürlich findet man auch Buddha. Der Hengshan selbst ist ein heiliger Berg des Daoismus. Umso erstaunlicher ist es, dass dies ausgerechnet der einzige noch existierende Tempel ist, in dem alle drei Religionen verehrt werden.
Der chinesische Name des Tempels setzt sich zusammen aus dem Wort „Xuan“ (eigentlich „hängen“), das für den Daoismus eine spezielle Bedeutung hat – vielleicht als „ungelöst“ übersetzt werden kann – und „Kong“ in seiner Bedeutung als „Leere“, die im Buddhismus wichtig ist: „Nirvana“. Heute heißt es ganz einfach Hängendes Kloster.
Mein Besuch
All dies Wissen bestärkte mich nicht unbedingt in meinem Wunsch, den Tempel zu besichtigen. Ich leide unter Höhenangst, die vor allem dann besonders heftig wird, wenn ich über Leitern, Treppen oder Hängebrücken gehen muss, zwischen deren Planken ich die Erde weit unten sehen kann. All dies hat das Hängende Kloster zu bieten! Hinzu kommt, dass die Besucher nur in einer Richtung die schmalen Gänge begehen können. Es gibt also nur ein vorwärts, nie ein umkehren.
Ich war an einem windigen Sonnentag im Mai dort, anscheinend nicht die optimale Zeit für chinesische Touristen. Es war relativ leer. Auch auf dem erwähnten Parkplatz standen nur wenige Autos. Trotzdem empfand ich ein Gedränge und Enge. Kaum Zeit, sich gründlich umzusehen. Immer schienen schon Menschen hinter mir darauf zu warten, in den nächsten kleinen Raum zu gelangen. Dieses Warten auf den schmalen Treppenstufen trieb mir den blanken Angstschweiß auf die Stirn.



Doch die kleinen dunklen Hallen, die verstaubten Heiligen und die spektakuläre Aussicht sind unbedingt einen Besuch wert!
Auf dem Blog ombidomi gibt es einen schönen Bericht von einem aktuelleren Besuch des Hängenden Klosters: mehr
Das Xuankong Si (chinesisch 懸空寺 Pinyin Xuánkōng Sì, „Hängendes Kloster Hengshan“) ist ein mitten in eine Felswand gebautes Kloster in der Gemeinde Dongfangcheng (东坊城乡) des Kreises Hunyuan im Norden der chinesischen Provinz Shanxi.
Es wurde im 6. Jahrhundert während der Nördlichen Wei-Dynastie erbaut und liegt in dem Gebirge Heng Shan, einem der fünf Heiligen Berge/Gebirge.
In einem der Räume werden die wichtigsten traditionellen Religionen Chinas vereint (chinesisch 三教合一, Pinyin Sān Jiào héyī ‚Die drei Lehren zu einer vereint‘), in der Halle befindet sich je eine Statue von Buddha, Konfuzius und Laozi.
Das Kloster beherbergt 80 Bronze-, Eisen-, Ton- und Steinstatuen. Ein riesiges ausgeführtes Relief, welches denTathagata-Buddha darstellt, ist oberhalb des Klosters aus dem Felsen gemeißelt. (Wikipedia)
Infos
Eintritt: 130,- RMB

Hängendes Kloster Hengshan – Anfahrt
Am einfachsten erreicht man den Hengshan und das Hängende Kloster mit dem Taxi von Datong aus. Das sollte hin und zurück um 150 RMB kosten.
Links
- Pingyao – chinesischer Märchenort
- Wutaishan – heiliger Berg der Buddhisten
- Datong
- Die acht tibetischen Glückssymbole
- Wenn der Roland fällt,… - 4. Juni 2023
- Frau und Gesellschaft – China Nachrichten - 1. Juni 2023
- Meine Reiseapotheke - 1. Juni 2023
Viel Spass! Das Kloster ist ja in der Zwischenzeit renoviert worden. Bin gespannt auf deine Fotos!
LG
Ulrike
Habe das gerade noch mal zur Einstimmung gelesen. Mal sehen ob ich mich hinauftraue! Gleich geht es los!
Danke, Tanja! Ja, das Hängende Kloster ist ein ganz spezieller Ort. Relativ einfach zu erreichen in einer spannenden Gegend.
LG
Ulrike
Wow, was für ein faszinierender Ort und deine tollen Fotos.
Fantastisch! Das würde ich wirklich gerne mal in „Natura“ sehen.
Danke für den tollen Bericht.
Viele Grüße
Tanja
Höhenangst – nicht immer? Interessanter Aspekt! Meine Höhenangst lässt jetzt mir zunehmenden Alter nach. Aber diese engen Treppen haben mir zu schaffen gemacht. LG Ulrike
Ja, nicht wahr? Da bin ich ganz stolz drauf! Danke dir! LG Ulrike
Das ist ja atemberaubend! Wunderschön, und wahrlich genial konstruiert!
Ich weiß, wie man sich bei Höhenangst fühlt, allerdings habe ich diese nicht immer, sondern nur gelegentlich, wenn ich mit mir nicht im Reinen bin. 😉
Herzliche Grüße!
Traumhaft, vor allem das Bild mit den Kirschblüten!
Ich war jetzt schon drei Mal in Datong. Es ist wirklich einen Besuch wert. Auch wenn ich die „renovierte“ Altstadt nicht so mag. Da ist vieles Fake. siehe auch http://wp.me/p4YOtr-2x
悬空寺 ist immer einen Besuch wert. Auch wenn man in 30 min. alles gesehen hat, ist es für mich ein „Muß“ Besuch. Sehr faszinierend. Und da in Datong die Altstadt wieder aufgebaut/renoviert wird (inkl. Stadtmauer) ist Datong ein interessantes Ausflugsziel (übrigens, eine der wenigen Städte in China, wo ich englischsprachige Taxifahrer getroffen habe hahaha).