Der Seelenweg (神道 shéndào) nördlich von Peking führt zu Gräbern der Ming-Kaiser. Er und die 13 große Grabhügel liegen malerisch vor der Kulisse des Tianshou-Gebirges.
Die Gräber sind leer, ihre kostbaren Grabbeigaben findet man heute in der Verbotenen Stadt oder in den Museen der Hauptstadt. Den besonderen Reiz der Gräber macht die idyllische Lage aus mitten unter Bäumen und genau an der Stelle, wo sich aus dem fruchtbaren flachen Land die Berge erheben. Man kann sich gut vorstellen, warum die Kaiser und ihre Fengshui-Spezialisten diese Stelle ausgesucht haben: Gut geschützt nach Norden und mit weitem Blick auf die Ebene.
Mein erster Besuch 1988
1988, als ich zum ersten Mal hier war und die Gräber besuchte, gab es noch die Schmuckstücke und die ausgegrabenen Wertgegenstände in einem Museum bei einem der Ming-Gräber zu sehen. Man konnte fast ungehindert von Grab zu Grab wandern. Der Seelenweg war damals frei zugänglich.
Auch ein paar Jahre später, als ich mit meiner Schwester da war, war der Weg frei. Nur die Seelentiere waren eingezäunt, weil viele Besucher es lustig fanden, den knieenden Tieren auf den Rücken zu steigen. Das wollte man verhindern. Auf alten Fotos kann man übrigens sehen, dass die Figuren des Seelenweges früher in einer baumlosen Ebene mitten im Acker standen.
Der Seelenweg 2015
Nun wollte ich mich also über den aktuellen Zustand informieren. Deshalb fuhr ich auf dem Rückweg von der Großen Mauer bei Huanghuacheng zum Seelenweg. Auf die Ming-Gräber konnte ich vom Auto aus einen kurzen Blick werfen. Ich war sehr angetan von den guten Straßen, den hohen Bäumen der Alleen, der ländlichen Atmosphäre.
Wie üblich bei organisierten Ausflügen zum Seelenweg wurde ich an einem Ende rausgelassen und am anderen Ende wieder abgeholt. Diesmal also hatte ich eine halbe Stunde Zeit, um von Nord nach Süd die Doppelreihen der Skulpturen zu durchwandern. Das reicht in der Regel auch völlig aus.
Heute befindet sich der Seelenweg in einer sehr gepflegten Parkanlage mit vielen Bäumen. Aus getarnten Lautsprechern ertönt leise Musik und auch die eine oder andere Durchsage. Die Vögel zwitscherten, als ich dort war. Die Sonne schien vom strahlend blauen Himmel. Es waren nicht übermäßig viele Touristen da. Einer amerikanischen Gruppe konnte ich geradeso davon laufen.
Die steinernen Wächter und Tiere stehen heute frei da. Es gibt immer noch Menschen, die unbedingt die Tiere streicheln müssen oder sich drauf setzen. Das finde ich nicht so toll. Die Frage ist ja, wie lange es dauert, bis Schäden zu sehen sind.
Geschichtliches
Der Seelenweg sollte dem toten Kaiser den richtigen Weg zum Himmel zu zeigen, und zwar von Süden nach Norden, wo die Gräber liegen. Dabei musste die Seele gut geschützt werden.
Dieser Seelenweg führt direkt zum Grab Changling von Kaiser Zhu Di (1360 – 1424) und seiner Gattin Kaiserin Xu. 1409 fing er mit dem Bau des monumentalen Grabes an. In dieser Zeit entstand auch der Seelenweg.
Der Weg ist gesäumt von 12 Menschen-Statuen und 24 Tier-Skulpturen. Alle haben sie eine bestimmte Bedeutung für den Kaiser. Von den Tieren gibt es jeweils 4 Stück: 2 stehende und 2 liegende Tiere. Sie sind alle gut erhalten. Besonders schön und interessant finde ich die chinesischen Fabelwesen Xiezhi, ein Symbol für Gerechtigkeit, und Qilin, ein Symbol für Frieden und Güte.
Die Einheimischen erzählen gerne, dass die Tiere sich nachts ablösen. Dann stehen die liegenden auf und die stehenden können sich ausruhen.
Die Statuen von Süd nach Nord
Kauernder Löwe
Stehender Löwe
Hockendes Xiezhi (Mythologisches Tier)
Stehendes Xiezhi
Liegendes Kamel
Stehendes Kamel
Liegender Elefant
Stehender Elefant
Hockendes Qilin (chinesisches Fabeltier – eine Art Einhorn)
Stehendes Qilin
Liegendes Pferd
Stehendes Pferd
General
General
Ziviler Beamter
Ziviler Beamter
Verdienter Beamter
Verdienter Beamter
Das sind 18 Statuen – pro Seite
Andere Seelenwege in China
Diese Seelenwege haben eine lange Tradition. Die ältesten Figuren aus der Tang-Dynastie (618 – 907) findet man bei den Kaisergräbern in der Nähe von Xi’an. Eine herrliche Anlage ist auch der Friedhofswald der Familie des Konfuzius in Qufu, Provinz Shandong. Dort sind die Grabhügel und etliche Steinskulpturen in einem alten Wald verstreut.
Auch hohe Beamte gönnten sich einen Seelenweg
Eintrittsgebühren:
01.04. – 31.10. RMB 30,-
01.11. – 31.03. RMB 20,-
Öffnungszeiten:
01.04. – 31.10. 08:10 – 17:50 Uhr
01.11. – 31.03. 08:30 – 17:00 Uhr
Links
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Ohje, das hört sich nicht gut an! Ich finde die Gräber auch nicht so interessant. Aber der Seelenweg ist ok.
Als ich die Ming-gräber besucht habe, gab es zwischen den Grabkammern wunderschöne holzgeschnitze Tore und ein riesiges Plakat auf dem chinesisch, englisch und in eindeutig verständlichen Piktogrammen mitgeteilt wurde, dass in diesem großen Raum, in dem nur ein einziger Sarg stand, soundsoviele lebende Menschen hätten untergebracht werden können. Offenbar ein Überbleibsel aus den Zeiten der Kulturrevolution.