Ausflug zum alten Cuandixia bei Peking
Es fing an, wie viele meiner Reiseträume: Ich sah irgendwo ein Foto und war sofort fasziniert. Ein altes Dorf, an dem die Zeit vorübergegangen war, nur rund 80 Kilometer vom Pekinger Stadtrand entfernt. Das musste ich sehen! So entwickelte sich die Idee zu einem wahren Abenteuer.
Cuandixia – ein altes Dorf bei Peking
Anfahrt nach Cuandixia
Als erstes musste ich die Frage lösen, wie ich überhaupt dorthin komme. Es war Anfang November, eine Zeit, in der sich nicht viele Touristen in die kargen und kalten Berge westlich von Peking aufmachen. Folglich gab es keine Touristenbusse. Auch alle anderen öffentlichen Verkehrsmittel führten nur bis zu den größeren Orten in der Nähe. Zum Beispiel bis Zhaitang. Doch gab es Hinweise darauf, dass das Weiterkommen von dort aus schwierig sein würde. Ich konnte auch ein Taxi nehmen, was vom Hotel aus für den ganzen Tag ein Vermögen kosten würde. Schließlich entschied ich mich, mit der Ubahn bis zur Endstation Pingguoyuan zu fahren und von dort mit dem Bus.
Ich brach früh auf und war schon gegen 10:00 Uhr in Pingguoyuan (U-Bahn Linie 1), was übrigens Apfelgarten bedeutet. Die Sonne schien, es war knackig kalt. Auf der Suche nach dem Bus wurde ich gleich von einem Mann angesprochen: „Cuandixia? Taxi – cheap, cheap!“ Ich versuchte, ihn abzuschütteln. Doch hartnäckig folgte er mir.
„Der Bus fährt heute nicht!“ Na klar: Das musste ich ja nicht glauben. Doch zuletzt siegte meine Bequemlichkeit: Der Mann bot mir einen sehr guten Preis und ich stieg in sein Auto. Das war eindeutig kein offizielles Taxi. Egal!
Die Fahrt ging durch ein Industriegebiet in die Berge westlich von Peking. Bald wurde die Landschaft ländlich. Kleine Dörfer, ein Wegweiser zum Tanzhe-Tempel. Aha, da hätte ich auch noch hin fahren können! Dann bogen wir von der Hauptstraße in eine schmale Landstraße ab. Kaum noch Verkehr, keine Menschen weit und breit. Manchmal eine Hausruine, kahle Berge, einsame Bäume.
Alles wie mit Puderzucker überzogen von dem Schnee, der letzte Nacht gefallen war. Ohje! Hier war ich ja wirklich mitten in der Pampa gelandet! Ob das alles so richtig war? Mein Fahrer lächelte mich beruhigend an: „Es ist nicht mehr weit!“
Das alte Dorf
Eine scharfe Kurve, dann ein Parkplatz und ein Tickethäuschen kombiniert mit einer Touristeninformation und Souvenirshop. Ich kaufte mir meine Eintrittskarte und verabredete mit dem Fahrer, dass wir uns hier in zwei Stunden wieder treffen würden.
Ich stöberte einen Moment in dem Souvenirladen. Der Verkäufer war ganz begeistert, eine mögliche Kundin zu haben und zeigte mir all seine Landkarten, Postkarten und Info-Büchlein über Cuandixia. Klar, dass ich mich mit allem notwendigem eindeckte!
Dann fing ich an, das alte Dorf zu erkunden, als einzige Touristin weit und breit und auch als einziger Mensch, wie es schien. Ein Hund kläffte verwundert bei meinem Anblick, dicke Eisplatten machten das Gehen gefährlich. Ich ging langsam und bedächtig durch die schmalen Wege zwischen den alten Steinhäusern.

Das Dorf des General Han
Während der Qing-Dynastie (1644 – 1911) brachte die Poststraße von Peking nach Xi’an, die direkt durch das enge Tal von Cuandixia führte, Wohlstand und einen Hauch von Handel und Geschäftigkeit ins Dorf. Mit dem Bau der modernen Schnellstraße, die einen anderen Verlauf nahm, geriet das Dorf fast in Vergessenheit.
Jetzt bringt der Tourismus neues Leben in den Ort. Nur nicht im Winter. Es gibt noch 70 alte Häuser, die sehr an die Hofhäuser in der Altstadt Pekings erinnern, vor allem auch wegen der grauen Dächer. Übrigens heißen noch heute die meisten Einwohner von Cuandixia „Han“.




