Zuletzt aktualisiert vor 3 Monaten
Ein mildes Lächeln, prachtvoll geschmückt, feierliche Haltung: so schaut Guanyin auf mich herab. Im Dunst der Räucherstäbchen, im flackernden Licht der Kerzen kann ich sie kaum erkennen, die hilfreiche Göttin der Barmherigkeit. Mann? Frau? Guanyin hat viele Gesichter und unzählige Möglichkeiten,
观音 • Guānyīn = anschauen + Nachricht
Das wird gerne mit “die die Töne der Notleidenden hört” übersetzt.
Sie ist auf dem Foto als “Königin” dargestellt, mit reichem Schmuck und weich fallender Kleidung. Ihre Haltung ist lässig mit einem Arm auf dem rechten Knie gestützt. Es ist eine frühe Darstellung. Der Betrachter kann noch nicht sofort sehen, ob es ein Mann oder eine Frau ist. Nur die weichen Züge und ihre nur angedeuteten Brüste lassen eine Interpretation als Frau zu.
Guanyin ist der Bodhisattva des Mitgefühls. In China wandelte sich der im Mahayana Buddhismus beliebte männliche Bodhisattva Avalokiteshvara über die Jahrhunderte in die weibliche Guanyin, die im Volksglauben als Göttin verehrt wird.
Avalokiteshvara trug schon in seinen ersten Darstellungen androgyne Züge. Zwischen dem 7. und 11. Jahrhundert vollzog sich die Wandlung zur Guanyin.
Guanyin, Göttin der Frauen
Sie ist sehr beliebt, denn sie bringt Hilfe in der Not. Vor allem ihr allumfassendes Mitgefühl fasziniert und hilft den Menschen. Sie wird häufig mit vielen Armen und Augen dargestellt, denn sie sieht alles und hat viele Möglichkeiten zu helfen und zu beschützen.
Frauen verehren Guanyin, weil sie bei Kinderwunsch und allen Frauenproblemen helfen soll. Manchmal wird sie mit einem Kind im Arm dargestellt. Dies ist auch auf eine Vermischung mit daoistischen Göttinnen zurückzuführen. Eine Ähnlichkeit mit Muttergottesdarstellungen ist sicherlich kein Wunder.

In Tibet tritt Avalokiteshvara als Chenrezig auf, dem Beschützer Tibets. In Japan heißt sie Kannon und in Korea Kwam Um. Chenrezig wird in Tibet männlich dargestellt. Übrigens: Avalokiteshvaras “Reines Land” heißt tibetisch Potala.
Wasser und Mond Guanyin
In ihrer Gestalt als Wasser-Mond-Guanyin sitzt sie im Heiligen Land Potalaka, dem Westlichen Paradies, auf einem Fels und betrachtet den im Wasser sich spiegelnden Mond. Die Darstellung symbolisiert im Buddhismus die illusionäre Natur aller weltlichen Phänomene, von denen sich der Gläubige lösen soll.
Eine Legende
Am Anfang der Zeiten lebte Guānyīn mit allen Geschöpfen auf der Erde. Sie zeigte ihnen, wie sie leben mussten und wie sie mit anderen umgehen sollten. Unter ihrer Vormundschaft lebten alle glücklich zusammen. Bei Meinungsverschiedenheiten baten sie Guānyīn um Rat und es wurde eine gute Lösung gefunden.
Aber es kam der Tag, an dem Guānyīn in den Himmel zurückkehren musste. Nun brachen viele Feindseligkeiten unter den Lebewesen aus. Ihr Wehklagen war so laut, dass es schließlich von Guānyīn gehört wurde…
Avalokiteshvara
Die älteste Erwähnung in China stammt aus dem Lotus-Sutra des Mahayana. Dieses stammt aus dem 3. Jahrhundert. Im Lotus-Sutra wird Avalokiteshvara beschrieben als “der, der jedem hilft, der ihn anruft”. Es soll 33 Manifestationen des Avalokiteshvara geben. Aufgrund seiner Vielseitigkeit ist Avalokiteshvara in seiner weiblichen Form in China heute sehr beliebt.

Im Shuanglin-Tempel bei Pingyao gibt es eine sehr schöne Statue, die die vielen Arme und damit die Möglichkeiten der Göttin zeigt.

Der Heilige Berg des Bodhisattva Avalokiteshvara bzw. der Guanyin ist der Putuo Shan, eine Insel unweit von Shanghai:
Der Name Putuo Shan bedeutet so viel wie „Berg Potala“, der in der buddhistischen Überlieferung als Sitz des Bodhisattvas Avalokiteshvara gilt.
In Peking begegnet uns Guanyin übrigens als eine der Unsterblichen im daoistischen Tempel der Weißen Wolke. Sie wird im Daoismus auch als Schützerin der Frauen verehrt.
Einen reinen Guanyin-Tempel gibt es zurzeit (2019) nicht in Peking. Man begegnet der Göttin jedoch in vielen Palästen und Tempeln als Relief oder als Statue. Es gibt das Gerücht, dass ein neuer Tempel gebaut werden soll, denn früher hat es einen Guanyin-Tempel gegeben.
Links
- Wie verhalte ich mich in einem buddhistischen Tempel in China? So verneige ich mich vor Buddha
- Die acht tibetischen Glückssymbole
- Die vier Himmelswächter
- Die fünf Tugendregeln im Buddhismus
- Guanyin auf Wikipedia
Der Artikel wurde im Juli 2019 komplett überarbeitet.
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Die Mutter Gottes und die Guanyin haben viele Ähnlichkeiten. Sie stehen für Güte, Mitgefühl und mütterliche Sorge für ihre Gläubigen. Mir gefallen die Statuen sehr gut.
In der Ostasiatischen Porzellansammlung der Residenz haben wir etliche schöne Darstellungen der Guanyin. Ich mag diese Göttin der Barmherzigkeit sehr. 🙂
Hab eine gute und schöne neue Woche!
Liebe Ulrike!
Danke für deine tollen Artikel. Ich lese sie oft, aber ich kommentiere/”like” sie viel zu wenig 🙂
Auch dir einen wundervollen Start in die Woche!
Danke, Norbert! Mir geht es ja ähnlich. Mir fallen meistens keine schlauen Kommantare ein. 😉 Ich lese Deinen Blog auch sehr gerne. Immer wieder inspirierende Gedanken dort! Beste Grüße
Ulrike
Die Sonne scheint. Elfchen lacht. Das ist mein Glück 🙂