Wasserkalligraphie ist ein beliebtes Hobby in China. In den vielen Parks kann man die Künstler bei ihrer schnell vergänglichen Kunst beobachten.
Zwei Aufnahmen, die ich 2011 in Xi’an von den Wasserkalligraphien gemacht habe, zeigen die feine Kunst, die auch heute gerne in den Parks der Großstädte geübt wird. Umlagert und bewundert von Einheimischen.
Was bedeutet „Kalligraphie“? Ich bemühe mal wieder Wiktionary:
“Von griechisch καλλιγραφία (kalligraphίa) grc „das Schönschreiben“ entlehnt; aus κάλλος (kállos) grc „Schönheit“ und γράφειν (gráphein) grc „schreiben““
Kalligraphie ist also die Schönschreibkunst.
„Schönschreibkunst“ ist ein Begriff, der auf die chinesische Kalligraphie so ganz und gar nicht zutrifft. Sich mittels Schriftzeichen künstlerisch auszudrücken, gehört spätestens seit der Tang-Zeit (618 – 906) zu den vornehmsten der Künste zusammen mit Malerei, der Dichtkunst, dem Musizieren und dem Bogenschießen (!).
Wie mir im Palastmuseum in Taipeh erklärt wurde, soll mit einer chinesischen Kalligraphie der individuelle Ausdruck des Künstlers hervorgehoben werden. Der Inhalt spielt eine ebenso große Rolle wie die Schrift.
Eine Kalligraphie ist ein Gesamtkunstwerk. Kraft, Schwung in der Pinselführung und individueller Charakter zusammen mit der Poesie zeigen die Schaffenskraft des Künstlers. Noch heute gehört es zu dem Können und Wissen eines gelehrten Menschen in China, dass er berühmte Kalligraphen an den Schriftzeichen erkennt, diese kopiert und sich daran übt, diese Ausdruckskraft selbst zu erreichen.
Warum nun aber diese Kalligraphie mit Wasser auf den Steinplatten in Parks und auf Fußwegen?
Man sagt, dass man das macht, weil Graffiti in China genauso verboten sind wie bei uns auch. Die Sprüche und Schriftzeichen aus Wasser verschwinden gleich wieder und verursachen keinen Schaden.
Die Wasserkalligraphie ist anscheinend eine neuere Kunst, die erst seit den 1990er Jahren überall in den Parks beobachtet werden kann.
Chinesisch
地 书 • dìshū = Erde + Schrift
Dishu dient der Übung und der Meditation. Meistens werden Sprüche und Sprichwörter geschrieben, die dem Beobachter und Vorübergehenden Glück und Wohlergehen wünschen.
Häufig kann man sehen, wie sich die Zuschauer um den Schreibenden versammeln und die Zeichen, die Art, wie sie geschrieben werden, kommentieren. Auch in manchen Tempeln kann man die Mönche bei dieser Kunst beobachten.
Ich habe mal gehört, dass diese Wasserkalligraphie schon früher geübt wurde. Man zeichnete die Schriftzeichen in Sand oder eben mit Wasser und gab damit seinem Unmut und Protest Ausdruck. Ein stiller Protest, der sich ganz schnell verflüchtigte…
Es bedeutet auch Meditation: Man erschafft etwas und muss sich doch gleich wieder trennen. Vergänglichkeit erkennen und Loslassen üben sind buddhistische Ziele auf dem Weg zum Nirvana.
Wer das als Übung ernst nimmt, akzeptiert, dass er nichts festhalten kann. So wie das Wasser innerhalb kürzester Zeit sich verflüchtigt, so verschwindet auch alles, was man auf Erden besitzt.
Das steht in einem geistigen Zusammenhang mit der Idee, die hinter der Schaffung eines Sandmandalas steht.
Links
- Das Sandmandala
- Achtsamkeitsmeditation a la Ulrike
- Meine Übersicht über Artikel zur Chinesischen Sprache
- Die uralten Schriftzeichen von Yinxu
- Die Taklamakan-Wüste, geheimnisvoll und abenteuerlich - 1. Dezember 2024
- Deutsches Zollmuseum Hamburg - 26. November 2024
- China Visum – ein Rückblick - 22. November 2024
Oh, das find ich schön! Bin eh ein großer Kalligraphie Fan, aber mit Wasser vergängliche Kunstwerke zu schaffen, ist irgendwie besonders!
Hihi, und ich war froh, dass ich einen Aufhänger hatte, mal darüber zu schreiben. Ich finde es eine ganz spannende Kunst. Ich wünsche Dir schöne Feiertage. Ihr habt ja das Qingming-Fest. LG Ulrike
Wow, das passt ja perfekt zum Thema. Dass diese Kunst dishu heißt, wusste ich bis jetzt noch nicht. Ich habe sie aber auch schon oft vor dem Zhongshan-Park bei uns beobachtet und finde das immer sehr interessant!
Stimmt! Auf Englisch wird die Wasserkalligraphie übrigens „ephemeral Kalligraphie“ genannt. Hach, das it dem Sandmandala Das hätte ich auch nehmen können, hab da noch Bilder vom letzten Jahr,a ls sie in Hamburg ein Sandmandala gestreut haben. Danke! Nachdem mir zuerst gar nichts einfiel, hätte ich jetzt eine ganze Palette von Fotos zu dem Thema zu bieten.
Das passt ja ganz toll zu dem Thema! Das hat ja auch was Meditatives, erinnert mich an bisschen an Sandmandalas, die man dann wieder wegwischt.
Ein wunderschönes Thema! Und so interessant dargestellt! Was für ein schöner Start in den Sonntag, herzliche Grüße, Jutta
Besser, weil eindringlicher, kann man den Begriff „flüchtig“ nicht darstellen, liebe Ulrike. 🙂
Bravo!
I also immediately thought to chinese water writing, Ulrike, but had none of my shots at hand.
It’s charming.
Und wieder was gelernt – Danke Ulrike! Ich habe die Vokabel „Ephemeral“ einfach nur (ohne Erstaunen über mein Unwissen) zur Kenntnis genommen und nur in Leo dt.-engl. nachgeschlagen.