Jetzt, im Winter, hatte ich das Dorf für mich alleine. Neugierig schaute ich in die Höfe, die noch ganz aussehen wie vor 100 Jahren. Rote Laternen hingen von den Dachbalken, die Türen schmückten Gedichtbänder und Glückssymbole.
Parolen aus der Frühzeit der Volksrepublik
Es war wirklich sehr, sehr kalt. Dicke Eisplatten auf den Wegen machten mir das Gehen mühsam. Cuandixia hat noch eine Besonderheit aufzuweisen: An manchen Hauswänden kann man immer noch die Parolen sehen, die während der 1950er und 60er Jahre die Bevölkerung ermuntern sollten.


„Wir nutzen die Gedanken von Mao Zedong, um unseren Verstand zu schärfen“
In der Ferne konnte ich einen kleinen Tempel sehen. Den hätte ich mir gerne angesehen, doch wegen der nicht geräumten Wege mochte ich das Risiko zu stürzen nicht eingehen. Auch die Gegend hinter Cuandixia zu erkunden, kam aus dem gleichen Grund nicht infrage.
Die alte Straße soll durch Tunnel und eine einsame Landschaft noch zu weiteren verlassenen Dörfern führen. Ich kann mir gut vorstellen, dass es sich lohnt, im Sommer über die Berge zu wandern und so den Touristenströmen, die dann über das einsame Tal hereinbrechen, zu entgehen.
Cuandixia – Chuandixia
Das Schriftzeichen für „Cuan“ hat 30 Striche. Die Bedeutung ist „Küchenherd“. Heute ist man sich einig, dass der Ortsname übersetzt heißt „Unter dem warmen Herd“. Also ein Ort, der warm und sicher ist.
Dabei ist auch der Name der Dorfbewohner interessant. „Han“ wird zwar nicht so geschrieben aber genauso ausgesprochen wie das chinesische Wort für „Winter“.
Als die chinesischen Schriftzeichen in den 1950er Jahren reformiert wurden, fand man Cuan ziemlich umständlich und nannte das Dorf in Chuandixia um ( 川 = großer Fluss). Das sind nur 3 Striche, machte aber so gar keinen Sinn. Deshalb kehrte man bei wachsendem Selbstbewusstsein und um die Traditionen zu wahren schließlich zum alten Cuandixia zurück.
Links das Schriftzeichen für Cuan und rechts das einfachere Chuan


Die Hauptelemente des Schriftzeichen „Cuan“ sehen wie folgt aus:
Mittagessen im Dorf
Langsam wurde es Zeit, zum Parkplatz zurückzukehren. Mir knurrte der Magen. Es gab anscheinend auch Restaurants und sogar Pensionen, die im Sommer für die Besucher geöffnet sind. Doch jetzt im November schienen sie alle verlassen und geschlossen. Als mir mein Fahrer entgegen kam, fragte ich ihn, ob er ein Haus wüsste, wo wir essen könnten. Er wusste!



Es war nicht wirklich ein Restaurant oder jedenfalls jetzt nicht. Im Sommer war man bereit, Zimmer an Reisende zu vermieten und auch ein Essen für sie zu kochen. Für mich und meinen Fahrer wurde Platz im privaten Schlafzimmer der Familie geschaffen. Wir saßen auf dem ordentlich gemachten Bett, einem traditionellen Kang (beheizbares Bett), auf dem nach all den Decken zu schließen rund 7 Personen die Nächte verbrachten. Das Essen, das die Hausfrau brachte, war einfach aber sehr lecker. Sie und ihr Mann saßen dabei, lachten mich freundlich an und stellten die üblichen Fragen nach meinem Woher und Wohin. Der Fahrer und ich aßen genüsslich und tranken Tee dazu.
Der Raum war relativ groß. An der einen Wand stand ein großer Fernseher. An der gegenüberliegenden Wand hing ein großes Mao-Portrait. Die Fenster, die zu einem kleinen Hof hinaus führten, waren ohne Glasscheiben und nur mit dickem Papier beklebt. Die Toilette, die auf der anderen Seite des Hofes lag, war picobello sauber und zeugte mit ihrem Porzellan-Klo und Waschbecken davon, dass es die Familie schon zu einigem Wohlstand gebracht hatte.
Rückfahrt
Schade, dass ich so bald schon zurück nach Peking musste! Wir fuhren die gleiche Strecke zurück. Nun nahm der Fahrer aber unterwegs Leute mit, die am Wegesrand standen. Dafür nahm er ein kleines Entgelt. Je mehr wir uns Peking näherten, desto dichter wurde der Verkehr. Die letzten Kilometer standen wir überwiegend im Stau. Zurück im Hotel ließ ich mich müde aber glücklich aufs Bett fallen und war sofort eingeschlafen.
Fazit:
Trotz der Kälte kann ich den Ausflug nach Cuandixia für den Winter nur empfehlen. Im Sommer soll es heiß und voll werden. Überarbeitet und aktualisiert im Juni 2019
Infos
Anfahrt:
Im Sommer kann man von der U-Bahn-Endstation Pingguoyuan (Linie1) den Bus 892 bis Zhaitang nehmen. Von dort gibt es dann Minibusse oder Taxis.
Eintrittspreis (Stand Juni 2019): 35,- Yuan RMB
Achtung: Im Sommer wird es an Feiertagen und Wochenenden richtig voll!
Übernachtungen sind bei den einheimischen Familien möglich.
Links



Der Artikel erschien zuerst im August 2016
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Ich habe eben diesen Bericht gelesen und die Fotos bewundert, wurde ganz sehnsüchtig!
Ja, solche Dörfer findet man noch. Ich bin erst am Qiandaohu in ein solches gestolpert. Da meint man, die Zeit wäre stehen geblieben und ich denke fast, weg von den Millionenstädten sieht es oft noch so aus.
Danke für deinen Bericht und viele Grüße aus Suzhou 🙂
Das freut mich sehr! Chinesisch lernen ist gar nicht sooo schwer. Aber man kommt in China mittlerweile auch mit Englisch ziemlich weit.
Immer wenn ich bei dir lese, bekomme ich Lust chinesisch zu lernen. Der Einblick in ein Privathaus in so einem Dorf ist auch äußerst spannend
Travel in remote China is an experience isn’t it. This village with the snow looks amaziing,
Thank you! This village is not far from Peking. In winter it is almost without tourists. I love it!
Hallo Ulrike,
vielen Dank für die schnelle Antwort! 500 RMB ist, denke ich, ok für einen Tagesausflug aber vielleicht klappt es ja mit dem Bus:)
Viele Grüße,
Pia
Hallo, Danke für die lieben Worte! Bie Cuandixia kann ich Dir nicht wirklich helfen. Ich hatte damald Glück: Winter, keine Touris, der „schwarze“ Taxi-Fahrer wohl auf der verzweifelten Such nach zahlenden Kunden. Ich habe einen Preis erhalten, der meine Bekannten in Peking sehr erstaunte. Ich glaube, Du musst bei sowas ab Pingguoyuan ca. 400 bis 500 RMB rechnen. Aber es gibt ja auch Busse. Wenn Du also im Frühlung oder Sommer reist, kannst du leicht den Bus nehmen.
LG
Ulrike
Hallo,
Dein Blog ist sehr toll! Manchmal wünschte ich ich wäre 20 Jahre früher geboren und hätte den Wandel Chinas so wie Du sehen können!
Ich würde gerne die Tour nach Cuandixia machen. Wie viel kostet denn die Strecke mit dem Taxi, wenn man ein bisschen verhandelt (mein Chinesisch ist auf einem ähnlichem Niveau wie deines – lange reiseführererklärungen sind schwer, aber eine Verhandlung über den Preis krieg ich hin)?
Vielen Dank für die tollen Tipps!
Ja, mich kann Schnee und eis nicht davon abhalten, mir etwas anzusehen, das ich unbedingt sehen will. auch Hitze oder Regen halten mich nicht auf. Ich hoffe nur, dass in Fujian im Dezember kein Schnee liegt 😉
Meine Reiseträume beginnen auch immer mit einem Bild, das ich irgendwo sehe, z.B. deine Bilder hier. So sehr ich Schnee hasse – so ein verlassenes Dorf im Winter wirkt durchaus verlockend!
Ja, im Sommer soll es mittlerweile ziemlich voll werden. Ich war Anfang November dort. Kart aber schön!
Das Dorf sieht so wahnsinnig idyllisch aus! Wahrscheinlich ist es im Sommer total überlaufen?
Wieder eine spannende Geschichte und so schöne Bilder 🙂
Beeindruckende Bilder aus einem fernen und für mich so fremden Land. Und ich spreche nicht nur von den Fotos. Ich reise gern mit. Immer wieder.